Was Instagram-Bildmotive mit uns & den Ansprüchen ans Pferd machen

 Fotos: Klara Freitag

Ich habe mit Klara Freitag ein Bildprojekt gestartet, bei dem wir typische Instagram-Motive nachstellen und mit der Realität abgleichen. Die erste Folge davon, das Nachtkleidchen-Motiv und die Analyse dazu, warum es so viele mögen, findet ihr auf wehorse.

 

Ich heirate ein Pferd

Das typische Fotomotiv Pferd plus festliches Kleid steht dem Nachthemdmotiv nahe. Allerdings ist es meist weniger filigran, aber noch beziehungslastiger aufgezogen. Da stehen Frauen neben ihren Pferden, als ob sie die heiraten wollten. Man könnte Pferd und Mann per Photoshop austauschen und niemandem würde etwas auffallen. Ganz klar zeigt es, wie sehr sich viele wünschen, ihre Bindung zum Pferd in ein Bild zu gießen. Aber es stellt eben auch eine unfassbare Überhöhung dar. Einen total interessanten Kommentar dazu hat Julia mit dem Account namens „Schnixie“ auf instagram geschrieben. Sie sagte dort: „Die innige Verbindung zum Vierbeiner hoffen manche durch sehr romantische Bilder zu unterstreichen, so nach dem Motto: Seht her, wie innig wir sind! Das ist ja offenbar sehr erstrebenswert in der Pferdewelt. Unsere Kuschelfotos sind allesamt mit Pferdekeksen im Schoß entstanden. Ich finde das krass, was es da inzwischen für einen Hype gibt, es scheint ja die Sehnsüchte der Menschen wieder zu spiegeln. Heute reden ja alle davon, dass man dringend immer diese innige Verbindung haben muss, um ein echter Horseman zu sein. Ich sage nur #beone und #twohearts. Haste das nicht, biste kein guter Pferdemensch. Wird daher wohl gern plakativ unterstrichen.“

Recht hat sie mit den Leckerlis – wo Innigkeit draufsteht, ist noch längst keine drin. Solche Tricks wie Leckerchen oder Pferdestimmen per App abspielen, damit die Ohren auf dem Bild gespitzt sind, sind üblich (warum auch nicht?). Interessant auch, dass sie die Hashtag-Kampagnen anspricht. Die Grundidee der #twohearts Kampagne finde ich gut (Was macht den Sport einzigartig? Dass zwei Individuen ihn gemeinsam ausüben.) Doch diese Kampagne des Weltreiterverbandes bekam von Anfang an mit der Auswahl der ersten Werbebotschafter eine Schieflage. Da warben internationale Reiter, die nun wirklich für alles andere als pferdefreundliches Reiten bekannt sind, für #twohearts, was das Ganze unglaubwürdig und abstrus erscheinen ließ.

Die Bindung zum Pferd wird stark beschworen, zur Normalität erklärt, auch wenn sie in der Realität selten in gleicher Intensität vorliegt. Diese Überhöhung macht was mit Menschen: Unzufriedenheit mit dem, was wirklich da ist zum Beispiel. Der Wunsch, schneller zur Einheit zu kommen, führt vielleicht auch zu Abwegen. Zu Schnelllösungen, die eher vom richtigen Weg abbringen. Denn tatsächlich entsteht Bindung durch korrektes Agieren, Geduld und Zeit.

Dass es normal zu sein scheint, eine vollendete Bindung zum Pferd zu haben, macht vor allem etwas mit jungen Pferdeleute, die mit Ostwind-Kinofilmen und stark bearbeiteteten Instagram-Bildern aufwachsen. Mehr als alles andere sind deshalb Vorbilder im echten Leben so wichtig, um den Wunsch und die Realität abzugleichen.

 

Sportlich-stylisch versus „Hauptsache noch irgendwie zum Pferd“!

 

Wo ich bei allen anderen Motiven dieser Serie mit mir im Reinen bin, und es mich nicht wirklich juckt, nicht hübsch gestylt zum Pferd zu erscheinen, da prallen in diesem Bilderpaar meine eigenen unerfüllten Ansprüche gegeneinander.

 

Bei diesem Motiv geht’s um die Ansprüche an uns im Bezug auf Fitness. Überall werden wir mit sportlichen Idealen zugeballert – Sportsachenwerbung zeigt uns, wie attraktiv man sein kann, wenn man sich quält (was auf diesen Bildern nie nach Qual aussieht), Reitsportmagazine erklären uns ständig, wie wir fit werden und wie wir unser Pferd fit machen (ja, auch ich mache das in vielen meiner Artikel und finde es ja auch sinnvoll).

 

Auch ich finde Sport toll, er tut mir gut und ich würde so gern mehr davon machen! Aber ich habe nur 24 Stunden am Tag und im Prioritäten-Wettbewerb verliert Sport häufig. Eure Kommentare auf Instagram zu diesem Bilderpaar waren ganz toll – so viele Gedanken über Ansprüche an sich, über Lebensphasen, über was man muss und soll und oder doch nicht sollte. Was mühelos aussehende Outfitposts auf jeden Fall machen: Eine Normalität beschwören, die für die wenigsten zutrifft. Das finde ich besonders bei Sport schade, denn eigentlich sollte Sport für den nicht-Leistungssportler ja ein Druckventil sein. Etwas, das einen Ausgleich schafft und gut tut. Und keine Sache, wo der Erfüllungsdruck vor dem Erlebnis selbst steht.

 

Dutt & Uralt-Stalljacke

 

Das typische, schicke Instagram-Bild: So gut wie nie würdet ihr mich mit Dutt und Ohrringen am Stall antreffen. Aber genauso hergerichtet sehen sie häufig aus, die Modelle in Reitsport-Katalogen. Die für Kleidung werben, die wir dann beim Kehren der Stallgasse anziehen sollen. Bisschen verrückt ist das schon. Der Realitätsabgleich: Auf dem anderen Bild seht ihr mich mit der schnellsten Frisur der Welt und in einer Aldi-Jacke, die mal vor Jahren als Skijacke in diesem Supermarkt verkauft wurde. Billig und relativ wahrscheinlich nicht ethisch einwandfrei hergestellt. Allerdings ist sie sehr warm. Deshalb hängt sie als Notfall-Jacke in meinem Spind. Falls ich mal mit guten Klamotten am Stall bin und schnell etwas überziehen muss. Oder wenn es doch kälter als gedacht ist. Dann packe ich sie aus.

 

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Ich kann mich für gute Kleidung durchaus begeistern! Vor allem für tolle Schnitte und geschickte Details. Doch ich empfand es vor allem in meinen 20ern als den wahren Luxus, auch mal hässlich rumlaufen zu können. Weil man weiß, man könnte es im Handumdrehen ändern. Und weil man damit den Beweis vor sich selbst hat, dass man niemandem beweisen muss, wie beliebt, attraktiv oder whatever man ist (was an sich dann doch wieder etwas verquer ist – denn warum muss man sich so etwas beweisen?).

 

Die viel wichtigere Frage ist: Wie fühlt man sich, während man top-gestylt oder ausschauend wie Nachbars Lumpi herumläuft? Es ist ja nicht so, dass man sich automatisch super fühlt, wenn man sich Mühe beim Äußeren gegeben hat. Es ist durchaus möglich, sich supertoll und attraktiv zu fühlen, während man in etwas mit der Attraktivität eines Sacks steckt. Oder aber man fühlt sich furchtbar hässlich und voller Selbstzweifel, obwohl man sich sehr viel Zeit fürs Styling genommen hat.

 

Wie ist das bei Euch? Steht ihr in Ställen, in denen gewisse Marken zum guten Ton gehören? Sind Tage, an denen ihr Make-up tragt eher welche, an denen ihr Euch schlechter oder besser als sonst fühlt? Tragt ihr Nagellack, künstliche Wimpern oder aufwendige Frisuren im Stall? Oder tragt ihr alte normale Klamotten im Stall auf? Ich würde mich über ein paar Gedanken von Euch zu dem Thema freuen.

 

Ihr habt schon so tolle Kommentare auf Instagram hinterlassen, in welchen Monturen ihr beim Pferd erscheint – in Jogginghose, Schlafanzug und Gummistiefeln und und und. Wie gern würde ich mal Eure #reallife Bilder sehen! Wer mutig ist, postet mal eins – mit dem Hashtag #alifewithhorses finden wir die auch alle!

 

 

10 Kommentare

  1. Toller Beitrag liebe Jeanette! Da folge ich Deinem Beispiel gerne und war so mutig, eine nette kleine Collage auf Insta zu stellen, versehen mit Deinen Hashtags.

    Ich arbeite zwar im Büro, bin aber keine typische Bürotante und habe morgens um 5 auch absolut keine Lust, mich ewiglich zu schminken und zu stylen. Ich schlafe lieber 5 Minuten länger 😀

    Kleidung und Outfit müssen bequem und zweckgerecht sein. Da ich dann nach Feierabend zum Stall durchdüse, schlüpfe ich auch fast immer nur aus der Jeans ins die Reithose. Haare irgendwie zusammengezwirbelt, vielleicht ein bisschen Maskara im Gesicht, das war es. Ganz oft bin ich auch komplett ungeschminkt unterwegs. Und es interessiert mich nicht. Weder wie ich gekleidet bin, noch wie ich aussehe. Dem Pferd ist es eh schnuppe und meinen Stallkollegen auch 😀

    Natürlich gibt es auch Bilchen von der geschminkten und gestylten Tante, geknipst kurz vor dem Aufbruch zum Sommerfest und zur Oktoberfest-Schnitzeljagd. Bestimmt wird es auch irgendwann wieder ein Shooting mit Pferd geben, vielleicht mit Motto, vielleicht aber auch einfach nur so. Vielleicht kommt da dann auch ein Bildchen für den Insta-Schein bei rum. Vielleicht aber auch nicht. Mir ist Authentizität einfach wichtiger als der schöne Schein auf Bildchen.

  2. Dieses Phänomen der „schönen Bilder“ beobachte ich schon eine Weile, und zwar ziemlich ambivalent. Ich kann mich schon an der Präsentation, dem Ensemble von Hintergrund, Licht, Pferd und schönem Kostüm erfreuen. Aber dieser Aufwand, diese Eitelkeit! Eine Freundin von uns macht großartige Pferdebilder und würde uns gerne mal fotografieren, aber wir haben jetzt schon 2 Jahre die Rapsblüte, die Mohnblüte, die Sonnenblumen, das Herbstlaub und den Neuschnee verpasst. Die Fohlen sind längst groß, der Reitrock schon wieder dreckig. Bei meinen schönsten Sternstunden zu Pferd und am Boden war keine Kamera dabei. Werde ich mich noch erinnern, wenn die Pferde alt sind, wenn ich vielleicht nicht mehr Reiten kann? Unter diesem Aspekt – ein Erinnerungsfoto unserer besten Zeiten, vom Profi fotografiert – möchte ich auch eines haben. Aber das hängt dann 50×80 im Wohnzimmer, nicht bei FB und Insta.

  3. Hallo Sophie, musste sehr grinsen bei Deiner Beschreibung „die Mohnblüte etc. verpasst“! Ich kann nur sagen: Seit ich den Blog habe, gibt es endlich Fotos von den Pferden. Und das ist so viel wert. Ich habe sehr viele schöne Fotos von meiner verstorbenen Stute. Von meinem Ponywallach, der auch sehr wichtig in meinem Leben war, gibt es nur eine handvoll und kein wirklich gutes Bild. Er starb, bevor ich so viele Fotos wegen des Blogs machen ließ. Das ist sehr unromantisch, die Ursache, aber es zeigt mir, dass es wirklich gut ist, feste Termine für Bilder zu haben. Geht auch ohne Mohnblüte ;o)). Liebe Grüße, Jeannette

  4. Hi Patricia, das mit dem Schlafen kann ich voll gut verstehen, und bei Zwirbeln und Mascara bin ich auch dabei! :o)) Liebe Grüße von Jeannette

  5. Ganz klar Fraktion alte, abgetragene Kleidung am Stall anziehen 😀 Dann hat die wenigstens noch ne sinnvolle Verwendung, das gesparte Geld kann ich für wichtigere Sachen ausgeben und das liebe Pony kann so viel Schnodder und Spucke an mir abputzen wie es will, ich bin ihm trotzdem nicht böse.
    Trotzdem ist es hin und wieder auch mal ganz schön nicht wie Nachbars Lumpi im Stall rumzulaufen, einfach weil es gut aussieht und das Selbstbewusstsein stärkt. Wann ich das mache, ist aber ganz unterschiedlich, mal weil ich mich gut fühle und das unterstreichen möchte, mal weil ich mich mies fühle und davon ablenken will.

    Zu den Social Media Bildern muss ich sagen, ich finde das gar nicht schlimm (rein auf mich bezogen). Ich guck mir gerne schöne Bilder an und finde es gut, wie die Qualität der Bilder im Laufe der Jahre zugenommen hat. Weil ganz ehrlich, ich will mir keine hässlichen, unprofessionnellen Bilder anschauen, davon kann ich selber genug machen. Was natürlich nicht heißt, dass ich mir nicht über die Gefahr im allgemeinen bewusst bin. Die Bilderserie gefällt mir daher auch sehr gut!

  6. Hi Svenja, so direkt hat das noch niemand hier oder auf Instagram gesagt, „ich will mir keine hässlichen, umprofessionellen Bilder anschauen“! Aber stimmt ja auch! Es ist ja Zeit, die wir den Bildern geben und klar will ich dann auch als Betrachter das Gefühl haben, dass es sich lohnt. Was lohnen meint, ist dann für jeden wieder anders, denke ich. Liebe Grüße! Jeannette

  7. Liebe Jeannette,

    im Kleider-Abteil unseres Schlafzimmers liegt auf einem Hocker meine allerliebste Garnitur: Eine ausgefranste Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Das sind die Sachen, die ich morgens anziehe, sobald ich eine Zehe aus dem Bett strecke. Dann gehe ich nämlich füttern.Oder Pferde von der Koppel holen. Oder Pferde angucken, nur so, weil meine Haltergemeinschaftskollegin schon gefüttert oder geholt hat.
    Dass das so ist, bedeutet für mich ein immenses Stück Lebensqualität.Jipiiii, morgens erstmal UnhübschKlamotte, toll! Und meine Familie liebt mich trotzdem! Und wenn ich ganzganz superfaul bin? Dann gibt es die Jeans auch mal mit Nachthemd drüber…

    Diese sagenhafte Eitelkeit,mit der sich Leute heute ablichten lassen und die Bilder dann öffentlich machen, greift ja nicht nur bei Reiterinnen um sich. Da wird das graue Mäuschen zur Schönheit, und das ist ja auch toll- mir wäre es peinlich, wenn man mich vor lauter Schönheit nicht mehr erkennt. Und zu dem Piaffe-Bild, mit , aem sich die Hälfte aller Reiterinnen abbilden lässt, wenn es denn nicht der Galopp übers Stoppelfeld ist (Haare bitte wehend) , also zu diesem Bilde bringe ich es schon reiterlich nicht mehr…

  8. Hallo, wirklich sehr gut geschrieben.
    Auch ich bin ja nicht gefeit vor den „Pferdemädchen“ Bildern. Als ich letztes Jahr festgestellt habe, das ich mit meinem Pferd schon 10 Jahre gemeinsam unterwegs bin, wurde in mir tatsächlich auch der Wunsch nach einem etwas romantischeren Bild wach. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur Bilder aus dem Turniersport von uns. Und ich muss ehrlich sagen, es war eine tolle Erfahrung. Im See ohne Sattel mit Dirndl und Blumenkranz. Aber trotzdem war es irgendwie noch authentisch. Allerdings darf man nicht die Realität aus den Augen lassen, dass das nicht der Alltag ist. Für mich war es eine interessante Erfahrung einmal zu sehen, wie diese Bilder gemacht werden. Und auch, dass jeder das hinbekommt 😉
    Aber das spiegelt auf keinen Fall wider, wie innig die Bindung ist, was man für ein toller Pferdemensch ist, etc. Daran arbeiten wir tagtäglich. Mit dem hässlichsten Messie-Dutt der Welt und der ältesten Jacke bei Schlamm und Dreck. Weil es unseren Pferden nämlich egal ist, wie wir ausschauen!

  9. Mag ich sehr, deinen Kommentar, Alexandra, weil er beide Ebenen echt gut weitergibt. Der Wunsch nach Erinnerungen per Bild, auch stilisiert, und den Weg zu einer echten Beziehung Tag für Tag. Liebe Grüße! Jeannette

  10. DANKE für die tolle Insta Story 🙂 ich habe mal an Weihnachten ähnliche Fotos gemacht…. eigentlich aus Wut und Trauer, weil wir am 1. Feiertag Hochwasser im Stall hatten…. die werde ich morgen gerne mit dem Hashtag veröffentlichen !!
    und es war Inspiration für ein kleines Video auf meiner Fanpage…

    Wie oft ist es einerseits „gemacht“… die schönen Bilder… wie du oben schreibst

    und wie oft ist es leider durch Stress, Schmerz und andere innere Themen, dass wir weg sind von dem Jetzt, unserem Pferd und der möglichen Gemeinsamkeit.

    Immer wieder eine Herausforderung ! Ehrliche Liebe und Begegnung zu leben.

    Und wenn wir unsere Pferd mitsprechen lassen, dann sind sie doch eine große Hilfe, will sie hinter jede Fassade schauen 🙂