Neue Kurse + ISG-Lockerungsübung

Aus dem Kurs vom März 2018. Von links nach rechts: Ailena, Jeannette, Claudia, Philippa, Dyri.

 

Fotos: Klara Freitag

Eine gute Nachricht! Die Kurse mit Claudia Butry für 2019 sind online. Auch ein Gymnastikkurs ist dabei. Im diesjährigen Gymnastikkurs habe ich übrigens etwas gelernt, was mir später ganz schön geholfen hat.

Und zwar war das eine Krabbelübung, um das ISG und andere Strukturen im Hüftbereich gut zu lockern. Das ISG ist ein Knochenspalt, der ganz schön viel Ärger machen kann. Ganz genau habe ich Euch bei wehorse aufgeschrieben, was dieser für Pferd und Reiter für Funktionen hat. Während des Gymnastikkurses hat gerade diese Übung für ziemlich viele Lacher gesorgt, denn sie sieht schon sehr lustig aus.

Vor einiger Zeit erinnerte ich mich an sie, als mir der Arzt sagte: „Das ISG scheint blockiert zu sein.“ Ich hatte heftige Rückenschmerzen im unteren, seitlichen Bereich. Das ist ungewöhnlich für mich, ich habe sonst nichts mit Rückenschmerzen zu tun. Der Arzt empfahl Wärme und Schmerztabletten und ein Besuch beim Osteopathen, falls es nicht besser würde. Tatsächlich geholfen hat mir Claudias Krabbelübung. Und das sofort – der Schmerz war sofort erträglicher, nachdem ich diese Übung für fünf Minuten gemacht habe. Gedacht ist sie eigentlich, um die Hüfte schön locker vor dem Reiten zu bekommen.

Manchmal lernt man ja nebenbei etwas, von dem man gar nicht erwartet hätte, dass es so nützlich sein könnte. So war das auch diesmal. Also, hier ist Claudias Krabbelübung auch für Euch – probiert sie aus!

Ihr werdet nach dieser Übung direkt einen Effekt im Sattel bemerken, weil ihr besser als zuvor mit Eurem Becken dreidimensional den Pferdebewegungen folgen könnt.

 

  • stell’ Dich auf alle Viere
  • gerader Rücken, also weder Hohlkreuz noch Katzenbuckel
  • Führe dein rechtes Bein vor das linke
  • Dein rechtes Knie liegt dann praktisch vor dem aufgestützten linken Knie
  • Dein rechter Unterschenkel liegt um das aufgestützte linke Bein (soweit es Dir möglich ist)
  • Dann verlagerst Du Dein Gewicht auf das rechte Bein und hebst das linke Bein an
  • Du führst das linke Bein nach dem gleichen Schema um das rechte Bein

 

Es entsteht so ein Krabbeln, bei dem Du die  krabbelnden Beine überkreuzt. Mache das erst vorwärts, dann rückwärts! Am besten nutzt Du eine Gymnastikmatte, oder mehrere, damit die Krabbelstrecke länger ist. Ohne Matte tut es weh, auf den Knien zu krabbeln.

Wer sich das ganze im Bewegtbild ansehen will, findet hier Claudias Anleitungsvideo zu dieser Übung! Für alle, die noch mehr Übungen mit Claudia testen möchten: Meldet euch zu den Kursen an.

Nur noch wenige Reitplätze für 2019 frei

Die Reitplätze werden als erstes an die Newsletterabonennten vergeben, daher sind nur noch wenige verfügbar (Du kannst Dich hier für den Newsletter anmelden). Über die Warteliste geht aber ganz häufig noch etwas! Sehr lehrreich und dazu kostengünstig sind die Zuschauerplätze – eine Lernmöglichkeit, die oft unterschätzt wird! Einen reinen Gymnastikkurs im Sommer und Herbst gibt es auch.

 

 

 

Sarah Brummer im Kurs: Empfehlung!

 

Fotos: Timm Conrad

Es gibt so Kurse, da stimmt echt alles. Ausbilder, Menschen, Stimmung. Genau solche Kurse, aus denen man mit einem gesättigten Gefühl herausgeht und das Gefühl hat, eine neue Welt oder zumindest viele neue Ideen gesammelt zu haben, machen wir immer wieder möglich, Philippa und ich. Also wir versuchen es zumindest und ich denke, es gelingt uns auch! Jetzt war ich aber mal woanders und ratet mal, was ich gefunden habe! Genau diesen Geist. Das war so schön! Ich bin voll gepumpt mit guten Gedanken und guten Erlebnissen nach Hause gekommen.

Und zwar habe ich mir Sarah Brummer, eine Horsemanship-Frau, angesehen. Vor Jahren hat sie mich durch ein Video, das auf facebook häufig geteilt wurde, begeistert. Darauf ist eine Annährerung an ein halb wildes Pferd zu sehen, einfach nur körpersprachlich, über lange Zeit. Eine sehr feine Arbeit.

Horsemanship-Ausbilderin Sarah Brummer.

Die Entspannungs-Phase vom Stachelschwein-Spiel. Wie das geht, habe ich Euch auf wehorse beschrieben.

 

Meine Blogleserin Katharina vom Hof Grube in Großmoor bei Celle hat Sarah mehrmals im Jahr im Programm. Und sie schrieb mir einige Male „Du musst mal kommen!“ Ich war – zugegeben- etwas skeptisch, weil ich nicht alle Parelli-Ausbilder und Ausbildungsideen gut finde. Aber ich erinnerte mich an dieses Video und irgendwas sagte mir: Du musst da hin.

Was ich vorfand war: Viele tolle Menschen. Und eine Ausbilderin, die mit ganz viel Gespür für Pferd und Mensch arbeitet. Die Pferde sehr gut lesen kann und Menschen sehr unterstützt. Eine ganz feine Kursatmosphäre und ganz viel Lernbegierde.

Die schönsten Zitate aus dem Kurs von Sarah waren:

  • Was ist die größte Belohnung für ein Pferd? Zusammensein, ohne etwas zu wollen. (Learning meinerseits: Öfter mal einfach so Zeit mit dem Pferd verbringen. In die Heuraufe setzen, oder das Spiegelspiel von Ian Benson machen.)

  • Die Pferde fühlen Eure Absichten. Ob sie gezwungen werden sollen, zum Beispiel in den Hänger zu gehen, oder ob ihr so lang bei Ihnen mit Geduld bleibt, bis sie den Mut haben, selbst hinein zu gehen. (Ich weiss das, aber es ist gut, das noch mal zu hören. Und ich glaube, die Dimension, in der dieser Satz gilt, die ist echt groß – da gibt es noch viel zu entdecken.)

  • Sei passiv. Je passiver Du bist und in Dir ruhst, desto mehr möchte das Pferd bei Dir sein. (Zu dem Bild oben, es zeigt Katharina und ihren Fuchswallach: In der Situation fragte Sarah die Kursteilnehmer, warum dieses Pferd so ruhig sei, obwohl er alleine im Roundpen sei. Antwort: Weil er mit seiner Besitzerin eine Herde ist. Ein schönes Beispiel für eine gute Pferd-Mensch-Beziehung!)

  • Wir machen oft zu spät zu viel statt früh sehr wenig. Vieles lässt sich im Ansatz klären. (Jaa! Jaa! Jaa!)

Auf wehorse habe ich Euch eine konkrete Übung aus dem Kurs beschrieben. Das Ziel, das langfristige, ist, dass Dein Pferd bei Dir sein möchte. Egal, wie grün das Gras nebenan ist. Und es gab immer wieder Ansätze an diesen zwei Tagen, an denen deutlich wurde: Das wird klappen. Erste schöne Ansätze von Freiarbeit und Kommunikation rein auf leise Körpersprache hin zum Beispiel.

Ganz herzlichen Dank an Katharina, die den Kurs so herzlich gemacht hat und für Ihre Vehemenz, dass ich kommen soll! Vielen Dank an Sarah – für Deine großartige Arbeit und den Einblick darin. Dankeschön an Timm Conrads für diese super schönen Fotos vom Kurs. Und vielen Dank an alle Kursteilnehmer, dass ich die Bilder hier zeigen darf.

Fast vergessen: Sarahs Lieblingswörter. Die passen auch gut als Feedback zu diesem Kurs: „Voll gut.“ Ein bisschen eingefärbt mit Schweizer Zungenschlag. Da lebt sie nämlich, und auch, wenn sie da nicht geboren ist, hört man es ein kleines bisschen. Genau das war es!

Was Instagram-Bildmotive mit uns & den Ansprüchen ans Pferd machen

 Fotos: Klara Freitag

Ich habe mit Klara Freitag ein Bildprojekt gestartet, bei dem wir typische Instagram-Motive nachstellen und mit der Realität abgleichen. Die erste Folge davon, das Nachtkleidchen-Motiv und die Analyse dazu, warum es so viele mögen, findet ihr auf wehorse.

 

Ich heirate ein Pferd

Das typische Fotomotiv Pferd plus festliches Kleid steht dem Nachthemdmotiv nahe. Allerdings ist es meist weniger filigran, aber noch beziehungslastiger aufgezogen. Da stehen Frauen neben ihren Pferden, als ob sie die heiraten wollten. Man könnte Pferd und Mann per Photoshop austauschen und niemandem würde etwas auffallen. Ganz klar zeigt es, wie sehr sich viele wünschen, ihre Bindung zum Pferd in ein Bild zu gießen. Aber es stellt eben auch eine unfassbare Überhöhung dar. Einen total interessanten Kommentar dazu hat Julia mit dem Account namens „Schnixie“ auf instagram geschrieben. Sie sagte dort: „Die innige Verbindung zum Vierbeiner hoffen manche durch sehr romantische Bilder zu unterstreichen, so nach dem Motto: Seht her, wie innig wir sind! Das ist ja offenbar sehr erstrebenswert in der Pferdewelt. Unsere Kuschelfotos sind allesamt mit Pferdekeksen im Schoß entstanden. Ich finde das krass, was es da inzwischen für einen Hype gibt, es scheint ja die Sehnsüchte der Menschen wieder zu spiegeln. Heute reden ja alle davon, dass man dringend immer diese innige Verbindung haben muss, um ein echter Horseman zu sein. Ich sage nur #beone und #twohearts. Haste das nicht, biste kein guter Pferdemensch. Wird daher wohl gern plakativ unterstrichen.“

Recht hat sie mit den Leckerlis – wo Innigkeit draufsteht, ist noch längst keine drin. Solche Tricks wie Leckerchen oder Pferdestimmen per App abspielen, damit die Ohren auf dem Bild gespitzt sind, sind üblich (warum auch nicht?). Interessant auch, dass sie die Hashtag-Kampagnen anspricht. Die Grundidee der #twohearts Kampagne finde ich gut (Was macht den Sport einzigartig? Dass zwei Individuen ihn gemeinsam ausüben.) Doch diese Kampagne des Weltreiterverbandes bekam von Anfang an mit der Auswahl der ersten Werbebotschafter eine Schieflage. Da warben internationale Reiter, die nun wirklich für alles andere als pferdefreundliches Reiten bekannt sind, für #twohearts, was das Ganze unglaubwürdig und abstrus erscheinen ließ.

Die Bindung zum Pferd wird stark beschworen, zur Normalität erklärt, auch wenn sie in der Realität selten in gleicher Intensität vorliegt. Diese Überhöhung macht was mit Menschen: Unzufriedenheit mit dem, was wirklich da ist zum Beispiel. Der Wunsch, schneller zur Einheit zu kommen, führt vielleicht auch zu Abwegen. Zu Schnelllösungen, die eher vom richtigen Weg abbringen. Denn tatsächlich entsteht Bindung durch korrektes Agieren, Geduld und Zeit.

Dass es normal zu sein scheint, eine vollendete Bindung zum Pferd zu haben, macht vor allem etwas mit jungen Pferdeleute, die mit Ostwind-Kinofilmen und stark bearbeiteteten Instagram-Bildern aufwachsen. Mehr als alles andere sind deshalb Vorbilder im echten Leben so wichtig, um den Wunsch und die Realität abzugleichen.

 

Sportlich-stylisch versus „Hauptsache noch irgendwie zum Pferd“!

 

Wo ich bei allen anderen Motiven dieser Serie mit mir im Reinen bin, und es mich nicht wirklich juckt, nicht hübsch gestylt zum Pferd zu erscheinen, da prallen in diesem Bilderpaar meine eigenen unerfüllten Ansprüche gegeneinander.

 

Bei diesem Motiv geht’s um die Ansprüche an uns im Bezug auf Fitness. Überall werden wir mit sportlichen Idealen zugeballert – Sportsachenwerbung zeigt uns, wie attraktiv man sein kann, wenn man sich quält (was auf diesen Bildern nie nach Qual aussieht), Reitsportmagazine erklären uns ständig, wie wir fit werden und wie wir unser Pferd fit machen (ja, auch ich mache das in vielen meiner Artikel und finde es ja auch sinnvoll).

 

Auch ich finde Sport toll, er tut mir gut und ich würde so gern mehr davon machen! Aber ich habe nur 24 Stunden am Tag und im Prioritäten-Wettbewerb verliert Sport häufig. Eure Kommentare auf Instagram zu diesem Bilderpaar waren ganz toll – so viele Gedanken über Ansprüche an sich, über Lebensphasen, über was man muss und soll und oder doch nicht sollte. Was mühelos aussehende Outfitposts auf jeden Fall machen: Eine Normalität beschwören, die für die wenigsten zutrifft. Das finde ich besonders bei Sport schade, denn eigentlich sollte Sport für den nicht-Leistungssportler ja ein Druckventil sein. Etwas, das einen Ausgleich schafft und gut tut. Und keine Sache, wo der Erfüllungsdruck vor dem Erlebnis selbst steht.

 

Dutt & Uralt-Stalljacke

 

Das typische, schicke Instagram-Bild: So gut wie nie würdet ihr mich mit Dutt und Ohrringen am Stall antreffen. Aber genauso hergerichtet sehen sie häufig aus, die Modelle in Reitsport-Katalogen. Die für Kleidung werben, die wir dann beim Kehren der Stallgasse anziehen sollen. Bisschen verrückt ist das schon. Der Realitätsabgleich: Auf dem anderen Bild seht ihr mich mit der schnellsten Frisur der Welt und in einer Aldi-Jacke, die mal vor Jahren als Skijacke in diesem Supermarkt verkauft wurde. Billig und relativ wahrscheinlich nicht ethisch einwandfrei hergestellt. Allerdings ist sie sehr warm. Deshalb hängt sie als Notfall-Jacke in meinem Spind. Falls ich mal mit guten Klamotten am Stall bin und schnell etwas überziehen muss. Oder wenn es doch kälter als gedacht ist. Dann packe ich sie aus.

 

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Ich kann mich für gute Kleidung durchaus begeistern! Vor allem für tolle Schnitte und geschickte Details. Doch ich empfand es vor allem in meinen 20ern als den wahren Luxus, auch mal hässlich rumlaufen zu können. Weil man weiß, man könnte es im Handumdrehen ändern. Und weil man damit den Beweis vor sich selbst hat, dass man niemandem beweisen muss, wie beliebt, attraktiv oder whatever man ist (was an sich dann doch wieder etwas verquer ist – denn warum muss man sich so etwas beweisen?).

 

Die viel wichtigere Frage ist: Wie fühlt man sich, während man top-gestylt oder ausschauend wie Nachbars Lumpi herumläuft? Es ist ja nicht so, dass man sich automatisch super fühlt, wenn man sich Mühe beim Äußeren gegeben hat. Es ist durchaus möglich, sich supertoll und attraktiv zu fühlen, während man in etwas mit der Attraktivität eines Sacks steckt. Oder aber man fühlt sich furchtbar hässlich und voller Selbstzweifel, obwohl man sich sehr viel Zeit fürs Styling genommen hat.

 

Wie ist das bei Euch? Steht ihr in Ställen, in denen gewisse Marken zum guten Ton gehören? Sind Tage, an denen ihr Make-up tragt eher welche, an denen ihr Euch schlechter oder besser als sonst fühlt? Tragt ihr Nagellack, künstliche Wimpern oder aufwendige Frisuren im Stall? Oder tragt ihr alte normale Klamotten im Stall auf? Ich würde mich über ein paar Gedanken von Euch zu dem Thema freuen.

 

Ihr habt schon so tolle Kommentare auf Instagram hinterlassen, in welchen Monturen ihr beim Pferd erscheint – in Jogginghose, Schlafanzug und Gummistiefeln und und und. Wie gern würde ich mal Eure #reallife Bilder sehen! Wer mutig ist, postet mal eins – mit dem Hashtag #alifewithhorses finden wir die auch alle!

 

 

Wie ein saures Pferd wieder zu einem Traumpferd wurde

Fotos: Klara Freitag

Heute möchte ich Euch ein ganz besonderes Pferd aus dem Adventskalender für Pferdemenschen vorstellen. Es ist Dyri. Dyri hat eine heftige Lebensgeschichte und zum Glück die richtigen Menschen gefunden. Die er allerdings in diesem Jahr auf eine schwere Probe stellte. (Kurzer Einschub: Wer drüben von wehorse kommt – die Fortsetzung beginnt ungefähr mittig dieses Artikels!)

Junger gekörter Hengst, unreitbar

Dyri ist ein Isländer. Er wurde als junger Hengst gekört und sollte das Erbe seines imposanten Vaters antreten. Groß wurde er von seinem Züchter als Nachwuchsstar angekündigt, seine Qualität war herausragend: Ein Pferd mit sehr gutem Gangwerk, bester Abstammung, dazu so wüchsig, wie das die moderne Islandpferdezucht schätzt (hier ein Artikel seines Züchters).

Doch es kam ganz anders.

Als Dyri sieben Jahre alt war, stand er zum Verkauf. Als Wallach. Er stand auf einem Freizeitreiter-Hof, der nach der Rai-Methode arbeitete. Sie hatten Dyri als unreitbar erhalten. Wo er sein Trauma her hatte, wissen seine heutigen Besitzer nicht. Die Rai-Reiter hatten ihn so weit  wieder auf ihre Seite bekommen, dass er sich gebisslos reiten ließ. Er stieg jedoch immer mal wieder aus und machte nicht mehr mit. Bei der Bodenarbeit drehte er sich zum Beispiel blitzschnell um und zeigte dem Menschen sein Hinterteil. Er sei  mit Gebiss nie wieder reitbar, hieß es.

Dyri bekam seinen Spitznamen von Alizée Froment

In diesem Rai-Stall entdeckte ihn meine Freundin Philippa, die eine Ponyreitschule betreibt. Sie hatte ihre kleine Tochter dabei, fünf, sechs Jahre war diese zu diesem Zeitpunkt alt. Diese sah Dyri, der wie das Mammut aus Ice-Age aussieht und schloss ihre Arme um seinen Hals. „Den müssen wir kaufen“, sagte sie.  „Er war ein wunderschönes, imposantes Islandpferd, durch die Vorgeschichte günstig“, erinnert sich Philippa. Die Ähnlichkeit zu dem Mammut aus Ice-Age hat übrigens Alizée Froment festgestellt, als sie Dyri Jahre später bei uns im Kurs sah. Philippa kaufte Dyri, weil sie den Eindruck hatte, sie bekommt ihn wieder hin.

 

So war es dann auch. „Es gab Tage, da kooperierte er super, und andere, wo wir viel Rücksicht nehmen mussten“, erinnert sie sich. Dyri signalisierte seinen Reitern immer, dass sie über einen gewissen Punkt nicht hinausgehen dürfen. Er war und ist kein Pferd, das über Kraft und Dominanz zu gewinnen ist. Philippa gewann den Eindruck, dass er sein Trauma beim Eintölten erhalten hatte – denn ging es in diese Richtung, zeigte er extreme Stressreaktionen. Sie ritt Dyri daher jahrelang dreigängig. Im Unterricht lief er gebisslos, unter den Reitlehrern und auch im Gelände bald schon mit Gebiss. Vor drei Jahren wurde er mit viel Geduld eingetöltet. Das gelang, und Philippas Tochter lernte mit ihm das Springen über kleine Hindernisse.

Ohne Zügel Hufschlagfiguren im Galopp reiten

Dyris absolute Sternstunde mit Philippas Tochter habe ich drüben bei wehorse notiert – sie konnte ihn Anfang des Jahres komplett ohne Zaumzeug in allen Gangarten und vielen Hufschlagfiguren bei Lisa Röckener im Kurs reiten. Aus diesen zwei Kurstagen stammen auch alle Bilder auf dieser Seite.

Doch eines Tages in diesem Sommer 2018 stieg Dyri aus. Er blieb beim Reiten stehen, er bockte, er stieg. Für seine Familie aus heiterem Himmel. Natürlich suchten sie die Schuld erst bei sich, überdachten jeden Ritt, jeden Ausbildungsschritt, jeden vergangenen Tag. Philippa ist eine erfahrene Pferdefrau, sanft und klug, was die Pferdeausbildung betrifft. Sie holte sich Rat bei befreundeten Ausbildern und Trainern. Doch es blieb im Unklaren.

Das Kippen in alte Verhaltensmuster

Bis der Tierarzt feststellte, dass Dyri ein organisches Problem hatte: Er bekam schlecht Luft. Das war nicht aufgefallen, da er nicht hustete. Zudem diagnostizierte er ein altes Magengeschwür, das aufgrund der Luft-Thematik wieder Probleme machte. Vermutlich haben ihn diese Schmerzen und das nicht vorhandene Wohlbefinden in diese alten Verhaltensmuster kippen lassen.

Die jedoch nicht sofort wichen, als seine medizinische Behandlung anschlug. Dyri musste reiterlich wieder aus diesen herausgeführt werden. Philippa übernahm den Isländer wieder reiterlich, ihre Tochter durfte in dieser Phase nicht auf’s Pferd. Philippa vermutete, dass Dyri kein Pferd war, das mit Dominanz zu bekommen war. Genau das sagten ihr auch die Trainer, die sie mit ins Boot holte. Das waren zwei Gangpferdetrainer und ein befreundeter Horsemanshiplehrer.

Ian Bensons Rat

Von diesem, Ian Benson aus Neuseeland, stammt auch der Spruch, den ich zu Dyris Bild im Kalender kombiniert habe. Es geht darum, was wir zwischen den Momenten des Einsseins anstreben sollen mit unseren Pferden. Konkret ritt Philippa Dyri ins Gelände und stieg ab, wenn er nicht mehr weiterging. Sie führte ihn an und stieg wieder auf, wenn sie das Gefühl bekam, dass es jetzt geht. Sein Steigen war kein normales, über das man mal eben mit Durchsetzungskraft hinwegreiten konnte. Sein Blick wurde komplett anders, da war nichts Sanftes mehr, es war böse und drohend. Philippa macht nicht vieles Angst, was mit Pferden zu tun hat. Aber diese Warnung von Dyri war extrem. Sie nahm sie hin und suchte einen Weg, dennoch weiter zu machen. Mit dieser Strategie bewegte sie ihn weiter, zusätzlich zur medizinischen Behandlung natürlich. Wer so ein Pferd hat, probiert alles aus: Osteo, Akkupunktur, alternative Heilmethoden. Irgendwann gab es den Moment, dass Philippa fühlte: Du braucht jetzt nicht absteigen. Du kannst darüber hinweg reiten. Das klappte. Ihre zwei Gangpferdetrainer stiegen mit ein, ritten ihn auch. Immer häufiger konnte über das Abwenden das Steigen verhindert werden.

Es gab keinen Moment, an dem es Klick machte und alles wie zuvor war. Aber es wurde Stück für Stück besser. Irgendwann war er wieder ganz normal im Gelände reitbar, und irgendwann auch wieder in der Halle. Irgendwann war das Gefühl so gut, dass ihre Tochter wieder drauf durfte.

Und heute ist es wieder so wie zu ihrer Sternstunde: Die Tochter reitet wieder regelmäßig aus, sie reitet ihn auf Halsring und ohne alles auf dem Platz und das feine Pferdchen Dyri ist wieder ganz bei ihnen.

Dyri hat uns Achtsamkeit gelehrt

Ich habe schon öfters im Blog über Philippa geschrieben, und was ich von ihr lerne (Freude beim Reiten, zum Beispiel). Als ich sie im Interview zu diesem Artikel fragte, was sie daraus mitgenommen hätte, da war ich schon wieder verblüfft. Ihre Antwort lautete:

„Ich liebe ihn mehr als vorher, weil ich dachte, wir verlieren ihn.“

 

Sie hatte Zweifel zwischendurch, dass es wieder wird, erzählte sie.

„Ich bin dankbarer für alles, was klappt. Es ist ein Riesengeschenk so ein besonderes Pferd  zu haben. Ich hatte noch nie ein so feines Pferd. Das haben wir nicht reingeritten, das ist er einfach! Er hat uns so viel beigebracht. Dyri hat uns so viel Achtsamkeit für Pferde vermittelt.“

Zum Beispiel, dass man nicht schlecht gelaunt im Sattel sitzen darf. Das spiegelt Dyri nämlich so extrem, dass er dann seine Zusammenarbeit aufkündigt. Zwischen Tochter und Mutter herrscht daher nun auch die Vereinbarung, dass auf Ausritten keine Streitgespräche erlaubt sind.

Ich weiß nicht, wieviele Pferdeleute doch innerlich über ihr Pferd geschimpft hätten, sich leid getan hätten, das sowas sie betrifft. Zu Beginn dieses Artikels habe ich auch geschrieben, dass Dyri seine Menschen auf eine Probe stellte. Wie anders klingt da Philippas Resümee! Ihr Resultat ist komplett positiv und da ich sie kenne, bin ich überzeugt, dass das auch genau so ist, und es mehr als Worte sind. Ich bin ziemlich froh, dass Menschen wie Philippa in meinem Leben sind. Danke!

 

Das allerschönste Bild von Dyri ist nur auf zwei Sachen zu sehen: Als Startseite auf dem Handy seiner Besitzerin und auf der Seite vom ersten Dezember des Adventskalenders! Neugierig? Guck hier, da ist er auf der zweiten Seite sichtbar. Und auch der Spruch von Ian Benson dazu. Einem der klügsten Horsemanship-Trainer, die ich kenne.

Peter Pfister zu 50 Tagessätzen verurteilt

Horsemanshiptrainer Peter Pfister wurde am 14.09.2018 vom Amtsgericht Leverkusen zu 50 Tagessätzen verurteilt.

Warum, was passierte?

Ein Pferd kam in seinem Kurs zu Tode. Auf Videos sieht man, wie er es mithilfe von Stricken in eine Position zwingen wollte, um ihm einen Zirkustrick beibringen. Dabei stieg und stürzte das Pferd mehrfach. Es starb letztlich, vermutlich durch einen Genickbruch.

Was bedeutet 50 Tagessätze?

Die Tagessätze beziffern die Höhe des Strafmaßes. Ein Tagessatz entspricht einem Tag Freiheitsstrafe. Wie hoch eine Geldstrafe absolut ist, bemisst sich dann nach dem jeweiligen Nettoeinkommen eines Beschuldigten. Bei einem Nettoeinkommen von z.B. 900 Euro beträgt die Tagessatzhöhe 30 Euro.

Ist das belegt?

Ich habe schon kurz nach dem Fall die Videos persönlich gesehen, mich dazu aber nicht geäußert, da es ein schwebendes Verfahren war. Das Urteil hat mir der Oberstaatsanwalt Bremer aus Köln bestätigt per E-Mail. Genauer Wortlaut:

Gute Tag Frau Aretz,
der Beschuldigte ist mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Köln vom 14.09.2018 wegen Verstoßes gegen § 17 Nr. 2 Buchstabe a), §§ 303, 303 c StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden. Zu dem Betrag und zu weiteren Details kann ich mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten nichts mitteilen.
Mit freundlichen Grüßen
Bremer
Oberstaatsanwalt

Was ist das für ein Trainer?

Ich habe schon vor etlichen Jahren mit Peter Pfister als Journalistin gearbeitet. Seine Erklärungen waren stets pferdefreundlich, er eloquent und beliebt bei seinen Schülern. Einige meiner früheren Mit-Einstaller sind regelmäßig zu seinen Kursen gefahren. Es gab damals keinen Anlass für mich, anzunehmen, dass dieser Trainer pferdeunfreundlich arbeitet. Nie ist mir etwas zu Ohren gekommen, das im Entferntesten mit diesem Vorfall zu vergleichen wäre.

Meine Meinung zu diesem Vorfall:

Die Videos sprechen für sich. Ich kann nicht verstehen, wie ein Trainer so sehr gegen ein Pferd arbeiten kann. Die Schuldfrage, nun auch gerichtlich bestätigt, ist eindeutig. Die öffentliche Kommunikation nach dem Vorfall war miserabel. Es wurde längere Zeit keine Reue kommuniziert. Dass es überhaupt so gekommen ist, ist entsetzlich. Anzunehmen ist natürlich, dass er das  Pferd nicht töten wollte und ihm ebenso keinen erheblichen Schaden zufügen wollte. Das Hinfallen und Steigen nahm er jedoch in Kauf. Ein so erfahrener Pferdemensch hätte wissen müssen, wie gefährlich das ist. Zudem ging er komplett über die Signale des Pferdes hinweg, das entsetzt mich. Und ich bin entsetzt, wie sehr sich jemand ändern kann. Und hoffe, es wird wieder anders.

Was lernen andere Trainer daraus?

Die Reaktion von vielen war: „Oh je, dem ist ein Missgeschick passiert und alle stürzen sich darauf! Wir müssen zu ihm stehen.“ Wer alle vorhandenen Videos gesehen hat, und alle Sinne beisammen hat, kann das meiner Meinung nach nicht so sehen. Hier hat jemand grob gehandelt, sehr grob. Das hat jeder einzelne in der Hand, ob er so agiert oder nicht. Informiert Euch, bevor Ihr für jemanden Partei ergreift.