Auf Wiedersehen, wunderbare Ailena

Pferd und Mensch nebeneinander

Ist sie nicht wunderschön? Ailena fotografiert von Sarah Brummer.

 

Mir liegt was im Magen und ich muss es wohl auch hier einmal aussprechen. Denn ich mag das nicht, wenn Pferde einfach spurlos verschwinden aus Blogs, Berichten, Filmen.

Vor zweieinhalb Jahren begann ich, Ailena zu reiten. Damals hatte ich meine Fee noch, aber die musste stehen und ich hatte Reitsehnsucht. Ailena war neu hinzugekauft und ihre Besitzerin wollte sie nicht reiten, sondern suchte jemanden dafür.

 

Wie das Traumpferd so aussieht

Ailena war damals alles andere als mein Traumpferd. Sie erschien mir lang, sehr groß und vor allem unglaublich unausbalanciert. Ich habe noch nie in meinem Leben auf einem Pferd gesessen, dass die lange Seite so galoppierte wie sie: Ich hatte das Gefühl, ich werde gleich durch die Wand geschleudert. Sie ging wie eine Giraffe mit Badewannenrücken. Und sie hatte sehr wenig Vertrauen.

Das Foto entstand so ungefähr zu unserer Halbzeit. Da war sie schon geschmeidiger, beweglich und vor allem mental dabei! Wie man sieht: Groß ist sie nicht wirklich – nur mir erschien sie so. Foto: Franzi Schmitz

 

Irgendwie mochte ich diese Stute dennoch. Bald war klar: Sobald sie vertraut und zuhört, statt wegzulaufen und sich wegzudrücken, ist sie unheimlich engagiert.

Meine Fee starb im Februar 2017, wenige Monate nachdem ich begann, mit Ailena zu arbeiten. Chamonix hatte ich da zwar schon, aber sie zog erst im März zu mir. Ich behandelte Ailena einfach wie mein zweites Pferd, nahm sie auf all unsere Kurse mit und es entstand zwischen uns etwas. Sie veränderte sich und wir veränderten uns.

Zwei braune Pferde am Koppelzaun, Frau daneben streichelt ein Pferd.

In den letzten gemeinsamen Monaten entstand das Bild hier. Ein zufriedenes Pferdemädchen (gilt für alle drei auf dem Bild). Foto: Klara Freitag (Danke Klara! Sehr!)

Sie wurde schöner und schöner

Das Markanteste, äußerlich, war: Ihr Gesicht veränderte sich. Als ich sie kennenlernte, war ein Auge schräger angeordnet als das andere. Anfangs dachte ich, vielleicht hat sie da mal als junges Pferd einen Schlag drauf bekommen oder so. Tatsächlich wurde das Gesicht symmetrischer mit der Zeit. Je mehr sie ins Gleichgewicht kam, desto symmetrischer sahen die Augen aus. Sie wurde insgesamt mobiler, konnte ihren Körper besser bewegen, wusste wo er anfängt und aufhört. Ihr Geist wurde offener, sie hatte Vertrauen und gleichzeitig sah man diese Veränderung im Gesicht. Erstaunlich.

Pferd mit Knotenhalfter

Wir. P.S.: Sarah, ich bin Dir so dankbar für diese Fotos! Foto: Sarah Brummer

Wenn das Glück anders aussieht, als Du dachtest

Am schönsten war die Zeit, die wir allein in der Halle verbrachten. Ich glaube, ich bin von keinem einzigen Pferd, das ich je kannte, so häufig so glücklich abgestiegen wie von ihr. Sie wollte einfach unbedingt gefallen, alles verstehen. Sie reichte das Herz auf dem Tablett an, auf jeden Fall fühlte es sich für mich so an. Sie war körperlich nicht das Dressurpferd per excellence. Aber sie wollte. So, so sehr.

Es gab diesen Moment, ich kam aus der Reithalle, kratzte ihre Hufe aus und ich dachte, nein, ich wußte:  Sie wird alles lernen. ALLES.

 

Halsringreiten mit Lisa – auch eines der wunderschönen Erlebnisse mit Ailena. Foto: Franzi Schmitz  (Ich mag das Bild sehr Franzi, wie die ganze Reihe – wie gut, dass Du damals da warst! Danke!)

 

Und weg.

Ich bin leider nicht immer mutig. Ich war nicht mutig genug, Ailena sofort zu kaufen, als es möglich war. Als ich bereit war, war sie nicht mehr verkäuflich.

Genau an dem Punkt endet unsere Geschichte.

Ich bin wahnsinnig traurig darüber, sie gehen zu lassen. Da, wo sie wohnt, geht es ihr gut. Nur mir geht’s nicht gut ohne sie.

Pferd Dressur,Reithalle

Zwar steht sie da komisch herausgestellt, aber schaut ihr mal ins Gesicht: Ziemlich stolz darauf, was sie gerade gemacht hat. Das war in einem von vielen Kursen mit Claudia Butry. Foto:Klara Freitag

 

Ihr werdet noch einige Bilder sehen, die in unserer Zeit gemeinsam entstanden sind. Aber in der Zukunft gibt es Ailena und mich leider nicht mehr.

Pferd weg – Pferd verkauft: Kann man daraus was lernen?

Man kann ja bekanntlich aus jeder Scheiße, die das Leben so bereit hält, etwas lernen. Wenn ich ehrlich bin, erstickt bei mir die Traurigkeit gerade jeden klugen Gedanken. Wenn ich mir Mühe gebe, kann man das hier daraus lernen: Dass Glück manchmal nicht die Form und Optik hat, die man sich so vorgestellt hat. Und: Machen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Gelegenheiten bleiben nicht auf ewig optional.

Und ich denke: Ach Du meine Güte, wie soll ich denn in so einer Situation meine oberschlauen #heartwideopen Vorsätze bitte leben. I try my best.

Pferdeweide

9 Kommentare

  1. Ach Jeannette, da tropft der Liebeskummer aus jeder Zeile. Unglaublich wie man sein Herz an ein Tier verschenken kann. Und wie traurig, wenn der gemeinsame Weg endet. Und wenn man es hunderte Male erlebt, hört es nie auf, so furchtbar weh zu tun. Das einzig Positive, was ich dem bisher abgewinnen konnte, ist der Gedanke: Wie schön, dass ich so lieben kann. Drück dich!

  2. Ja leider sieht man erst was man liebt wenn es nicht mehr bei einem ist
    Ich würde Dir wünschen das ihr zwei nochmal zusammen trefft und das ihr wieder eins werden dürft
    Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt

  3. Wie schön und herzerwärmend Du Eure Geschichte aufgeschrieben hast….und wie toll, was Du alles erreicht hast mit Ailena, was muss sie dankbar gewesen sein, Dich getroffen zu haben! Deine Beschreibung des asymmetrischen Gesichts, welches mit dem Finden der eigenen Balance immer symmetrischer wird, hat mich total fasziniert….da hast Du tolle Arbeit geleistet und man wünscht sich, die neuen Besitzer haben den Blick und die Gabe, darauf aufzubauen und das, was Du erarbeitest hast, zu erhalten!

  4. Gänsehaut. Das letzte Bild von Euch. Unter Deinem Beitrag. Voller Liebe. Voller Vertrauen. Voller Traurigkeit. Abschied ist und bleibt ein Arschloch..
    #heartwideopen – lasse Dir dieses Gefühl niemals nehmen. Behalte sie genauso in liebevoller Erinnerung. Und sei stolz auf Dich!

  5. Jeannette,

    sei froh, dass du schon erwachsen bist und ein eigenes Pony hast und überhaupt… Ich war damals 17 oder 18 als ich in exakt der gleichen Situation war. Allerdings hatte meine damalige Reitbeteiligung es nicht mehr so gut, nachdem er mir weggenommen wurde. Das war schlimm, mein Herz, mein ein und alles, Pferd meines Lebens – weg. Einfach so, weil ich ihn nicht mit Geld statt meinem Herzen besitzen konnte und weil ich wusste, er versteht die Welt nicht mehr, warum kam das nette Mädchen plötzlich nicht mehr?? Ich war sein Mensch, er lief mir hinterher wie ein Hund, ich ritt am Halfter ohne Sattel übers Feld auf dem vorherigen hysterischen Durchgänger. Er stieg in der Herde einige Plätze auf. Er bekam eine andere Ausstrahlung…

    Wofür diese Erfahrung gut war? Das ist mir bis heute noch ein Rätsel. So sehr ich auch nachdenke. Er hätte bei mir bleiben wollen – unbedingt, aber uns hat niemand gefragt…
    Mein Fazit war, dass mir sowas garantiert nie wieder passieren wird. Und dass ich später nie so egoistisch sein will und mich lieber freuen werde wenn zwei sich dermaßen gut verstehen anstatt sie zu trennen. Ich habe danach nur noch Pferde betreut, mit deren Besitzern ich auch ein gutes Verhältnis und somit Einfluss auf die Zukunft hatte, so dass ich nie mehr den Gedanken haben musste, ich hätte das Pferd im Stich gelassen.
    Meine Fífa hat mich ebenso ausgesucht wie Morgan es damals getan hat. Keiner wollte sie aber sie wollte mich. Diesmal war ich aber zum Glück schon erwachsen mit eigenem Geld und wusste ja wie traurig die Geschichte enden wird wenn ich jetzt nicht mutig bin und genau dieses Pferd kaufe. Sie ist das beste nächste Pferd meines Lebens, aber so ganz anders als Morgan damals. Ich hätte sie vermutlich nie gekauft ohne meine Erfahrung von früher. Was ich dann verpasst hätte! Sie macht mich stark und mit ihr kann ich alles schaffen.
    Auch ein Shetty ist mir und meiner Freundin „zugelaufen“. Ihm ging es zuerst gar nicht gut, wir haben es glücklich gemacht und konnten es bei unserem Auszug dann nicht zurücklassen. Wir haben alles riskiert, ihn gekauft und durch ganz viele glückliche Zufälle und viele Menschen mit großem Herz wurde er das glücklichste geliebteste Shetty auf Erden.

    Wer weiß, der Sinn daraus ergibt sich vielleicht nicht direkt für uns selbst sondern für die Pferde und anderen Menschen, die uns anschließend begegnen?

    Melanie

  6. Liebe Jeannette, die Geschichte von dir und Ailena hat mich sehr berührt. Wunderbar, dass ihr euch begegnet seid und es für jede von euch so viel schöne gemeinsame Momente gegeben hat. Ohne eure gemeinsame „Arbeit“ wäre Ailena wahrscheinlich nicht in ihrem neuen Zuhause gelandet, sondern hätte es angesichts ihrer körperlichen Handicaps vielleicht deutlich schlechter getroffen.
    Das hast du ihr ermöglicht durch deinen Einsatz für pferdegemässes Reiten und dein Engagement. Auch für dich wird es weitergehen. Ich drücke dir die Daumen, dass du wieder einem Pferd begegnest, auf das du dich so einlassen kannst und das sich so auf dich einlässt.
    Elvi

  7. Liebe Jeannette, das ist super traurig für alle Beteiligten. Ich lese aus deine Zeilen, dass du vielleicht nicht nur traurig bist, sondern auch zerknirscht über deine –du sagst, „nicht mutige“ Entscheidung, Ailena nicht zu kaufen. Das wäre schade, und auch nicht richtig . Ärgere dich nicht über dich selbst– ich bin sicher, du hast zu diesem Zeitpunkt diese Entscheidung bewusst oder unbewusst gut abgewogen, und sie war damals richtig. Ein Pferd zu kaufen, das stellt ein ganzes Leben neu auf… Dass die Umstände sich ändern würden, war doch nicht abzusehen, oder? Und wie oft treffen die „Mutigen“ verkehrte Entscheidungen aufgrund ihrer Unüberlegtheit?
    ES gibt ausserdem eine wunderbare Essenz in deinem Text, und dafür danke ich dir! „Was man liebt, ist schön!!! „—und nicht: „Wir lieben das, was schön ist.“ (Natürlich ist Ailena sehr, sehr schön—aber sie war eben offenbar anfangs nicht dein Traumtyp von Pferd) Heinke

  8. Eure Geschichte und Erfahrungen berühren mich gerade sehr. Und hey, in dieser Phase der Traurigkeit muss man auch keine Weisheiten parat haben. Sie ist wichtig, auch weil es zeigt, wie tief die Verbundenheit geht. Und es braucht Zeit bis das verarbeitet ist. Ich spreche leider aus eigener Erfahrung. Hab es bereits einmal durchlebt und stehe auch wieder vor diesem Weg. Es schmerzt und manchmal hat man das Gefühl, es zerreißt einen innerlich. Aber: Man kommt da durch! Es ist zu schaffen!
    Vielleicht kannst Du Dir eine schöne Erinnerung von ihr gestalten. Oder Du schreibst eine Geschichte über Euch nur für Dich.
    Viel Kraft und liebe Grüße,
    Inga