Und warum das die schönsten Ritte seit langem waren, die da auf den Medaillentreppchen landeten.
Zum Heulen schön war das: Dalera und Jessica von Bredow-Werndl holten Dressurgold. Schon beim Losreiten nach dem Grüßen kribbelte es im Nacken: Wow! Dann wurde es immer unglaublicher! Dazu diese instrumentale Musical-Musik von Lalaland, die sehr träumerisch daher kommt: Ja, das haute emotional rein.
Aber es war auch technisch hervorragend. Der Schritt ruhig schreitend und danach direkt wieder konzentriert und in Versammlung. Dieses große Pferd Dalera immer leichtfüssig und geschlossen. So eine schöne Anlehnung, so harmonisch.
All das sah so leicht aus. Einfach so, so gut, so wie Dressurreiten sein sollte!
Und Bäm, es wurde belohnt! 91,731 Prozentpunkte, unglaublich! Das war Einzelgold, nochmal olympisches Gold nach der Goldmedaille für die Mannschaft am Tag zuvor in Tokio.
Alle drei Medaillenritte waren Aushängeschilder für diesen Sport
Es waren alle drei Ritte wunderschön, die Medaillen bekamen (hier bei Eurosport könnt Ihr sie ansehen): Isabell Werth & Charlotte Dujardin zeigten auch fantastische Ritte. Und das macht dieses Tokio echt besonders: Ich kann mich nicht daran erinnern, so einen feinen und gleichzeitig schwierigen Ritt (schwierig sind ihre immer) von Isabell Werth gesehen zu haben. Wundervoll!
Und selten habe ich so mitgefiebert, wie für das junge Pferd im beinahe-Ponymaß, mit dem Charlotte Dujardin ihren Titel verteidigte. Das ist Reiten können, auch ohne Valegro so erfolgreich und gut zu sein, mit einem selbst aufgebautem Pferd. Wie entsetzt ihr Trainer und Weggefährte Carl Hester übrigens war, als sie das kleine Pferd von einem Lehrgang aus den USA heimschleppte, steht hier wundervoll beschrieben. Ein Lehrstück darüber, dass Bauchentscheidungen oft die beste Wahl sind. Es reichte für sie zu einer Bronze-Medaille. Einfach richtig, richtig guter Dressursport! Das macht so Hoffnung! Dass genau diese Drei da mit diesen Ritten oben standen.
Wie das mit Jessica von Bredow-Werndl begann
2015 habe ich Jessica von Bredow-Werndl groß in der Welt am Sonntag portraitiert. Das ist ziemlich spannend zu lesen, jetzt im Nachhinein. Denn da steht schon ihr Erfolgsrezept drin, das sich jetzt auszahlt. Damals tauchte sie nämlich erstmals auf dem internationalen Parkett groß auf. Lest mal rein:
Jessica von Bredow-Werndl ist rasant unterwegs, auf allen Ebenen: Kein anderer Dressursportler hat im letzten Jahr eine solchen Karrieresprung hingelegt. Die 29-jährige hat sich in die Top 10 der Weltrangliste geritten und im April das Weltcup-Finale in Las Vegas auf dem Treppchen als Dritte beendet. Die Bundestrainerin sagt über die Perspektive der Reiterin: „Ich bin überzeugt, da ist noch Luft nach oben. Ich traue ihr alles zu.“
Dressurgold bestätigt die Voraussagen
Recht hatte Monica Theodorescu da! Heute hat sie mit Einzelgold in Tokio Isabell Werth überholt, die Silber erzielte. Damals lernte sie von ihr:
Zu Isabell Werth haben beide (die Geschwister Werndl sind gemeint, Jessica und ihr Bruder) einen guten Draht, denn gut fünf Jahre lang war sie so etwas wie eine Mentorin für beide. Sie fuhren für mal eine, mal zwei Wochen zu ihr nach Nordrhein-Westfalen und lernten. „Es ging dabei nicht um einzelne Reitstunden, sondern ums große Ganze, darum, wie man junge Pferde ausbildet“, erklärt Isabell Werth. „Beide Geschwister waren unheimlich lernbegierig, Jessica saß oft im Aufenthaltsraum an der Reithalle, machte sich Notizen, sie ging das ganz analytisch und akribisch an.“ Mit der Mentorin von damals starten die beiden nun in den gleichen Prüfungen. Das Ziel, Pferde nicht nur in Grand-Prix-Prüfungen, der höchsten Klasse, zu reiten, sondern selbst dahin bringen zu können – es ist erreicht, denn sie starten hier in Aachen mit eben zwei selbst ausgebildeten Pferden, Zaire und Benjamin Werndls „Der Hit“.
Nervenstärke plus Feinfühligkeit
Super spannend auch schon damals, was Trainer Jonny Hilberath und Mentaltrainier Holger Fischer über Jessica von Bredow-Werndl sagten. Wohin das jetzt geführt hat! Lest selbst:
„Außergewöhnlich war schon immer das Miteinander der Geschwister“, erzählt er, „da gibt es keine Konkurrenz, die beiden helfen einander.“ Dabei sei sie ein Bauchmensch, er ein Kopfmensch. Jessicas Stärke sei die Intuition, das Timing im Wettbewerb, Benjamin plane Training und Prüfung akribisch, überließe nichts dem Zufall. „Das ergänzt sich ideal“, erklärt Jonny Hilberath. Die Geschwister trainieren jeden Tag gemeinsam, der Trainer kommt nur ein Mal im Monat vorbei.
Ihr Coach fürs Mentale, Holger Fischer, erklärt sich die rasante Erfolgkurve der Sportlerin durch die Einheit von Sensibilität dem Pferd gegenüber und Stressresistenz in schwierigen Situationen: „Wenn in der Vorbereitung alles schief läuft, steckt sie das unglaublich gut weg und bringt dennoch Topleistungen. Das ist selten, meistens können feinfühlige Menschen nicht gut damit umgehen, wenn etwas nicht klappt.“
Das persönliche große Ziel: Erreicht.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass sie mir an diesen Tagen rund um das lange Portrait – ich habe sie da auf dem CHIO Aachen zwei Tage begleitet – irgendwann erzählte, dass sie zeigen will, dass man ganz, ganz pferdefreundlich ganz ganz oben mitmischen kann. In ihren Worten, die mir jetzt nicht mehr einfallen. Aber der Sinn, der stimmt. Und das hat sie gezeigt. Und wie!
Congratulations! Tut dem Pferdesport gut. Sehr sogar!
Hi Jeannette,
danke für deinen Blitz-Blogpost und das super interessante Stück aus der Frühgeschichte von Jessi! Mega interessant, wirklich eine gute Erklärung. Erfolg ist doch wirklich in den seltensten Fällen nur eine Frage von Glück und Talent…
Ich war wie du von einigen Ritten schwer begeistert. Meine geheime Favoritin ist – neben JvBW – Sabine Schut-Kery, die hat mich schwer beeindruckt. Beim googeln musste ich dann feststellen, dass sie gebürtig aus Krefeld stammt und früher erfolgreich Friesen geritten ist. Das nenn ich mal ein Beispiel für Resonanz.
Kurz gesagt: Ich habe zumindest stellenweise aufgeatmet und hege nun auch ein bisschen Hoffnung für den internationalen Dressursport. Auch wenn es da noch einiges gab, was mir wirklich nicht gefallen hat. Und wie dich hat auch mich IW schwer überrascht. Das hätte ich ehrlich gesagt nicht für möglich gehalten.
Ich würde mich von Herzen freuen, wenn Jessis Beispiel nun das ist, an dem sich die Weltspitze orientiert. Das wird auch den Pferden mehr Freude machen.
Die Pferde knebeln, bimsen und nachwürzen, das sollte endgültig vorbei sein. Die Qualität ist heute soviel besser als vor 30 Jahren!
Das hast Du toll auf den Punkt gebracht. Danke dafür! Wie sagte Benjamin Werndl mal so schön: Erfolg ist etwas das erfolgt auf das was man tut. Die Ritte habe ich sehr ähnlich empfunden. So viele schöne Ritte auf ein Mal hab ich noch nie gesehen. Und dieser kleine Fuchs…
Absolut auf den Punkt gebracht. Durch eine Bekannte die vor Jahren Unterricht hatte von Sabine Scuht-Kery als sie noch hier war, beobachte ich sie und genieße ihre Einstellung und Reiterei seit längerer Zeit und freue mich sehr, sie jetzt dort zu sehen wo sie hingehört. Nämlich oben. Das ist auch der erste Ritt von IW den ich genossen habe (obwohl ich die Bewertung der Piaffen und so weiter nicht nachvollziehen konnte).. Schön, diese Entwicklung zu sehen.
Liebe Jeannette,
danke für deinen Kommentar. Ja, etliche schöne Ritte in Tokyo und … leider auch unschöne.
Hoffen wir, dass diese ReiterInnen sich ein Beispiel nehmen und der Dressursport einen pferdefreundlichen Weg nimmt.
Ohne Beziehung zum Pferd kein Erfolg, das sagen die Kommentare von Jessica und Charlotte sehr deutlich.
Das Pferd ist kein Sportgerät!
Wunderbar auch, wenn man/Frau sich über die Erfolge der anderen freuen.
Liebe Grüße
Elvi