Über Königinnen der Selbstzerfleischung und Anfänger, die meinen alles zu können.

Reiten lernen ist schwer genug, sich selbst nicht ganz ernst zu nehmen hilft da sehr. Sorry für den genervten Pferdeblick – Fee hatte keine Lust mehr. Und hat es dennoch brav mitgemacht. Danke, Du da oben. Foto: Klara Freitag

 

Weshalb sich Halb-Könner im Reiten gern überschätzen. Und Könner gern jedes Bild von sich auf dem Pferd mit Argusaugen betrachten.  

„Also Reiten, das ist echt einfach!“ erzählte mir mal jemand, der gerade im Stande war, sich im Schritt, Trab und Galopp im Sattel zu halten. Das andere Extrem begegnete mir erst vor zwei Wochen: „Ich bin ja schon schlimm, aber meine neue Ausbilderin ist wirklich die Königin der Selbstzerfleischung!“ erzählte mir eine sehr gute Reiterin.

 

Genau diese beiden Extreme begegnen einem ständig im Reiterleben. Je mehr man weiß und lernt, desto mehr wird einem klar, wie weit der eigene Weg noch ist.

 

Die Lösung: Der Dunning-Kruger-Effekt
Letztens im Radio hörte ich von einer psychologischen Theorie, die genau diese beiden Aussagen erklärt: Den Dunning-Kruger-Effekt. Der besagt, dass je weniger Ahnung jemand von einem Thema hat, desto mehr überschätze er seine eigene Fähigkeiten. Zugleich unterschätze er die Fähigkeiten von Experten oder erfahreneren Personen. Ich konnte innerlich nur ausdauernd nicken –  denn dass ist es doch genau, was da bei den Reitern abläuft.

 

Was bei Schachspielen, Autofahren und Reiten gleich ist
Reiter testeten die beiden Forscher nicht. Justin Kruger und David Dunning nahmen sich zum Beispiel das Schachspielen oder Autofahren vor. Sie fanden heraus, dass unwissende Leute mehr Selbstvertrauen hatten als erfahrenere, mit mehr Wissen ausgestattete Testpersonen. Die Unerfahrenen überschätzten sich, erkannten überlegene Fähigkeiten bei anderen nicht und auch nicht das Ausmaß ihrer eigenen Unwissenheit. Bei Reitern, so mein Eindruck, passiert das aber nicht nur den blutigen Anfängern. Wohl jeder, der unterrichtet, kennt Phasen seiner Reitschüler, in denen sie nicht abschätzen können, wie weit sie noch vom Ziel entfernt sind. Oder, im Gegensatz dazu, den tatsächlichen Meilenstein nicht wahrnehmen. Weil er vielleicht unbedeutend erscheint, aber so wichtig für alles weitere ist.

 

Diese Studie passt doch irgendwie sehr zum Reiten. Je mehr man lernt, desto mehr weiß man, was noch alles fehlt.

 

Deshalb mag ich dieses berühmte Sokrates-Zitat so:

Ich weiß, dass ich nichts weiß.

 

Denn das macht offen fürs ständige Weiterlernen, und das brauchen wir Reiter so sehr. Fast alle, fast immer wieder.

 

P.S.: In der sehr zu empfehlenden Ausgabe der Feinen Hilfen über so genannte Problempferde erzählen erfahrene Ausbilder von den Pferden, die sehr anspruchsvoll für sie waren. Darin schreibt zum Beispiel Bent Branderup, dass ein Leben eh‘ nicht reicht, um Reiten zu lernen. Solche Gedanken haben also auch Leute, die schon sehr viele Pferde und Ausbildungsstunden in  ihrem Leben auf dem Zettel haben (keine Werbung, sondern meine aufrichtige Meinung!).

2 Kommentare

  1. Super Artikel. Ich wohne in Neu Seeland, wo das ganz besonders zutrifft. Ich weiss hier als Berufsreiter, mit ca. 30 Jahren Erfahrung gar nichts, gemäß den wirklich schlechten Reitern hier. Sehr traurig, finde ich.

  2. Oh Britta, das klingt nicht gut. Ist auch traurig, finde ich auch. In solchem Umfeld selbst den Fokus auf das ‚Warum mach‘ ich das‘ nicht zu verlieren ist manchmal echt auch kein Kinderspiel. Aber wichtig dennoch!