Erinnert Ihr Euch noch an meinen Geburstags-Jubeltext? Wie fit und toll das Pferd ist mit 24 Jahren?
Tja – kurz darauf war alles anders. Mein Pferd hat die Muskeln abgeworfen, wie ein Weihnachtsbaum seine Nadeln abschmeißt. Sie sah von Woche zu Woche immer erbärmlicher aus. Die Kruppe: im Herbst war sie noch rund, Mitte April eingefallen. Die Halsmuskeln wurden immer weniger, die Schulterpartie war mager, der Rücken sah fruchtbar aus, und ich konnte die Rippen sehen. BÄMM.
Es ging wahnsinnig schnell. Vier Wochen waren das, maximal. Vielleicht erinnert Ihr Euch an die schönen Bilder im Wald, HIER zu sehen, von Fee und mir. Schon da erkennt, wer genau hinguckt, dass die Oberschenkelmuskulatur des Pferdes mehr sein könnte. Danach gab es keine aktuellen Reitbilder mehr.
Auch nicht von den Kursen. Wir haben ja im Frühjahr eine Kursreihe mit Sara Oliveira, Alizée Froment, Saskia Gunzer und Elaine Butler veranstaltet. Saskias Kurs habe ich nicht mitgemacht. Wäre gegangen, weil auch meine Tierärztin sagte: weiter trainieren. Aber Fee sah so unbemuskelt aus, dass ich das nicht für öffentlichkeitstauglich hielt. Sie war ein Paradebeispiel dafür, wie ein Pferd nicht aussehen sollte.
Natürlich ging sofort die Suche los. Was ist los in ihrem Körper? Wir haben Blut gezogen, Kotproben genommen, die Zähne machen lassen, parallel habe ich sie osteopathisch durchchecken lassen. Außerdem den Sattler gerufen, die Fütterung überprüft, Bücher und Foren gewälzt. Mich mit meiner Tierärztin beraten und über jede Kleinigkeit nachgedacht: was haben wir verändert? Hat sie Stress durch irgendwas? Ist das Grundfutter anders als sonst?
Nein, die Umstände hatten sich nicht verändert.
Aber mein Pferd hatte sich verändert.
Der Blutwert zeigte: sie hat Cushing.
Eine Hormonstörung, die einen veränderten Stoffwechsel zur Folge hat, eine gängige Krankheit für ältere Pferde. Ich entschied mich für eine schulmedizinische Behandlung, sie bekommt jetzt Tabletten, jeden Tag. Dazu stellte ich das Futter um, auf zuckerreduzierte Varianten, sie bekommt nun Reiskleie statt Hafer, ein anderes Mineralfutter. (Tipp: Kontrolliert mal die Produktbeschreibung Eures Mineralfutters. Es gibt Firmen, die teures Futter herstellen, und dennoch enthält es Waffelmehl oder andere Zuckerquellen, damit Pferde sie gern fressen – nicht gut.) Das Heu gab es zuvor schon so gut wie ständig, also 24/7.
Dadurch, dass ich alles auf den Kopf stellte, um eine Lösung zu finden, fiel mir auf, das so einiges nicht mehr ideal war, was in meinem Kopf noch als Ideallösung abgespeichert war. Ihr Offenstall, HIER zu sehen, zum Beispiel.
Es ist der beste auf unserem Hof, finde ich. Viel Platz, mit unterschiedlichen Böden, nämlich Naturboden, Gummiboden, Asphalt, Kies, Sand. Die perfekten Reize für Barfußpferde. Sie lebte da mit einem jüngeren PRE und einem Isländer. Der PRE war recht neu in der Gruppe, er kam im Winter hinzu. Augenscheinlich verstanden sich alle – der Isi ist der perfekte, gelassene Chef, der nur einschreitet, wenn es absolut notwendig ist. Meine Stute, ehemals ranghoch, ist mit den Jahren immer zurückhaltender geworden. Der junge PRE schickte sie gern weg, von einer Heustelle zur anderen. Nicht schlimm, ein Blick genügte, um sie gehen zu lassen, und da war viel Platz und immer reichlich zu fressen.
Doch: Das war nicht genug Ruhe für ein Pferd, das momentan andere Baustellen hat.
Also: umgestellt. Jetzt lebt sie nur noch mit dem Isi in einem kleineren Offenstall auf dem gleichen Hof. In Kauf genommen habe ich, dass wir jetzt nur noch zwei Bodenvarianten haben, und die beiden weniger Platz haben als zuvor (ja, das ist relativ, denn der vorherige Stall war wirklich rieesig, es hätten 12 Boxen oder mehr auf die Fläche gepasst). Es gibt daher weniger Bewegungsanreize. Doch die beiden lieben sich sehr, wiehern sich gegenseitig zu und fressen Kopf an Kopf. Kein Stress also, auch kein niederschwelliger mehr. Zum Glück darf der Isi auch so viel Heu fressen, wie er mag. Sonst hätte es futtertechnisch wieder nicht hingehauen.
Der Sattel: wurde überarbeitet. Die Zähne auch. Alles nicht schlimm, aber kleine Sachen, die in der Addition die Lebensqualität verändern.
Jetzt, zwei Monate später, kann ich sagen: Wir haben das im Griff. Der ACTH-Wert, das ist das schulmedizinische Indiz für Cushing, ist okay. Sie ist wieder ansehlich. Wenn auch nicht so gut bemuskelt, wie es mal war. Wenn ich mir Fotos ansehe, auch das da oben mit den schönen Blumen, dann sehe ich immer noch, dass da Rückenmuskeln fehlen. Das Pferd, das im vergangenen Jahr noch Jahre jünger geschätzt wurde, sieht aber mittlerweile genau so alt aus, wie es ist.
Obwohl sie wieder besser aussieht, beschleicht mich immer wieder das Gefühl, dass sie nicht so spritzig, so übereifrig ist wie immer. Und ich frage mich: bin ich übersensibel geworden? Die Stute ist mein Augenstern. Ich habe sie seit 21 Jahren. Sie war mal eines meiner Pferde, jetzt ist sie mein einziges. Natürlich bin ich aufmerksam, wäge jede Kleinigkeit ab. Ich will nicht den Moment verpassen, an dem ich sagen sollte: so, Schluss jetzt, jetzt kommt die Rente.
Wie lange gibt man Zeit, bis man die Rente einläutet?
Ich war immer der Meinung: Rente ist generell eine schlechte Idee. Da bauen Pferde nur Muskulatur ab. Angepasste Bewegung, ja. Aber Rente, auf die Weide stellen und zum Nichtstun verdammen? Gerade für so ein geborenes Arbeitstier wie meine Stute konnte ich mir das nie vorstellen.
Mein Bauch sagt aber in letzter Zeit immer mehr: Nee. Nicht reiten. Lieber Arbeit an der Hand. Lieber ausreiten. Nicht so viel tun. Und gleichzeitig muss ich meinen eigenen Ehrgeiz bremsen, denn der schreit: JAAA! Super gern würde ich mehr tun, mehr reiten, mehr lernen.
Also frage ich mich:
a) Werde ich zur übersensiblen Tüddeltante und interpretiere den Wunsch nach Rente in das Pferd hinein?
Oder
b) Bin ich zu ehrgeizig und übersehe, dass mein Pferd da gar nicht mehr das Richtige für ist?
Ich hab mich entschieden. Diesen Sommer und Herbst warte ich noch ab und schaue, dass ich sie und ihre Muskeln so gut wie möglich wieder auftrainiert bekomme. Habe ich dann immer noch den Eindruck, es ist nicht der richtige Weg, dann folgt die Teilzeitrente. Bewegen ohne Gewicht, Ausreiten nur mit meiner superleichten Reitbeteiligung im Sattel, einfach alles noch mal eine Nummer mehr piano als bisher.
Im nächsten Schritt bekommt sie dann einen Kindergarten, auf den sie aufpassen soll. Und bei dem Gedanken lacht mein Herz dann auch wieder.