Fotos: Klara Freitag
Das hier ist der zweite Teil des Textes – den Teil 1 zum Thema Muskelaufbau liest Du drüben bei wehorse. Dort steht, welche vier Regeln zum Muskelaufbau grundlegend wichtig sind, was ein Trainingsreiz überhaupt ist und welches die zwei häufigsten Fehler von Reitern sind. Nämlich: Zu viel und zu ähnlich üben oder aber das Gegenteil, nie ins wirkliche Training, das auch den Körper beansprucht, kommen.
Wichtig für die Freizeitreiter, die ihr Pferd tendenziell zu wenig körperlich fordern
Wichtig für diejenigen Menschen, die eher zu wenig als zu viel tun: Wenn wir nicht nur eine gute Beziehung zum Pferd, sondern auch ein Pferd mit guter Bemuskelung haben möchten, dann müssen wir uns um seinen Körper kümmern. Das meint auch: Es belasten. Denn genau das ist ein Trainingsreiz: Eine Belastung. Dadurch wird den Zellen in den Muskeln ein Anreiz geboten. Nur das gibt ihnen das Signal zum Wachsen. Ohne diesen sieht der Körper keine Veranlassung, sich zu verändern. Die Pause bis zum nächsten Trainingsreiz ist wichtig, damit der Muskel Zeit hat, sich zu verändern.
Proteine und Muskulatur
Futtertechnisch muss was für die Muskeln im Trog sein – sonst haben diese kleinen Kraftwerke keinen Brennstoff, sozusagen. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, ob Dein Pferd genug Protein zu sich nimmt. Damit ist der gesamte Proteingehalt gemeint, der in Heu oder Heulage plus der in Krippenfutter. Ich sage bewusst Krippenfutter, um hier nicht in den Glaubenskrieg Getreidefütterung oder getreidefreie Fütterung zu geraten. Das ist ein anderes Feld. Also: Für viele Pferde reicht gutes Heu in passender Menge zum Pferd und seiner Leistung aus, andere brauchen eine weitere Proteinquelle hinzu (und Mineralfutter, ist eh klar, oder?). Die allermeisten Freizeitreiter überschätzen die Arbeitsleistung ihres Pferdes und füttern tendenziell zu viel als zu wenig. Auch nicht gut, denn geschieht dies über einen längeren Zeitraum, können Stoffwechselerkrankungen die Folge sein. Wer es ganz genau wissen will, kommt an einer Futteranalyse durch einen unabhängigen Futterexperten nicht herum.
Überschwellige Trainingsreize
Neben dem zu wenig tun, das ich drüben bei wehorse genauer beschrieben habe (es hat sich über die Jahre verändert, bei allen Freizeitreitern und auch ich kann da leider nur sagen: erwischt! Wanderreitenundmehr hat das nämlich sehr klug in ihrem Beitrag auf Instagram vom 10.3.2019 analysiert!), ist die zu hohe Belastung ein anderes Thema. Leistungssteigerung und Muskelwachstum ist nur mit vernünftig eingesetzten Trainingsreizen möglich. Doch auch das mit Verstand. Bei wirklich überschwelligen Trainingsreizen wie Reiten unter Turnierbedingungen sollten 48 Stunden ruhige Arbeit folgen, auch, um das Sehnen- und Fasziensystem zu entlasten, empfiehlt Ausbilderin Claudia Butry. Das hat gesundheitliche Gründe: Kollagene, also zum Beispiel Sehnenfasern und Faszien brauchen 48 Stunden, damit die Aufbauprozesse wieder in einem idealeren Verhältnis zu den Abbauprozessen stehen.
Pausentage sinnvoll gestalten
Sinnvoll für solche Pausentage sind koordinative Übungen, joggen lassen, Arbeit an der Hand im Schritt oder einfach Spazierenreiten, empfiehlt Claudia Butry. Also ruhige Bewegung. Auch für Reha-Pferde, zum Beispiel welche, die nach einem Sehnenschaden wieder aufgebaut werden sollen, ist diese Regel besonders wichtig. „Ein Beispiel wäre: Im Aufbau nach einem ausgeheilten Sehnenschaden wird irgendwann der Trab wieder hinzukommen. Nach einer solchen Trabsequenz brauchen die Strukturen Zeit, um sich davon zu erholen. Dann würden idealerweise zwei Tage Schritt folgen, bevor der Trab wieder hinzukommt.“
Das Pferd überfordern
Vor jeder Entscheidung, was nun angebracht ist, mehr Leistung, weniger, gezieltere oder was auch immer, steht eine vernünftige Analyse vom Ist-Zustand. Was ja immer total einfach ist, wenn man sich andere ansieht, aber umso schwerer, wenn man das bei sich selbst erfassen soll. Hilfreich fand ich da diese tollen Zeilen zum Thema Trainingslehre, Einstellung zum Pferd und persönliche Geduld aus dem Buch „Feines Reiten auf motivierten Pferden“ aus dem fn Verlag von Uta Gräf und Friederike Heidenhof. Da steht: „Feines Reiten auf motiviereten Pferden ist unser Ziel. Und das können wir nur erreichen, wenn wir unsere Pferde weder über- noch unterfordern.“ Patentrezepte, was ein drei, vier- oder fünfjähriges Pferd können sollte, nenne sie deshalb nämlich bewusst nicht. Und sie werden noch deutlicher:
Was soll ein vierjähriges Pferd können?
„Wir möchten dafür sensibilisieren, dass der Reiter in seiner Einstellung zum Pferd überhaupt bereit ist, Rücksicht auf das Leistungsvermögen seines Pferdes zu nehmen. Es also nicht als eine Art Sportgerät zu betrachten, das die Leistung erbringen msus, welche den (ggf. hohen) Kaufpreis rechtfertigt. Banal ausgedrückt: Ein Pferd, das dreijährig 50.000 Euro gekostet hat, muss noch lange nicht in der Lage sein, in ein paar Jahren das piaffieren zu erlernen, nur weil sich sein Reiter dies wünscht. Ein Pferd ist auch kein Angestellter, der für seine Leistung „bezahlt“ wird (Futter).“
Übertrainiert oder noch nicht reif für die Lektion
Diese Einstellung, die hier Uta Gräf und Friederike Heidenhof so vorbildlich zeigen, hilft nicht nur dem Pferd. Sie ist auch zielorientiert, weil sie hilft, das, was da ist, wertfreier einzuschätzen, unemotionaler, und dadurch fairer zu entscheiden. Einjeder sollte sich fragen: Macht das Pferd freudig mit? Fallen ihm Dinge schwer und das wird nicht besser? Solche Signale sind wichtig, um das Training anzupassen – und zwar bevor das Pferd völlig demotiviert, übertrainiert und damit vermindert leistungsfähig oder frustriert ist oder aber krank wird. Manchmal geht es mit einem weiteren Ausbildungsschritt, einer neuen Lektion zum Beispiel, einfach nicht weiter. Das frustriert.
Wenn es einfach nicht klappen will
Auch hier reden die beiden Klartext: „Wenn Sie also spüren, dass sich Ihr Pferd über die Maßen anstrengen muss, gibt es nur einen einzigen Rat: Lassen Sie es sein oder warten sie eine Weile.“ Mit ‚lassen sie es sein‘ ist nicht gemeint, das Reiten an den Nagel zu hängen. Die beiden beziehen sich auf eben eine Lektion, die noch schwerfällt. Sie schlagen vor, sich zunächst auf andere Aspekte des Trainings konzentrieren und nicht das, was eh schon zu lange schwerfällt, weiter zu üben. Stattdessen Zwischenschritte einzubauen und die Lektionen, die nicht klappen wollten, nur vorbereiten und nicht zu reiten. Wochen, Monate später nochmal danach fragen, was nicht klappte. Danach kann die Welt schon ganz anders aussehen!
Ihr merkt: Ich mag das Buch und kann es nur empfehlen.
Haben Dir auch Claudias Tipps gefallen? Ich mag ihre Erklärungen sehr, weil sie stets fundiert und nachvollziehbar sind. Ende März gibt sie bei uns einen Kurs und hält ein Online-Webinar, zu dem Du Dich gern hier anmelden kannst. Es heißt „Schiefe & wie Seitengänge helfen„.
Wie sieht es bei Euch aus? Ist Euer Thema eher zu viel tun oder zu wenig?