Happy Birthday, meine liebe Fee!
24 Jahre – wow!
Nie hätte ich gedacht, dass es mal so herum kommt. Immer habe ich gedacht: Mein Pony wird steinalt. Fee, ein Warmblüter, nun, da muss man früher an Rente denken. Es ist genau andersherum gekommen. Fee ist das härteste Pferd, das ich kenne. Sie hat glasklare Beine, auch mit 24. Sie hat einen Arbeitseifer, der seinesgleichen sucht. Sie will und sie muss. Raus, was tun. Sie ist cool und gelassen in ihrer Birne, man kann mit ihr herausgehen ohne Angst vor Traktorenbegegnungen, schnell fahrenden Autos oder vorbeispringenden Rehen zu haben. Gleichzeitig denkt sie oft noch, sie wäre fünf Jahre alt und schmeißt ihren Hintern so richtig in die Luft. Sie ist ein heißer Feger, auch noch mit 24.
Kleine Anekdote dazu: als Brasilien das Partnerland des CHIO Aachens war, sollten Gruppen brasilianischer Reiter durch den Wald geführt werden. So einige Kilometer weit, 10, 20? Ich weiß es nicht mehr. Den Proberitt machten wir mit zehn Leuten, um den Weg kennen zu lernen. Jeder von uns sollte später eine eigene Reitgruppe mit brasilianischen Gästen führen. Die meisten Pferde der anderen Rittführer waren Isländer. Und eben ich mit Fee. Sie mag große Gruppen nicht, wir gehen immer zu zweit, dritt oder viert heraus normalerweise. Fee und ich beendeten den Ritt auf der Stelle galoppierend. Sie blieb brav bei mir, aber regte sich wahnsinnig auf. „Gehst Du denn nie mit dem Pferd raus?“ fragte mich völlig entsetzt eine Isi-Mitreiterin (und ich nehme an, in ihrem Kopf spukten Großpferde-Vorurteile herum, so etwas wie: Pferd in Gitterbox, 24 Stunden bandagiert, niemals ins Gelände gehend).
Doch, klar. Nur: mein Pferd ist eine Königin. Und DAS, mit 10 Ponies durch den Wald, das passte ihr so gar nicht. Ich habe später dann meine Reitgruppe mit einem geliehenem Tinker durch den Wald geführt. Die Gruppe bestand übrigens nur aus Mangalarga-Marchador-Hengsten, die genauso auf der Stelle rumgaloppierten, wie meine Fee das auch getan hätte. Öhm. Da wären wir nicht aufgefallen.
Meine Fee ist ein unscheinbares Pferd, was schwierig zu fotografieren ist – ihre Qualitäten sieht man nicht auf den ersten Blick. Sie ist sehr klug, wahnsinnig engagiert und bewegt sich immer noch geschmeidig durch den Körper. Sie hat mir ganz wichtige Dinge beigebracht. Ich traue mir heute zu, jedes Pferd verladen (was mich Stunden, Tage, Wochen gekostet hat, es zu lernen – mit ihr zu lernen). Ich weiß, wie man Pferde motiviert (weil ich ein Pferd wollte, das ebenso gern mit mir arbeiten möchte, wie ich mit ihm). Ich habe zwei Fohlen aus ihr gezogen, in beiden Fällen unterschiedliche Höllen erlebt und bin dennoch das Zucht-Virus nicht los geworden (im Gegenteil).
Ich habe von ihr gelernt, dass man nur gut reitet, wenn man das emotionslos tut. Ärgern, grämen: straft sie sofort ab. Dass Grunderziehung, Horsemanship und Reiten zusammengehört: ohne dies hätte ich es nie geschafft, mit ihr zu einem Team zu werden. Unser Alltag sah zwischen ihrem dritten und fünften Lebensjahr so aus: Jeannette im Sattel. Jeannette im Sand. Jeannette im Sattel. Jeannette im Sand. Jeannette im Sattel. Jeannette im Sand.
Kein Scherz.
Ich habe gedacht: entweder Du knackst dieses Pferd, oder es geht in die Wurst. Damals war Fee jung, mit begehrtem Pedigree. Ein kurzes, abgedrehtes, elastisches Modell, das wunderbar noch mit allen vier Beinen in der Luft die Richtung ändern konnte und munter zwischen Bocken und Steigen wechselte. Sie führte sich so auf, dass niemand mehr in den Sattel stieg. Für kein Geld der Welt. Es hat funktioniert, weil ich mutige Menschen um mich herum hatte, die mir geholfen haben. Vom Boden aus, die einfach mich gestärkt haben, weiterzumachen. In den Sattel musste ich alleine. Es gab keine Alternative. Heute, viele Jahre später und viel wissender, als ich es damals war, finde ich das gar nicht mehr schlimm. Ich sehe das nicht mehr als einen negativen Aspekt an, das war kein Charakterfehler. Das war ein junges Pferd, das testete. Ich war zu unerfahren (Ponymädchen, das sich überschätzte), um es im Keim zu ersticken. Ich freue mich, wenn ich heute mit international startenden Springreitern über Pferdesuche rede, und wir bei genau dem Stutentyp ankommen, den ich da zuhause habe. Wenn man so eine nämlich einmal auf seiner Seite hat, ist das der tollste Pferdetyp der Welt. Kämpfer und Königin zugleich eben.
Heute sieht ihr diese Vergangenheit kein Mensch mehr an. Dieses gelassen wartende Tier da? Das sich von einem Kind führen lässt, reiten lässt? Es klingt wie ein Märchen.
Sie hat einen Umschalt-Hebel. Von völlig gechillt zu „Motor an“. Ein typisches Diesel-Modell. Im Sattel denkt sie mit und ist so ein Kandidat, der gern Sachen vorweg nimmt. „Ach, das willst Du? Hey, warte, zack, mach ich Dir!“ Absolut überengagiert, herrlich! Dieses Pferd war mir sein ganzes Leben lang überlegen. Sie hätte gottweisswas werden können mit einem anderen Reiter. Egal, was ich machen wollte: sie schenkte es, sobald ich fähig war, das zu reiten. Es lag IMMER am Reiter und nie am Pferd.
Du bist die Beste.
Happy birthday, mein Pferd. Und Danke.
P.S.: Natürlich kann sie das nicht lesen. Und natürlich steht sie nicht auf Luftballons und Konfetti. Das mag ich, nicht sie. Es ist meine menschliche Art, meine Emotion zu diesem Pferd in Taten zu gießen. Sie spürt meine Haltung und Zuneigung. Das zählt. Ich glaube, es ist wichtig, zu schätzen, was man hat. Sich das bewusst zu machen. Und sei es mit Konfetti und Luftballons.
MAKING OF:
Die Luftballons fand sie natürlich erst mal spooky. Nicht nachmachen, ohne das Pferd gut vorzubereiten, ist klar, ne! Also: ich habe die Lufballons zunächst an einer Stange festgebunden, und Fee dort hin geführt. Für jedes in-Richtung-der-Luftballons-herantreten oder Nase-vor-strecken habe ich sie gelobt, zurücktreten habe ich ignoriert. Hat sie sich getraut, mit der Nase den Ballon zu berühren, gab es ein Leckerli.
Als das funktionierte, habe ich ihr das Gefühl gegeben, sie könnte den Ballon wegscheuchen: Nase dran, Ballon zurückgenommen. Der Trick ist von Warren McLean, und funktioniert super, weil Fluchttier Pferd dann den Eindruck hat, es könnte die Situation beeinflussen und das Ding wegschubsen, vor sich hertreiben. Als das ging, habe ich den Ballon rascheln lassen und ihn hoch und runter bewegt. Bevor ich mit den Dingern in der Hand in den Sattel steige, musste ich sicher sein, dass sie die Ballons aus jedem Augenwinkel akzeptiert. Daher: über den Kopf halten, auf die Kruppe halten, sie überall damit abstreichen. Ich bin natürlich nicht mit Ballons in der Hand aufgestiegen, sondern habe mir die Dinger anreichen lassen und die Ballons so gehalten, dass ich sie im Notfall hätte loslassen können (keine gute Vorstellung, auf einem Pferd zu sitzen, das Panik bekommt und man schafft es nicht mehr, die Ballons loszulassen!) Im Sattel war es dann gar kein Thema mehr.
P.S.: Zu ihrem Ehrentag bekam die Fee auch eine Torte, eine Pferdetorte. Aus Leinsamen und Haferflocken, ganz gesund. Das Rezept zum Nachmachen findet ihr HIER.
P.P.S.: Geburtstagsbuckler gab es dann doch noch. Einen kleinen. Madame hat sich geärgert, dass sie den gleichen Weg fürs Foto zehn Mal hin und her gehen sollte, aber nicht so schnell galoppieren durfte, wie sie das gerade gut fände. Nicht schlecht, oder? Macht mich recht gelassen bei anderen Pferden. Wenn ein Pferd bockt, weiß ich: besser als Fee kannste das eh nicht.
Ein dickes Dankeschön an Klara Freitag (Instagram: klarii_)! Alle Fotos sind von ihr.