Das ist Lotta, Stallkollegin, beste Grimassenschneiderin, Gelegenheits-Feereiterin und ihr süßer Eldir. Foto: Klara Freitag
Als ich diesen Text hier über das Beurteilen von anderen Reitern fertig hatte, sagte jemand zu mir: „Da fehlt mir etwas. Diese Facebook-Kommentare, die nerven mich manchmal so! Immer dieses Gemecker!“
Deshalb geht es heute um das Gemecker.
Fangen wir mal bei dem an, was wir beeinflussen können: uns selbst. Wie sich meine Finger, ergo Deine, auf der Tastatur bewegen. Super einfache Regeln.
Ich sagte in diesem Text:
Und jetzt noch mal zurück zu den Internetkönigen und ihren scharfen Meinungen: Es ist erlaubt.
Jeder, der in einem Restaurant essen war, darf hinterher sagen, ob es ihm geschmeckt hat oder nicht.
Und genauso verhält sich das mit Turnierplätzen.
Fehlt noch die Art und Weise, wie man das sagt. Nettiquette im Netz bedeutet, sich vorzustellen, man wäre nicht im Netz unterwegs. Also: meine Kritik an einem Reiter ist genauso scharf, wie ich es ihm (oder dem Koch im Restaurant) ins Gesicht sagen würde.
Uups! Wer von Euch traut sich jetzt noch?
Und wer von Euch macht das so?
Jede Tastatur und jeder Bildschirm baut Hemmschwellen ab. Unser Impuls, flott mal jemandem unsere Erfahrungen mitzuteilen, oder unsere Meinung zu geigen, ist am Bildschirm weitaus größer als in der Realität.
Wenn der Koch vor meinem Tisch steht, und fragt, wie es mir geschmeckt hat, wähle ich meine Worte. Und Du wahrscheinlich auch.
Wir wählen, wir hauen es nicht einfach raus. Das ist der feine Unterschied.
Im Internet unter Pferdeleuten geht’s aber oft nicht nur um den Geschmack, sondern darum, auf Gefahren hinzuweisen (liebstes Thema: die Kappe) oder das Pferd zu beschützen (sieht krank aus, sieht falsch ausgebildet aus, wird falsch ernährt, wird gequält).
Man braucht hier zwei Sachen: Höflichkeit und Arsch in der Hose.
Im richtigen Moment und dosiert eingesetzt. Meint: Impulskontrolle.
Genau das kann jeder für sich selbst üben. Einfache Regel, höchst effektiv.
Was Deine und meine Worte tun
Egal, wie groß die Seiten sind, auf denen ihr unterwegs seid: dahinter stehen Menschen. Ich arbeite für pferdia tv, und die facebook-Seite des Unternehmens hat mehr als 110.000 Likes. Ob ihr es glaubt, oder nicht: wir, das sind so ungefähr zehn Menschen im Kernteam, lesen alle Kommentare. Es berührt uns, wenn ein Film, in den wir viele Stunden Gedanken, Arbeit und Sorgfalt investiert haben, gut besprochen wird. Genauso geht Kritik nicht so einfach an uns vorbei. Sie lehrt uns etwas oder ärgert uns oder bestätigt unsere interne Wahrnehmung. Wer kommentiert, ruft nicht in einen leeren Raum hinein. Es ist nicht anonym, auch wenn es in der Summe eine Kleinstadt an Menschen ist, die auf der Seite unterwegs sind.
Böses Wort: Die Kappe
Verrückter Weise gibt es aber immer wieder Situationen, die aus dem Nichts heraus eskalieren. Beispiel: Dressurreiterin postet ein Bild, auf dem sie in der Prüfung mit Dressurzylinder zu sehen ist. Jemand schreibt darunter, sinngemäß: „Das ist nicht vorbildlich, gerade Reiter auf S-Niveau sollten Kappe tragen!“ Man könnte darüber mit den Achseln zucken. Oder sagen: sehe ich nicht so. Oder sagen: sehe ich auch so. Ich meine – Kappendiskussionen, gibt ein ewigeres Thema unter Reitern? Gähn. Doch stattdessen entwickelte sich ein Sturm der Entrüstung, dreißig Kommentare ungefähr, die sich über diesen Kommentar ereiferten. Spitze des ganzen, der Wunsch: „Blockiert bitte diese Frau.“ Wohlgemerkt: Die Kappen-Verfechterin hatte sich nicht im Ton vergriffen. Verrückt, oder?
Und wenn jemand doof zu mir ist?
Wenn jemand blöd auf facebook über mich redet, dann sagt das vor allem etwas über diese Person aus. Wenn sich dem Zwanzig anschließen, auch über diese. Ich rede hier nicht von einem kritischen Dialog, sondern von Kommentaren ohne Substanz, die einfach nur negativ sind. Sie können mir piep-schnurz-egal sein.
Also: müdes Schulterzucken trainieren.
Hilft.
Funktioniert allerdings nur mit einem kühlen Kopf meinerseits.
Den habe ich – und genauso Du – nur, wenn ich
1. Mit mir selbst im Reinen bin und
2. Genug Distanz zum Thema habe.
Denn sobald in mir der Gedanke „Das ist ungerecht!“ aufkommt, und ich denke, mich wehren zu müssen, ist es vorbei mit der Gelassenheit.
Es gibt ein Forum auf facebook, das ich sehr gerne besuche, weil es im Reitsport das Forum ist, das am allerbesten moderiert ist. Ruhig, gelassen, sachlich, alle Teilnehmer werden immer wieder dazu aufgefordert, beim Thema zu bleiben. Irgendwann hatte der Moderator eine neue Phase – er brachte sich selbst und seine Erfahrungen mehr ein und konnte plötzlich gar nicht mehr so ruhig, gelassen und sachlich andere Meinungen stehen lassen. Das tat der Sache nicht gut.
Sobald es um Dinge geht, die uns super wichtig sind, die unsere Babys sind, ist es schwieriger, Distanz und Gelassenheit walten zu lassen.
Was ich alles in die Welt quatsche
Eine gute Bekannte sagte letztens zu mir: „Was Du da auf dem Blog alles von Dir preisgibst!“ Ich erzähle viel, ja. Wie ich hadere mit meinem Reiten. Was ich gern des nachts tue. Aber: Alles, was da steht, ist für mich glasklar. Das kann jeder wissen, die Bäckereiverkäuferin, meine Nachbarn, meine Kollegen, Reitverein XY aus Pumpelshausen. Auch wenn es intim sein mag – diese Sachen gehören zu mir und meinem Leben, sie sind okay und dürfen genau so sein, sie gehören zu mir. Ich habe die angenommen und muss da nichts verstecken. Aber es gibt auch Dinge, über das ich nie auf den Blog schreiben würde: Alle Themen, mit dem ich hadere oder ringe, kommen da garantiert nicht drauf. Denn das sind meine Achillesfersen, die ich beschützen muss, so wie jeder Mensch auf seine Babies und weichen Stellen im Leben achten muss. Die schmeißt man nicht auf den Marktplatz, und guckt, was passiert. Die bespricht man mit Freunden, mehr Wissenden, oder geht in sich. Das geht höchstens im Nachhinein in die Öffentlichkeit. Wenn das Problem gelöst ist. Zum Beispiel hier, wo ich davon erzähle, wie das war, als das Pferd immer schlechter aussah. Aber was wäre wohl passiert, wenn ich alle Fakten, bevor ich Lösungen gefunden hatte, ins Netz gestellt hätte? Da hätte ich mir ordentlich blaue Flecken geholt.
Ist mir letztens übrigens auch passiert: jemand fand diesen Text hier unmöglich. Sie fand, dass ich Shetties schlecht mache und unmögliche Regeln für mein Kind aufstelle. Wir haben uns darüber auf facebook unterhalten, hier könnt ihr das lesen (Dies bitte nicht als Aufforderung verstehen, der Dame Kontra zu geben, die Sache ist erledigt!). Zugegeben: Mein Herz pochte schon, als ich den ersten richtig negativen Kommentar zu meinen Blogtexten las (Premiere!). Ich habe meiner Bürokollegin davon erzählt (mir Luft gemacht), einen Kaffee geholt, und mir dann überlegt, was ich antworte. Das ging dann ganz einfach. Weil all das, was ich mit Shetty und Kind tue, für mich okay ist. Das darf jemand anders aber dennoch doof und blöd und scheisse finden. Sein Bier.
Deshalb: beschützt Eure Achillesfersen und lehnt Euch ansonsten erst mal zurück, bevor Ihr in die Tasten haut. Und wenn jemand blöd daherredet – sein Problem.
P.S.: lesenswert zu dem Thema, wie scharf im Netz Reiter einander verurteilen, ist auch dieser Text HIER vom Blog Penny das Pony.