Horsemanship mit Sarah Brummer: Über Zeichen der Entspannung

Fotos: Sarah Brummer & Hannah Aretz

 

Über eine Trainingseinheit mit Horsemanship-Ausbilderin Sarah Brummer, in der ich gelernt habe, zwischen konditionierter Entspannung und tatsächlicher Entspannung zu unterscheiden.

 

Sarah Brummer war bei mir.

Und es ist ganz komisch, darüber zu schreiben. Wir haben zwar konkrete Übungen gemacht, aber es passiert bei dieser Art von Horsemanship, wie Sarah sie lehrt, auch gleichzeitig so viel auf der fühlenden Ebene, das passt nicht so richtig in einen journalistisch-beschreibenden Stil.

Dabei ist genau diese Eigenschaft das Gute, was die Arbeit mit ihr ausmacht: Sie fühlt viel und sie weiß viel. Diese Kombination schätze ich sehr. Kommt das nämlich zusammen, dann wird das Pferd richtig gesehen und gelesen und der Mensch ebenso, und es ergibt sich ein so gutes Lern- und Beieinandersein-Klima.

Unsere erste Aufgabe war das so genannte Freundschaftsspiel. Seeehr unspektakulär, jeder kann das machen, und dennoch passiert dabei viel!

So geht’s: Ich sollte das Pferd, in diesem Fall Ailena, am ganzen Körper abtasten und befühlen und auf ihre Reaktion achten: Was mag sie, wo hält sie still, wo entspannt sie scheinbar und wo wirklich? Wo ist sie angespannt?

Kleinigkeiten am Pferd erspüren

Ailena hob zum Beispiel den Kopf, wenn ich die Hand hinter ihr linkes Ohr, in den Genickbereich, legte. Auf der rechten Seite hingegen blieb sie entspannt. Ich sollte bei so einer Reaktion (es war nicht deutlich ruckend oder so, man musste schon genau hinsehen, um den Unterschied zu bemerken), einfach eine Weile verharren und selbst Gelassenheit ausstrahlen, durchatmen  – bis die Stute selbst ausamtete, entspannte. Das funktionierte. Ich lobte sie und entfernte mich, drehte mich etwas von ihr weg. Die süße Ailena kam aber immer wieder hinterher getapst – was ich ja sehr charmant finde, schließlich hat es lang genug gedauert, bis sie mir endlich vertraute und aus einer Giraffe ein entspanntes Pferd wurde. (Später dann hat Sarah mir erklärt, dass ich ihr zu mehr Selbstbewusstsein auch ohne mich verhelfen könnte, indem ich ihr auch von etwas weiter weg ein gutes Gefühl vermittele, dass sie eben nicht immer so nah an mir sein muss dafür.)

Konditionierte Entspannungs-Signale

Sehr interessant: Ailena hatte schnell verstanden, dass ich auf diese Entspannung hinauswollte. Sarah sagte dann: „Achte darauf, dass sie wirklich entspannt ist und nicht einfach Signale der Entspannung liefert, weil sie bemerkt hat, dass Du diese lobst.“ Solche Fehlkonditionierungen können nämlich passieren – dann bekommt man ein Schnauben, ein Kauen oder so, obwohl der komplette Pferdekörper noch gar nicht entspannt ist. Fand ich sehr spannend!

Linda Tellington-Jones & Inges Beobachtung

Das erinnerte mich zudem sehr an eine Beobachtung, die mir Inge Vogel (die mit ihrem Mann damals pferdia, nun wehorse gegründet hat) von einem Dreh mit Linda Tellington-Jones erzählt hatte. Da ging es um eine Stute, die sich nicht gern an den Ohren anfassen ließ. Und um ein Pferd, das sich nicht gern beidseitig anbinden ließ. „Über wie viele kleine Signale der Pferde wir tagtäglich einfach hinweggehen!“, sagte mir Inge, selbst eine gestandene Pferdefrau, und obwohl das nur ein Gesprächsfetzen war, blieb er mir im Gedächtnis. Ich glaube, wir kennen alle kleine Signale, die wir ignorieren. Wir nennen sie vielleicht anders, nennen sie zickig, schlecht gelaunt, ideenreich oder so. Und gehen darüber hinweg, so lang sie nicht so stark sind, dass wir denken, wir müssen was dagegen tun (oder dafür!), weil wir ja noch einen anderen Plan haben für den Tag.

Nur – wie wäre es anders möglich? Manchmal reicht es schon, einfach das wahrzunehmen, dass das Pferd das unangenehm findet, aber dezent ohne Druckverstärkung dranzubleiben. Selbst Entspannung zu zeigen – so kommt das Pferd dahin, das zu spiegeln.

Druckverstärkung: Häufig sage ich da ‚Nein, Danke!‘

Ich bin weißgott kein super erfahrener Mensch im Horsemanship-Thema. Ich bin jemand, der eher nicht weiter macht, wenn irgendwas sagt, das es nicht richtig ist, sich nicht gut anfühlt. Deshalb sind auch so viele Horsemanship-Dinge, die immer mehr in die Druckverstärkung gehen, nicht mein Ding. Aber das hier, das hat mir sehr gut gefallen. Es verändert nämlich sehr viel in der Beziehung zum Pferd.

Humanship passt dazu

Seit so vier Jahren sehne ich mich immer nach dem Sommer, wenn ich Ian und Anke Benson zusehen kann bei den Kursen, die sie hier in der Region geben. Das sind nämlich die Horsemanship-Menschen, von denen ich außerdem begeistert lerne. Manchmal habe ich in ihren Kursen auch mitgemacht, oft habe ich zugesehen. Meine Handbremse war stets: Du solltest ganz gut mit Dir selbst im Gleichgewicht sein bei dieser Art zu arbeiten, denn die führt Dich zu Deinen eigenen Themen (und das ist ja nicht immer angenehm, nicht wahr?!). Das macht was mit einem. Aber ich glaube, den Zahn hab‘ ich mir selbst gezogen.

Kennt ihr das, wenn irgendwas Euch auf einmal anspringt? Ich glaube, 2019 wird mein Horsemanship-Jahr. Ich möchte mehr davon!  Mehr lernen von Ian, Anke und Sarah!

Drüben bei wehorse habe ich übrigens über den Dokumentarfilm „Stiller Kamerad“, in dem die Pferde anscheinend nach Ian Benson gearbeitet wurde, geschrieben! Ian und Anke findet ihr hier: www.humanship.co.nz, Sarah findet ihr hier: www.sarahbrummer.ch.

Welche Erfahrungen hast Du im Bereich Horsemanship gemacht? Erzähl mir gern davon, ob als PN, als Kommentar (das am liebsten!) oder auf Facebook. Ich lese sie alle!

5 Kommentare

  1. Liebe Jeannette,

    vielen Dank für diesen wie immer sehr schönen Artikel!

    Einen mir wichtigen Hinweis habe ich für Dich, weil ich den Film Stiller Kamerad auch gerade mit Freude sah: Claudia Swierczek ist Systemische Familientherapeutin und arbeitet mit der Methode EGALA. Ian und Anke Benson gehören zu den bis jetzt insgesamt 13 Dozenten, teilweise auch für Arbeit mit Pferden, bei denen sie Weiterbildungen besucht hat. Ich finde, das macht einen Unterschied.

    Alles Liebe, Sophia

  2. „<> […] Wir nennen sie vielleicht anders, nennen sie zickig, schlecht gelaunt, ideenreich oder so. Und gehen darüber hinweg, so lang sie nicht so stark sind, dass wir denken, wir müssen was dagegen tun (oder dafür!), weil wir ja noch einen anderen Plan haben für den Tag.“

    Ja, ja und nochmals ja! Das ist so essentiell, dass man diese Zeichen endlich ernst nimmt und nicht mehr drüber hinweggeht. Das verbessert die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd einfach enorm. Und die Pferde nehmen das so dankbar an. Ein schönes Beispiel, wo ich das der Besitzerin vermitteln konnte, ist eine Stute vom Typ „fass-mich-nicht-an“, streicheln, was soll der Quatsch. Innerhalb von Wochen durfte die Besitzerin sie viel öfter streicheln, nachdem sie konsequent die fass-mich-nicht-an-Zeichen respektiert hatte. Mittlerweile kommt die Stute an und zeigt aktiv, dass sie gekratzt werden will. Da staune ich heute noch drüber.

    Bezüglich konditionierter Entspannung/echter Entspannung muss ich ein bisschen korrigieren (allein bei dieser Unterscheidung krempeln sich mir schon die Fingernägel hoch ;)). Richtigerweise bedeuten einzelne Entspannungsanzeichen nicht zwangsläufig, dass das Pferd schon entspannt ist, aber dass man auf dem richtigen Weg ist. Will man also den Entspannungszustand belohnen, muss man immer das gesamte Pferd im Blick haben, um nicht frühzeitig zu belohnen (weil man nur auf einzelne Anzeichen geachtet hat).
    Den Prozess, den du beschreibst (mit der Hand hinterm Ohr), ist ein ganz klassischer Konditionierungsprozess (=Verhalten auf ein Signal hin, hier Entspannung). Das Signal ist in diesem Fall verharren + eigene Entspannung + durchatmen, woraufhin Ailena auch entspannt, dann gehst du weg = nimmst den unangenehmen Reiz (die Hand) weg, womit du die Entspannung belohnst.
    Das heißt, ja man sollte unterscheiden zwischen einzelnen Entspannunganzeichen und dem Zustand der Entspannung, aber ob dieser Zustand konditioniert ist oder nicht (also wenn es z.B. einfach entspannt auf der Weide rumsteht), macht für das Pferd keinen Unterschied, es fühlt die gleiche Entspannung, beides ist echt.

  3. Hallo Sophia, natürlich arbeitet sie nicht ihre Klienten so – ich konnte es an den Pferden sehen, dass sie sehr ähnlich zu Benson gearbeitet sind und hab dann später mal nachgefragt und es hat sich bestätigt (außer dem Hinweis im Abspann). Dass da noch komplett andere Hintergründe da sein müssen, um mit traumatisierten Menschen zu arbeiten, ist klar (dachte ich ;o))

    Liebe Grüße!

  4. Hallo Svenja, danke für den langen Kommentar! Das Beispiel der Stute ist sehr gut, denke, das macht vielen noch mal deutlich, dass man eben nicht bei „sie mag das halt nicht“ verharren bleibt, wenn man darauf Rücksicht nimmt und eingeht.

    Unterscheidung Entspannung / konditionierte Entspannung: Warum krempeln sich Dir die Fingernägel hoch bei der Unterscheidung? Ich glaube es ist super wichtig zu wissen, dass sowas vorkommen kann und man eben das Pferd in seiner Gesamtheit ansehen sollte und nicht nur diese einzelnen Bausteine angucken sollte. Mit „Sowas“ meine ich: Dass man es eben nicht registriert, dass das Pferd noch nicht komplett entspannt ist, geistig entspannt, und nur das Kauen, Kopfsenken als Entspannungsidealzustand deutet und wahrnimmt. Und daher gar nicht merkt, dass das Signal keine Entsprechung im gesamten Pferd findet.

    Deine Erklärung ist ja da ziemlich ähnlich. Konditionierte Entspannung ist für mich auch nichts Negatives. Ich nutze das schon lange Zeit, ohne es so zu nennen (Halssenken nach Linda Tellington-Jones ist im ersten Moment auch nur konditioniertes Entspannen, bis dann der Körper und Geist im Rest folgt). Also: ich komm‘ nicht darauf, was Dich da so ankratzt.

    Denke aber diese Passage ist für viele etwas unklar, oder wirft mehr Fragen auf. Eine andere Frage war: Darf ich denn jetzt kein Schnauben mehr loben? Doch, klar. Aber man sollte immer hinsehen, ob das eine mögliche Antwort vom Pferd war, so nach dem Motto „Ach das wolltest Du bestimmt“ , ich biete dem Menschen mal was an! oder ob das Signal zum Körperzustand passt.

  5. hallo jeannette, danke – ich meinte nur, dass ian benson nicht ihr einiziger lehrer ist.. : ))) sondern ihre arbeit aus verschiedenen richtungen informiert ist… jedenfalls – seinen namen im abspann habe nun ich wieder nicht gesehen .. : )! alles liebe – sophia