Fünf am Tag – Marmeladenglasmomente

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Schönste Stunde des Tages. Und: ab in’s Glas mit Dir! Foto: Klara Freitag

 

Kennt Ihr diese Idee, ein Einmachglas zu nehmen, und immer, wenn etwas Schönes im Alltag passiert, das auf einen Zettel zu schreiben und in dieses Glas zu werfen? Am Ende des Jahres leert man das Glas und freut sich daran, was alles so passiert ist.

 

Auf die Zettel kommen große und kleine Freuden. Eigentlich gedacht ist dies für das Leben an sich, für so etwas wie: Barfuss über nasse Wiesen laufen, Pistazieneis am Vormittag essen.

 

Ich finde, die Idee eignet sich auch grandios für ein rein pferdiges Glas, in das Erinnerungsschnipsel kommen von „Er ist endlich durch die Pfütze gegangen!“ bis „Reservesieger in Prüfung XY!“.  (Marmeladenglasmomente ist ein Wort für diese kleinen Freuden, ich konnte nicht herausfinden, woher das kommt. Klingt so eingedeutscht, wer es weiß: bitte schreibt es mir! )

 

Ich finde diese Idee super, denn genau diese vielen kleinen Momente sind es doch, die unsere Leidenschaft ausmachen. Ich dachte letztens darüber nach, ob ich das nicht noch Mitte des Jahres anfange. Weil man ja so schnell vergisst, also ich zumindest. „Dieser Geruch!“ denke ich oft, oder „Wie schön die da zusammen auf der Weide stehen, das vergisst Du nie!“ Ähm. Doch. Ich vergesse so etwas, und erinnere mich oft nur daran, wenn etwas Ähnliches nochmal passiert.

 

Ich ging also mit diesen Gedanken zum Pferd, und sah, wie es aus der Badewanne in seinem Paddock trank, wie die Tropfen am Maul wieder zurück aufs Wasser plumpsten, während es mich anguckte. Wie ihr Fell am Kopf an immer größeren Stellen weiß statt braun wird. Wie gern sie es mag, wenn ich am Ansatz zwischen Brust und Hals kraule ( so ziemlich die einzige Stelle, an der sie streicheln gut findet). Und dachte: Hey, schon drei Momente, schon drei Bilder. Dann lag noch die Katze so genießerisch auf der Mauer, und ich freute mich, mein Pferd schön prusten zu hören beim Reiten. Fünf Momente.

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Nebenan. Klara mag die Ochsenblätter auf der Weide, das sähe so nach Steppe aus. Ich denke nur: Ausreißen! Alles eine Frage der Perspektive. Wir einigen uns auf das schönste Licht, dass durch die Blätter huscht. Foto: Klara Freitag

 

Boah, geht ganz schön schnell am Stall, dieses Glücksmomente sammeln.

 

Auf dem Weg nach Hause entschied ich, dass ich kein Marmeladenglas will. Weil: bei mir würde das wieder so eine Aktion, die ich begeistert starte und dann beim 10. Zettel aufhöre, da etwas herein zu werfen. Dann stünde es herum und würde mich vorwurfsvoll ansehen: „Eigentlich wolltest Du doch, oder?!“

 

Gruselig.

Genauso, wie ich Anfang des Jahres erzählt habe, dass ich unbedingt mehr Sport machen möchte. Wo ich Ball und Balancekissen gekauft habe, und doch kaum was damit tue. Bei mir hilft da kein guter Vorsatz. Sondern: Verpflichtung (Kurs mit Elaine gemacht + zum Lauf im Team angemeldet)  und sich-jeden-Tag-selbst-in-den-Hintern-treten (2 Mal Joggen letzte Woche, immerhin!). Deshalb gehe ich lieber das vermeintliche Risiko ein, Sachen zu vergessen, als mir die Leichtigkeit zu nehmen, es einfach so schön zu finden, ohne hinterher etwas notieren zu müssen.

 

Aber allein dieser Gedanke an die Marmeladenglasmomente hat’s gebracht. Nämlich noch mal mit offenen Augen zum Pferd gehen und zu merken, was man da eigentlich so genießt. Auf fünf wunderbare Momente bin ich sowas von easy gekommen.

 

Und Du? Welches war Dein schönster Moment in der letzten Woche?

 

 

 

P.S.: Wenn Dein innerer Schweinehund absolut nicht davon zu überzeugen ist, sich noch in den Stall zu schwingen, dann empfehle ich dieses Rezept, um ihn mundtot zu machen. Hilft. So gut wie immer.

Blöde Kommentare auf Facebook

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Das ist Lotta, Stallkollegin, beste Grimassenschneiderin, Gelegenheits-Feereiterin und ihr süßer Eldir. Foto: Klara Freitag

 

Als ich diesen Text hier über das Beurteilen von anderen Reitern fertig hatte, sagte jemand zu mir: „Da fehlt mir etwas. Diese Facebook-Kommentare, die nerven mich manchmal so! Immer dieses Gemecker!“

 

Deshalb geht es heute um das Gemecker.

 

Fangen wir mal bei dem an, was wir beeinflussen können: uns selbst. Wie sich meine Finger, ergo Deine, auf der Tastatur bewegen. Super einfache Regeln.

 

Ich sagte in diesem Text:

Und jetzt noch mal zurück zu den Internetkönigen und ihren scharfen Meinungen: Es ist erlaubt. 

Jeder, der in einem Restaurant essen war, darf hinterher sagen, ob es ihm geschmeckt hat oder nicht.

Und genauso verhält sich das mit Turnierplätzen.

 

Fehlt noch die Art und Weise, wie man das sagt. Nettiquette im Netz bedeutet, sich vorzustellen, man wäre nicht im Netz unterwegs. Also: meine Kritik an einem Reiter ist genauso scharf, wie ich es ihm (oder dem Koch im Restaurant) ins Gesicht sagen würde.

 

Uups! Wer von Euch traut sich jetzt noch?

Und wer von Euch macht das so?

 

Jede Tastatur und jeder Bildschirm baut Hemmschwellen ab. Unser Impuls, flott mal jemandem unsere Erfahrungen mitzuteilen, oder unsere Meinung zu geigen, ist am Bildschirm weitaus größer als in der Realität.

 

Wenn der Koch vor meinem Tisch steht, und fragt, wie es mir geschmeckt hat, wähle ich meine Worte. Und Du wahrscheinlich auch.

 

Wir wählen, wir hauen es nicht einfach raus. Das ist der feine Unterschied.

 

Im Internet unter Pferdeleuten geht’s aber oft nicht nur um den Geschmack, sondern darum, auf Gefahren hinzuweisen (liebstes Thema: die Kappe) oder das Pferd zu beschützen (sieht krank aus, sieht falsch ausgebildet aus, wird falsch ernährt, wird gequält).

 

Man braucht hier zwei Sachen: Höflichkeit und Arsch in der Hose. 

 

Im richtigen Moment und dosiert eingesetzt. Meint: Impulskontrolle.

 

Genau das kann jeder für sich selbst üben. Einfache Regel, höchst effektiv.

 

 

Was Deine und meine Worte tun

 

Egal, wie groß die Seiten sind, auf denen ihr unterwegs seid: dahinter stehen Menschen. Ich arbeite für pferdia tv, und die facebook-Seite des Unternehmens hat mehr als 110.000 Likes. Ob ihr es glaubt, oder nicht: wir, das sind so ungefähr zehn Menschen im Kernteam, lesen alle Kommentare. Es berührt uns, wenn ein Film, in den wir viele Stunden Gedanken, Arbeit und Sorgfalt investiert haben, gut besprochen wird. Genauso geht Kritik nicht so einfach an uns vorbei. Sie lehrt uns etwas oder ärgert uns oder bestätigt unsere interne Wahrnehmung. Wer kommentiert, ruft nicht in einen leeren Raum hinein. Es ist nicht anonym, auch wenn es in der Summe eine Kleinstadt an Menschen ist, die auf der Seite unterwegs sind.

 

Böses Wort: Die Kappe

Verrückter Weise gibt es aber immer wieder Situationen, die aus dem Nichts heraus eskalieren. Beispiel: Dressurreiterin postet ein Bild, auf dem sie in der Prüfung mit Dressurzylinder zu sehen ist. Jemand schreibt darunter, sinngemäß: „Das ist nicht vorbildlich, gerade Reiter auf S-Niveau sollten Kappe tragen!“  Man könnte darüber mit den Achseln zucken. Oder sagen: sehe ich nicht so. Oder sagen: sehe ich auch so. Ich meine – Kappendiskussionen, gibt ein ewigeres Thema unter Reitern? Gähn. Doch stattdessen entwickelte sich ein Sturm der Entrüstung, dreißig Kommentare ungefähr, die sich über diesen Kommentar ereiferten. Spitze des ganzen, der Wunsch: „Blockiert bitte diese Frau.“ Wohlgemerkt: Die Kappen-Verfechterin hatte sich nicht im Ton vergriffen. Verrückt, oder?

 

Und wenn jemand doof zu mir ist?

Wenn jemand blöd auf facebook über mich redet, dann sagt das vor allem etwas über diese Person aus. Wenn sich dem Zwanzig anschließen, auch über diese. Ich rede hier nicht von einem kritischen Dialog, sondern von Kommentaren ohne Substanz, die einfach nur negativ sind. Sie können mir piep-schnurz-egal sein.

 

Also: müdes Schulterzucken trainieren.

Hilft.

Funktioniert allerdings nur mit einem kühlen Kopf meinerseits.

 

Den habe ich – und genauso Du – nur, wenn ich

 

1. Mit mir selbst im Reinen bin und

2. Genug Distanz zum Thema habe.

 

Denn sobald in mir der Gedanke „Das ist ungerecht!“ aufkommt, und ich denke, mich wehren zu müssen, ist es vorbei mit der Gelassenheit.

 

Es gibt ein Forum auf facebook, das ich sehr gerne besuche, weil es im Reitsport das Forum ist, das am allerbesten moderiert ist. Ruhig, gelassen, sachlich, alle Teilnehmer werden immer wieder dazu aufgefordert, beim Thema zu bleiben. Irgendwann hatte der Moderator eine neue Phase – er brachte sich selbst und seine Erfahrungen mehr ein und konnte plötzlich gar nicht mehr so ruhig, gelassen und sachlich andere Meinungen stehen lassen. Das tat der Sache nicht gut.

 

Sobald es um Dinge geht, die uns super wichtig sind, die unsere Babys sind, ist es schwieriger, Distanz und Gelassenheit walten zu lassen. 

 

Was ich alles in die Welt quatsche 

Eine gute Bekannte sagte letztens zu mir: „Was Du da auf dem Blog alles von Dir preisgibst!“ Ich erzähle viel, ja. Wie ich hadere mit meinem ReitenWas ich gern des nachts tue. Aber: Alles, was da steht, ist für mich glasklar. Das kann jeder wissen, die Bäckereiverkäuferin, meine Nachbarn, meine Kollegen, Reitverein XY aus Pumpelshausen. Auch wenn es intim sein mag – diese Sachen gehören zu mir und meinem Leben, sie sind okay und dürfen genau so sein, sie gehören zu mir. Ich habe die angenommen und muss da nichts verstecken. Aber es gibt auch Dinge, über das ich nie auf den Blog schreiben würde: Alle Themen, mit dem ich hadere oder ringe, kommen da garantiert nicht drauf. Denn das sind meine Achillesfersen, die ich beschützen muss, so wie jeder Mensch auf seine Babies und weichen Stellen im Leben achten muss. Die schmeißt man nicht auf den Marktplatz, und guckt, was passiert. Die bespricht man mit Freunden, mehr Wissenden, oder geht in sich. Das geht höchstens im Nachhinein in die Öffentlichkeit. Wenn das Problem gelöst ist. Zum Beispiel hier, wo ich davon erzähle, wie das war, als das Pferd immer schlechter aussah. Aber was wäre wohl passiert, wenn ich alle Fakten, bevor ich Lösungen gefunden hatte, ins Netz gestellt hätte? Da hätte ich mir ordentlich blaue Flecken geholt.

 

Ist mir letztens übrigens auch passiert: jemand fand diesen Text hier unmöglich. Sie fand, dass ich Shetties schlecht mache und unmögliche Regeln für mein Kind aufstelle. Wir haben uns darüber auf facebook unterhalten, hier könnt ihr das lesen (Dies bitte nicht als Aufforderung verstehen, der Dame Kontra zu geben, die Sache ist erledigt!). Zugegeben: Mein Herz pochte schon, als ich den ersten richtig negativen Kommentar zu meinen Blogtexten las (Premiere!). Ich habe meiner Bürokollegin davon erzählt (mir Luft gemacht), einen Kaffee geholt, und mir dann überlegt, was ich antworte. Das ging dann ganz einfach. Weil all das, was ich mit Shetty und Kind tue, für mich okay ist. Das darf jemand anders aber dennoch doof und blöd und scheisse finden. Sein Bier.

 

Deshalb: beschützt Eure Achillesfersen und lehnt Euch ansonsten erst mal zurück, bevor Ihr in die Tasten haut. Und wenn jemand blöd daherredet – sein Problem.

P.S.: lesenswert zu dem Thema, wie scharf im Netz Reiter einander verurteilen, ist auch dieser Text HIER vom Blog Penny das Pony.

Warum ich nicht reiten kann, aber über die besten Reiter urteile

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So sieht sie aus, meine Arbeit. Hier in der Vorbereitung zu einem Porträt für die Welt am Sonntag, das 2015 erschien. Foto: Thomas Rubel

 

 

Immer wenn ich Kommentare dieser Art unter einem Facebook-Post lese, zucke ich innerlich. Sie erscheinen stets, wenn ein Normalo-Reiter einen Promi-Reiter kritisiert und kommen in diversen Varianten daher, hier mal ein paar:

 

Erst mal selber besser machen!

Hah, ich möchte wetten, Du gehst selbst gar keine Turniere!

Wenn Du das besser kannst, dann poste doch mal ein Reitvideo von Dir!

Ich möchte mal wissen, was DU zuhause reitest!

 

Ich schreibe im Gegensatz zu den Menschen, die mit diesen Sprüchen á la ‚Schuster bleib bei Deinem Leisten’ gemaßregelt werden, nicht hauptsächlich auf facebook, sondern in diversen überregionalen Medien. Ich habe über Weltreiterspiele und über die EM berichtet. Ich schreibe über die führenden Köpfe der Weltranglisten. Neutral, positiv, negativ. So, wie es mir die Recherche nahelegt.

Und jetzt kommt’s: Ich kann nicht reiten.

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Die Deko über dem Bereich, in dem sich Presse und Reiter auf in Aachen treffen. Foto: Klara Freitag

 

Also nicht in dem Sinne reiten, wie es da gezeigt wird. Pferde gehören zu meinem Leben, klar. Ich juchze daheim, wenn ein Außengalöppchen nett klappt und freue mich, wenn ich mal weniger schief sitzend als sonst auf einem Reitvideo aussehe. Beruflich gucke ich mir internationale Grand-Prix-Prüfungen an. Und schreibe dann, für tausende Menschen lesbar, auf, ob das gut war, was ich da gesehen habe.

 

Furchtbar?

Inkompetent?

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Chaman vor dem Start. Foto: Klara Freitag

 

Nein. Völlig okay.

Weil: es hat nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun.

 

Der Literaturkritiker schreibt selten ein Buch, und noch seltener ein gutes. Und doch kann er genial sein für sein Publikum. Der Restauranttester ist meist allenfalls ein hervorragender Hobbykoch (gut, abgesehen von diversen neumodischen TV-Formaten). Und dennoch wissen Fans des Literaturkritikers oder Fans des Restauranttesters deren Urteile einzuordnen.

 

Das funktioniert und ist gut, wenn ein paar Faustregeln eingehalten werden:

 

  1. Seine eigenen Grenzen kennen

Ich kann über nichts schreiben, über das ich nicht noch mehr als 50 Prozent Wissen bereithalte, als man später überhaupt davon im Text lesen kann. Ich muss mir sicher sein, dass meine Beobachtung und meine Recherche stimmt.

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Vierzigtausend sollen es gewesen sein. Foto: Klara Freitag

 

  1. Recherche, Recherche, Recherche

Sich seiner Verantwortung bewusst sein. Hinsehen, oft. Manche Themen schiebe ich über Jahre vor mir her, weil ich den Eindruck habe: da fehlt noch ein Mosaikstein. Mit vielen Menschen sprechen. Auch mit vielen, die später gar nicht in Texten vorkommen. So nah dran kommen ans Thema wie nur möglich – und dann wieder Distanz einnehmen.

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Seinen Job machen. Gut. Egal wo, egal welche Ebene. Foto: Klara Freitag

 

  1. Nicht dazu gehören wollen

Ich bin kein internationaler Reiter. Ich bin kein Drahtzieher im Sportgeschäft. Und doch springen alle Wichtigen um mich herum, wenn ich in ihrem Umfeld recherchiere. Man kennt sich, sieht sich über Jahre. Ich habe Kolleginnen, die in die Szene geheiratet haben, so einige. Und viele von ihnen haben ihren Beruf an den Nagel gehängt. Es geht nur eins von beidem, wenn Du neutral bleiben willst. Du kannst Profi auf Augenhöhe sein – jeder in seinem Metier. Du kannst auch jemanden persönlich mögen – und musst Dich doch in kritischen Momenten immer für das entscheiden, was eine Ahnung von Wahrheit sein mag (nicht weil ich es aus einer Laune heraus so beschließe, sondern weil die Beobachtung und Recherche das ergeben haben). Und das kann richtig blöd sein, denn es gibt so einige Menschen im Reitsportzirkus, die sehr nett und sehr lustig und sehr kumpelig sind – und fürchterlich reiten.
Ohne diese Distanz bist Du vielleicht irgendwann gute Freundin, PR-Vertreterin, manchmal auch Ehefrau. Aber kein Journalist, der seinen Beruf korrekt ausübt.

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Wie war das mit dem schönen Hintern? Das Bild ist nach rein ästhetischen Merkmalen ausgesucht. Wir reden hier nicht über Bemuskelung, Hufe und so weiter. Foto: Klara Freitag

 

  1. Vor dem Können steht das Wissen

Dieser Reiterspruch trifft so sehr für diesen Beruf zu. Hunger nach Wissen ist absolut essentiell. Nur: Man wird nur besser in dem, was man ständig übt und tut. Ich verbringe die meiste berufliche Zeit am Rechner, unterbrochen von Reisen zu Ausbildern, Interviewpartnern und Events. Oder ich lese, um zu lernen. Aber mein Handwerkszeug schärfen, das tue ich mit der Tastatur. Gleichzeitig lerne ich wahnsinnig viel über Pferde und das Reiten. Dennoch: wer im Sattel nur eine Stunde am Tag verbringt, der mag viel über das Reiten wissen, aber das handwerkliche Reiten ist und bleibt das eines Amateurs. Das, was ich weiß, und das, was ich praktisch kann, divergiert extrem. Damit muss ich leben – und das kann ich, weil ich meinen Beruf liebe. Schreiben ist mein Sprachrohr in die Welt.

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Auf der Geländestrecke. Höhepunkt in Aachen, für mich auf jeden Fall. Foto: Klara Freitag

 

5. Mitschwingen

Das einzige, was ich mir nicht anlesen kann, was ich nicht beobachten kann, ist das Gefühl. Was ich nicht selbst erlebe, muss ich mir erzählen lassen. Ich behaupte: ich kann von jedem, der offen genug ist, mit mir ein intensives Gespräch zu führen, hinterher in Worte fassen, was dieser Mensch im Sattel oder in der Ausbildung mit seinen Pferden erlebt. Das funktioniert durch viel Empathie, sich einlassen können und eben einer besonderen Beziehung zur Sprache. Ich erlebe es oft, dass Menschen, mit denen ich zum ersten Mal gesprochen habe, hinterher verdutzt sind, weil sie zum ersten Mal ihre Gedanken zur Pferdeausbildung geordnet auf einem Blatt Papier sehen. Und überrascht sind. Das sind sehr schöne Momente.

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Ebenfalls jemand, der seinen Job macht. Mit dem Fahrrad sind sowohl die Hostessen in Aachen unterwegs, als auch der Turnierleiter. Der fährt aber ein abgeschrammtes weißes Modell. Foto: Klara Freitag

 

6. Positiv berichten

Unter Pferdeleuten höre ich oft: „Wir bräuchten eine Berichterstattung, die mal Positives vom Reiten erzählt!“  Ich bin nicht zuständig für ein positives Bild. Nennt man nämlich PR, auch ein Job, aber nicht meiner. Ich bin zuständig für den Ist-Zustand und das Erzählen von dem, was gerade passiert. Das beinhaltet das mit-dem-Finger-auf-etwas-zeigen genauso wie das Herausstellen guter Sachen.

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Im Moment sein. Gilt für alle, die das sind. Foto: Klara Freitag

 

7. Maßstab König Pferd

Es ist abgegriffen, es sagen so viele Menschen über sich, aber es ist nun mal so: Der Maßstab ist das Pferd. Wie sieht das Auge aus? Stressanzeigen? Zufrieden? Darum geht’s, egal in welcher Sparte. So, wie der legendäre Moderator Hans-Heinrich Isenbart stets sagte: „Und vergessen Sie die Pferde nicht“.

 

 

Vielleicht fragt sich der ein oder andere, was trotz dieser ganzen Punkte jemanden dazu qualifiziert, über eine Sportart zu berichten. Das Ding ist: Es gibt kein starres Ausbildungssystem, keine Prüfungen. Es ist eine eher natürliche Selektion: die Chance haben, anfangen, arbeiten und sich bewähren. Wieder gefragt werden, weitermachen.

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Am Ende des Tages musst Du Dir selbst im Spiegel gegenüberstehen und in die Augen sehen. Alles andere: vergänglich. Foto: Klara Freitag

 

Mein erstes Bewerbungsgespräch bei einem Reitsportmagazin war im Jahr 2000. Ich saß da, um eine Praktikumsstelle zu bekommen, und sollte erzählten, was mir wichtig wäre an diesem Beruf und in diesem Sport. Ich sagte: „Ich will nicht mein persönliches Ausbildungskonzept propagieren. Ich will erzählen und weitergeben, was Ausbilder lehren.“ Das könnte ich heute noch so sagen. Zu entscheiden, wer in einem Text zu Wort kommt und wer nicht, lenkt natürlich auch eine Menge. Aber da sind wir wieder bei einem der oberen Punkte: beobachten, sprechen, recherchieren. Ich hatte auch meine Griffe ins Klo. Ausbilder, die ihre eigenen Ansprüche nicht erfüllen, mehr Schein als Sein. Ausbilder, von denen man Jahre später ein ganz anderes Gesicht zu sehen bekommt.

 

Und jetzt noch mal zurück zu den Internetkönigen und ihren scharfen Meinungen: Es ist erlaubt. Jeder, der in einem Restaurant essen war, darf hinterher sagen, ob es ihm geschmeckt hat oder nicht.  Und genauso verhält sich das mit Turnierplätzen.

P.S.:

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Ach ja, da war ja noch etwas: Die Nominierung zum Silbernen Pferd, DEM Medienpreis für Journalisten im Reitsport! Wurde auf dem CHIO Aachen verliehen, ich war nominiert als eine von drei Journalistinnen im Bereich Print. Gewonnen hat ein Beitrag aus „Die Zeit“, ein Porträt des Fotografen Jaques Toffi von Anna von Münchhausen. Klar, ich hätte auch gern das silberne Ding gehabt, statt ein Plakat hinter Glas. Egal – wer weiß, was  noch so kommt! Es war dennoch ein richtig toller Abend! Die kleine Pippi Langstrumpf neben mir ist verkleidet, weil das Motto der Eröffnungsfeier Schweden war. Wir sind in der Kutsche im großen Stadion umher gefahren und haben wie die Queen (oder das Karnevalsmariechen, hust) gewunken. Schön!

Mein Text für das „Silberne Pferd“

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Daumendrücken! Heute Abend wird >Das Silberne Pferd< verliehen. Ich bin nominiert- und zwar mit diesem Text hier, der im Vorfeld der EM 2015 entstanden ist.  Es ist der größte Preis der Szene! Vergeben wird er vom Deutschen Reiter- und Fahrerverband und dem ALRV, das ist der Veranstalter des Turniers CHIO Aachen. Ganz, ganz besonders freut es mich, dass es ein kritischer Text ist. Die Dressurausbilder Dr. Britta Schöffmann und Jan Nivelle waren so mutig, in diesem Text in Zitaten auch Kritik am System zu üben. Das ist selten & großartig! Danke den beiden für ihren Mut! Yeah! 


Warum ich gerade den eingereicht habe: Der Text spricht viele Punkte an, die später auf der EM diskutiert wurden und zeigte so schon vorab eine gute Einschätzung von Lage & Chancen des Dressursports. Zugleich wird einem nicht-reitendem Publikum erklärt, worum es geht, wenn sich für die Augen des Laien einfach nur Pferde auf Sand hin- und her bewegen. Unterstützt wird der Text mit Illustrationen von Maria Mähler (www.maria-maehler.de),  die erklären, wie eine korrekte Piaffe aussehen soll – und wie eben nicht. Die Idee von Text & Bild: Dass unser Fachchinesisch eben keins mehr ist!

Hier der Text zum Nachlesen:

Totilas‘ Schatten
Beinahe spielerisch berühren die Hufe von Totilas den Boden. Jeder Muskel ist markant. Der schwarze Hengst verführt die Zuschauer allein durch seine Ausstrahlung. Mehr als ein Jahr musste es verletzt pausieren, das Wunderpferd, das Millionen kostete. Es hieß, er habe sich selbst gegen ein Überbein getreten. An diesem Sommertag ist von all dem nichts mehr zu sehen. Totilas siegt, und sein Reiter Matthias Alexander Rath strahlt. Die beiden erhalten Traumnoten und lösen ihr Ticket für die Heim-Europameisterschaften in Aachen (11.–23. August). Totilas kehrt ins deutsche Nationalteam zurück. Doch mit ihm auch große Probleme.

Fünfzehn ist Totilas mittlerweile. Wenn alles gut läuft, hat er noch einmal die Chance, zu Olympischen Spielen zu fahren. „Er hat nach wie vor sein Bewegungspotenzial, eine wahnsinnig gute Piaffe-Passage-Tour“, schwärmt Reiter Rath. Gerade darüber wird hinter den Kulissen heftig diskutiert. Denn die Reitweise, mit der Totilas trainiert wird, ist umstritten.

Es geht um Bewertungsmaßstäbe der Punktrichter und den dadurch entstehenden Druck in der Pferdeausbildung. Amateure, Profis, Ausbilder, Liebhaber und Breitensportler, die ganze Szene ist sensibilisiert. Zuschauer stehen am Rande der Turnierplätze und beobachten jede Bewegung der Tiere. Ob das Pferd den Hals richtig trägt. Ob der Reiter zu stark an den Zügeln zieht. Ob er seine Schenkel unfair einsetzt, es mit Sporen pikst. Fotos davon werden auf Facebook, Instagram und in Internetforen geteilt.

„Die Menschen möchten keinen Druck in der Pferdeausbildung sehen“, sagt Ausbilder Jan Nivelle, „das erzürnt sie. Und man kann ja auch Pferde ausdrucksstark und spektakulär zeigen, ohne Druck anzuwenden.“ Der Ausbilder aus Mönchengladbach kennt die Szene. Er war selbst Trainer der spanischen Nationalmannschaft, heute unterstützt er einzelne Spitzenreiter, auch seine Schützlinge nehmen an der EM in Aachen teil.

Dass Matthias Rath gelernt hat, Totilas zu leiten, ist vermutlich das Ergebnis der Zusammenarbeit mit Sjef Janssen. Erst seit der ihm hilft, läuft es mit Reiter und Pferd. Der niederländische Trainer aber gilt als Inbegriff der sogenannten Rollkur. Bei ihr wird der Hals des Pferdes stark gedehnt, das Pferdemaul in Richtung Brust gezogen. Janssen, der das Wort Rollkur nicht mag und sein Training „Low-Deep-Round“ nennt, wird dafür heftig kritisiert: Seine Methode sei nicht tiergerecht. Es gibt zahlreiche Studien dazu. Die meisten belegen, dass eine Rollkur dem Pferd Schmerzen zufügt, aber es gibt auch Studien, die zu anderen Ergebnissen kommen. Unbestritten hingegen ist sein Erfolg. Janssen hat viele Reiter und Pferde in den Grand-Prix-Sport gebracht.

Dass Sjef Janssen nun das deutsche Vorzeigepferd im Nationalteam trainiert, ist eine Kehrtwende. Deutschland gilt als die Nation, die auf die Einhaltung der klassischen Lehre zugunsten der Pferde pocht, allen voran das in Reiterkreisen prominente Bündnis Xenophon und der deutsche Berufsreiterverband. Beide kritisieren Janssen scharf.

Was Trainer wie Janssen vor allem schaffen: Pferde spektakulär aussehen zu lassen. Das gelingt ihnen durch ein enormes Anheben der Vorderbeine, es erzeugt viel Ausstrahlung. Da möchten auch andere mithalten. Wer es kann, macht das ohne Druck fürs Pferd. Wer es nicht kann oder wem der konventionelle Weg zu lange dauert, der arbeitet eben mit Druck.

Kürzlich machte in den sozialen Netzwerken ein furchtbares Bild von Rath und Totilas die Runde. Aufgenommen in Hagen auf dem Vorbereitungsplatz. Kurz bevor die beiden ihre Traumnoten bekamen. Der Hengst strampelt vorn mit großen Bewegungen, hinten kommt er mit den Beinen nicht mit, den Kopf trägt er zu tief. Alles nicht gut für die Biomechanik eines Pferdekörpers. Im Hintergrund war auf einer Bandenwerbung zu lesen: „… weil es funktioniert“. Viele Menschen empfanden das Bild als furchtbare Zustandsbeschreibung und teilten es.

Das geht sehr schnell im Netz, manchmal etwas vorschnell. Erst in der vergangenen Woche traf es Jessica von Bredow-Werndl, eine der Reiterinnen, die durch besonders feines Reiten auffällt. Auf einem Foto war zu sehen, dass das Pferd zu eng am Hals gehalten wurde, es war mit der Nase hinter der Senkrechten. Die Empörung war groß. Die Reitszene ist empfindlich geworden. Nur bedeuten solche unschönen Fotos nicht automatisch, dass ein Reiter schlecht ist. Erst die Häufigkeit solcher Momentaufnahmen hinterlassen einen Eindruck. „Mich regt das wahnsinnig auf, wenn die Leute zu Fehlerguckern werden und nicht mehr das Gesamtbild anschauen“, sagt Jan Nivelle. Der Ausbilder ist jemand, der sich über die Entwicklung der Dressur Gedanken macht. Der für eine Pferdeausbildung ohne Druck steht.

Natürlich gibt es feinfühlig reitende Sportler auf höchstem Niveau. Reiterinnen und Reiter der neuen Generation haben ein neues Erfolgsmotto: Wir möchten zeigen, dass man ganz oben reiten kann und gut zum Pferd ist.

Schwarze Schafe aber werden selten geoutet. Nur wenige wagen es, das System, die Punktrichter, andere Trainer oder gar konkurrierende Reiter zu kritisieren. Jan Nivelle ist einer dieser wenigen, die für klare Worte stehen. Er sieht Entwicklungen, die ihm nicht gefallen. Etwa die Bewertung der Piaffe. Vereinfacht ausgedrückt, setzt das Pferd dabei seine Füße trabähnlich auf und nieder, und bewegt sich dabei kaum von der Stelle. Diese Lektion gehört zu den schwersten überhaupt. Nivelle: „Piaffen, die schnell und energisch sind, bekommen mehr Punkte als Piaffen, bei denen man dem Hinterbein die Zeit gibt, sich zu beugen.“ Wer also nach den Lehrbüchern ausbildet, hat das Nachsehen. „Man muss sich fragen: Sind wir da auf dem richtigen Weg? Wird das Energische übertrieben?“, sagt Nivelle. „Den Reitern bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder kann man die Bewertung kritisieren und man bekommt die Quittung. Oder man passt seine Reiterei der Bewertung an.“

In der Dressur gibt es wie in vielen anderen Sportarten auch Modeerscheinungen. Einst wurden zum Beispiel die Traversalen, eine Seitwärtsbewegung des Pferdes, plötzlich mit großen Tritten gezeigt. Heute gehört das zum Standard. Spektakel ist gefragt, weniger Korrektheit. Frank Kempermann ist Turnierleiter in Aachen und Vorsitzender des Dressurkomitees des Weltverbandes der Reiterei (FEI). Er fordert: „Unsere Dressurreiter müssen spektakulär sein. Wenn die Richter hohe Noten geben, wenn Pferde Stars sind, und die sorgen für volle Stadien, dann ist der Veranstalter froh.“

Das sieht nicht jeder so. Ausbilderin Dr. Britta Schöffmann, bekannt durch ihre zahlreichen Lehrbücher, kritisiert: „Die Reiterei immer TV-tauglicher zu machen, daran krankt der Sport. Ob etwas gut oder nicht gut bewertet wird, wird sich irgendwann daran messen, ob ich Sendezeit dafür bekomme oder nicht.“ Sie stellt damit die Neutralität der Richter infrage. Vermutlich wünscht sich auch deshalb die Mehrheit der Aktiven, dass Richter stärker als Hüter der klassischen Lehre auftreten sollten. Frank Kempermann weiß das, sagt aber, er sei zufrieden mit seinen Richtern, sie würden viele Schulungen durchlaufen: „Mein Anliegen ist es zu überlegen: Wie kann man den Sport besser verkaufen? Da muss man auch mal eine Bombe reinwerfen, etwas zum Diskutieren bieten.“

Als eine solche Bombe hat sich sein Vorschlag entpuppt, die Kür zu verkürzen. Die Aktiven waren entzürnt, die Funktionäre begeistert. Der Vorschlag wurde dennoch verworfen. Um Kempermanns leidenschaftslose Marketingstrategie zu verstehen, muss man auch den Druck bewerten, unter dem eine Turnierveranstalter anno 2015 steht: Immer mehr Reiter verlassen traditionelle Turniere und starten lieber dort, wo es viel Geld zu verdienen gibt. Das ist überwiegend in Asien und in arabischen Ländern der Fall. Die Aachener schaffen es seit Jahren, ihr Turnier stark zu halten, was wirtschaftlich nicht leicht ist. Kempermann möchte die Reiterei in kleinen Schritten auf das moderne Zeitalter einschwören. Er lässt sogar ein IT-System testen, das die Bewertung von Küren gerechter machen soll.

Aachen bietet seinen Zuschauern eine eigene EM-App, mit der sie Richter spielen dürfen und Noten vergeben können. Das hat natürlich keine Konsequenz auf das tatsächliche Ergebnis, aber es macht Spaß und ist modern. Die Sorge, die Dressur könnte eines Tages aus dem olympischen Programm gestrichen werden, vertreiben Menschen wie Kempermann auf diese Art.

Eines darf dabei jedoch nicht durch den Rost fallen: die Liebe zum Pferd. Es wäre eine Tragödie, wenn gerade die Reiter, die auf eine Ausbildung ohne Druck setzen, durch ein modernes System verlieren würden. Es wäre ein großartiges Zeichen, in Aachen einen zusätzlichen Preis für besonders faires Reiten auf dem Vorbereitungsplatz zu vergeben. Kempermann findet die Idee charmant, er sagt, er werde darüber nachdenken.

In den kommenden Tagen wird Totilas sein Bestes geben. Matthias Rath möchte mit ihm eine EM-Medaille gewinnen. Die Skepsis wird ihn begleiten. Möglicherweise sogar bis zu den Olympischen Spielen nach Rio.

Eine Sommernacht mit Superman

Supermans Geschoss: Vollbluthengst Asagao xx vom Söderhof. Mutig, geschickt, rittig.

Supermans Geschoss: Vollbluthengst Asagao xx vom Söderhof. Mutig, geschickt, rittig.

Text: Jeannette Aretz
Fotos: Klara Freitag

Warum ich das Reitturnier in Aachen besonders mag, wisst Ihr, wenn Ihr diesen Text über Hans Günter Winkler und meine Familie gelesen habt. Am spannendsten sind für mich die Abreiteplätze. Ich will wissen, wie wer sich vorbereitet, oder, noch besser, eine Trainingseinheit dreht. Vielleicht habt ihr die erschreckenden Bilder aus Falsterbo, die gerade im Internet kursieren, gesehen. Ich sehe viele Leute, die darunter schreiben: genau aus dem Grund gucke ich mir keine Turniere mehr an.

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Ingrid und Michael Klimke beim Einritt zu ihrem Pas des Deux.

 

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Bisschen wie Zeltlager, oder? Blick auf die Stallungen der Voltigierer aus Großbritannien. Alle Fotos: Klara Freitag

 

Ich kann das einerseits verstehen. Andererseits erlebe ich genau bei solchen Menschen oft, dass sie sich Abreiteplätze grundsätzlich als das Horrorkabinett ausmalen, welches da in Falsterbo dokumentiert wurde. So ist es aber nicht immer, ständig, überall. Das ist einfach falsch.

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Diese Farben! Ganz großartig.

 

Ich will das nicht klein reden: Es ist schlimm genug, dass es möglich ist, solche Bilder wie in Falsterbo zu machen. Aber der stetige Abgleich mit der Realität ist für mich ein Muss. Sonst gibt es nur eine dunstige Vorstellung von dem Turnierreiten, dem Sportreiten, der konventionellen Reitweise, die zu Behauptungen führt, die nicht richtig sind. Und dadurch berechtigte Kritik verwischen. Eben das darf nicht passieren. Ich kann nur auf Wunden zeigen und Applaus für Gutes geben, wenn ich hinsehe.  Das ist mein Grund, Turnierberichterstattung interessant und nicht entbehrlich zu finden. Auf dem Abreiteplatz bin ich am liebsten zu eher unmöglichen Zeiten, nicht nur kurz vor wichtigen Prüfungen.

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Alizée Froment mit Mistral.

 

Abreiten vor Shows ist noch mal so eine ganz andere Kiste. Schlechtes Reiten ist hier genauso oft zu finden, wie im Turnierzirkus, ich behaupte sogar: auf einem niedrigen Level sogar noch häufiger. Es gibt aber auch große Shows (zum Beispiel diejenige, die mit A anfängt), mit denen man mich jagen kann. Ich kann keine durch gute Lichtshows perfekt inszenierte Sachen genießen, wenn ich dabei fast nur schlechtes Reiten sehe. Das war in Aachen  anders. Das Turnier startete mit der Show „Pferd und Sinfonie“, dabei spielt das Orchester der Stadt Aachen live im Dressurstadion, während Schaubilder gezeigt werden. Die Pressetribüne ist so geschickt platziert, dass man nur den Kopf zur Seite bewegen muss, um abwechselnd den Abreiteplatz und das Viereck sehen zu können.

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Die Geschwister Klimke auf den Füchsen von Michael Klimke.

 

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Trabrennfahren als Quadrille: Das war sehr ordentlich, harmonisch und schön anzuschauen. Kamen aus Schweden und fuhren zu – na, Musik von Abba.

 

Es gab nur ein Schaubild, das mir reiterlich nicht gefiel (eine Dressurquadrille, Kandaren am Anschlag, grellig gerittene Pferde) und eins, das mir so halb gefiel (noch eine Dressurquadrille, weniger krass auf Show geritten, aber auch nicht bei allen Reitern schön anzusehen). Dazu noch eine Freiheitsdressur, vor deren Leistung ich zwar den Hut ziehe, aber die irgendwie nicht die meine ist. Ich brauche keine Hunde, die auf Pferden reiten. Aber das ist ein persönliches Ding.

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Sylvester war gar nix dagegen. Feuerschiff der Voltigierer, eine Nummer mal ganz ohne Pferd.

 

Also: das ist ein fantastischer Schnitt für einen kritischen Menschen wie mich! Denn ansonsten war es ganz wunderbar! Ingrid und Michael Klimke im Pas des Deux, der Vollblüter Asagao xx in seiner tollen Springnummer, die ich immer schon mal live sehen wollte, einen Haufen superschneller Islandpferde, Alizée Froment in ihrer Paradenummer mit Mistral, dazu noch in einer anderen Nummer einige Stuntman und Adler.

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Superman fliegt jetzt nur noch mit Untersatz. Ein toller Kerl, dieser Asagao xx. Nur dass der Schritt vom Zuchtleiter hochgelobt wurde, versteh‘ ich nicht so – das wäre das Erste, worauf ich bei einer Stute mit ihm achten würde. Das Gesamtpaket Asagao xx  gefällt ausgesprochen!

 

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No drama. Sondern Bilder, die man sich angucken konnte, auch jenseits des Vierecks.

 

Und die Trabrennpferde! Diese Quadrille kam aus Schweden, und auf dem Vorbereitungsplatz konnte man sehen, wie Traber vor dem Sulky auch vorwärts-abwärts gearbeitet werden können. Das war wirklich schön!  Dazu hat Aachen noch alles gegeben, was wettertechnisch drin war: Cote d’Azur gleiche laue Luft und ein wunderschöner Abendhimmel. Klara hat fotografiert, und ich glaube, man spürt ganz gut, wie entspannt und fein die Stimmung war.

Kleine Vorschau: ich habe ein paar schöne Videointerviews gedreht, die findet Ihr in den nächsten Tagen auf der facebook-Seite des Blogs!

Kleine Vorschau: ich habe ein paar schöne Videointerviews gedreht, die findet Ihr in den nächsten Tagen auf der facebook-Seite des Blogs! Ingrid Klimkes Outfit war der Knaller.

 

Hier sind noch einige schöne Momente für Euch:_DSC8616

 

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