Unvernünftige Tipps für das bessere Reiten Teil 1

Grippe-Bild

Das Grippetier hatte sich kräftig in meinem Körper breitgemacht. Kopfweh, Nase lief, Stimme weg. Nicht gut.

Dabei war heute doch mein Unterrichts-Tag. Von langer Hand geplant, weil mit Pferd der Reitlehrerin, 60 Kilometer entfernt, da geht der ganze Vormittag für drauf.

Es ist für mich eine Insel im Alltag, dass ich mir ab und zu so viel Zeit nehme für diesen besonderen Unterricht.

Und jetzt das. Klar hat sich das Kranksein angekündigt, aber ich hab von Tag zu Tag gehofft: ach, das geht schon. Morgen ist es besser. Ich habe brav Tee getrunken, Zitronen ausgepresst, Fußbäder gemacht und bin früh ins Bett gegangen.

Nix da, an diesem Tag war es schlimmer als zuvor. Sollte ich jetzt doch noch absagen? Weil ich ja wahrscheinlich eh halbgeschwächt eine miserable Stunde abliefern würde? Nein, entschied ich. Alles ist so geplant, und wann passt es schon mal in meinen Terminkalender und den meiner Trainerin. Ich bin gefahren.

Ich schleppe mich krank auf’s Pferd

Die Entscheidung fühlte sich richtig an. Ich stieg ins Auto und klopfte mir innerlich auf die Schulter, dachte: wow, toll, dass Du es machst. Egal wie, aber machen. Das ist gut. Großartige reiterliche Ansprüche an mich hatte ich dann nicht mehr. Die Strecke zu Sara Oliveiras Stall ist immer so schön, dass ich denke, ich muss mich kneifen, wie hübsch ist das hier! Belgiens sanft geschwungene Hügel, steinernen Dörfchen, Patisserien und Cafés, an denen man vorbeifährt. Diesmal begleitet von Wintersonne, knallblauem Himmel und schneebedeckten Hügeln.

Romantisch sah es nur außerhalb meines Autos aus. Innen häufte ich einen Berg Taschentücher an für die Nase und für die Augen, die tränten nämlich so richtig schön vor lauter Kranksein.

Und es fluppt. 

Das Verrückte: Das Pferd ging besser als je zuvor. Nein, falsch: ich ritt das Pferd besser als in den Stunden davor.  Denn das Pferd kann einiges. Es war locker, es blieb bei mir, es kamen ein paar schöne Linien zusammen (Schenkelweichen im Trab auf der Diagonalen, mit Übergängen in der Lektion, Schulterherein auf dem Zirkel, ein bisschen Travers). Pferd war zufrieden mit mir, es kaute fein und war locker. Meine Lehrerin, Sara Oliveira, sagte: „Du hast Dich wirklich verbessert seit dem letzten Mal! Ich lasse Dich mal die Piaffe fühlen!“ Sie half vom Boden mit, und ich kam in den Genuss, ihr wunderbares Pferd in dieser Lektion zu reiten. Hui, natürlich habe ich mich total gefreut. Es lagen Wochen zwischen dieser Stunde und der vorherigen, Wochen, in denen ich natürlich an meinen Fehlern gearbeitet hatte. Aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich deshalb in dieser Stunde besser war. Ich denke, es hat etwas mit der inneren Haltung zu tun.

Ich bin da hingegangen, ohne große Erwartungen an mich zu stellen. Schlepp’ ich mich krank aufs Pferd, gebe ich mir innerlich schon mal einen Bonus. Klar strenge ich mich an – aber ich habe keinen Ehrgeiz, es besser als sonst zu machen. Ich verkrampfe nicht, ich lass die Aufgaben auf mich zukommen und gebe dann das in diesem Moment Beste.

Die Krankheit schenkte mir also Fokus: Ich bin im Moment, es gibt keinen inneren Monolog, der parallel zum Unterricht in mir abläuft.

Im Geheimen Singen & Reiten

Das ist kein Loblied auf das Reiten, wenn man krank ist. Es zeigt nur, was möglich ist, wenn man sich von eigenem Erfolgsdruck frei macht. Anderes Beispiel: Letztens, 19 Uhr, regnerisch, solch eine feuchte Kälte, die von unten herankriecht. Die Reithalle ist mit Unterricht besetzt, das Pferd muss noch bewegt werden. Ich bin schon seit zwei Stunden am Stall, weil das Kind so gern das Pferd tüddeln wollte. Jetzt wird das Kind abgeholt und ins Bett gesteckt, ich kann anfangen zu arbeiten. Will ich das noch?

Klares Nein. Ich will Tee, Sofa, Decke, Buch oder Fernsehen. Aber: Geht nicht. Pferd braucht Bewegung, wissen wir doch alle. Also schnappe ich mir das Pferd im REGEN, im fiesen, kalten Regen, und gehe auf den Außenplatz.

Knipse das Licht an, bin alleine mit Pferd. Und singe los. Ich kann nicht singen. Es klingt furchtbar. Aber es macht mich glücklich. Hier hört’s ja keiner. Außer das Pferd.

Heldin sein

Ich denk so: Du Heldin des Alltags, jetzt noch im Regen reiten. Ich mach mein Pferchen locker, ich singe, es schnaubt, ich muss grinsen, es ist so sehr bei mir, das Pferdchen, schwingt so schön, es biegt sich so schön, es ist eine Freude. Mag mein Pferd meinen Gesang? Mag es lieber im Dunkeln und im Regen reiten?

Wohl kaum. Ich bin ein besserer Reiter als sonst.

Meine Fee war megalocker, ich danach total glücklich. Und warum? In mir war kein falscher Ehrgeiz, vielleicht daher weniger Anspannung und Verspannung als sonst. Mehr Balance, und kein eigener Kommentar im Kopf zu den eigenen Reitkünsten. Innerer Kritiker schwieg, ich sang. Ich habe einfach nur gemacht. Es war eine der schönsten Stunden im Sattel in der letzten Zeit. Das wirkt Wunder. Es macht die Tage, die am furchtbarsten anfangen, manchmal zu den Schönsten.

Also, bad days, Hiobsbotschaften, Krankheiten, schlechtes Wetter: kommt nur her. Ich klau’ mir das Beste aus euch heraus.

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P.S.: Beide Gegebenheiten hängen natürlich nur zufällig zusammen. Erst das im Regen reiten, dann das mit Krankheit reiten. Verrückt.

P.S. P.S.: Dieser Text erscheint auch im Magazin der pferdiathek, HIER. Hier könnt Ihr drei Mal pro Woche einen Text aus meiner Tastatur lesen.

2 Kommentare

  1. Danke Jeannette- habe mich gestern auch nachts und spät und müde noch zum Pferd geschleppt. Und es war toll! Mit Sternenhimmel und riesigem Mond als Zugabe- denke dann immer an Deine Motivationstexte;))