Selbst züchten, Absetzer kaufen, rohes Pferd kaufen – meine gute Dame ist schon etwas älter, und um diese Alternativen kreisen meine Gedanken oft. Selbst fertig machen ist für mich klar, und all die Vor- und Nachteile der jeweiligen Konstellationen auch. Es kämpfen Vernunft und Herz. Wie erfrischend fand ich es da, als wir vor ein paar Tagen ausritten, und eine Reitkollegin von ihrer Zweijährigen erzählte und aus tiefstem Herzen, fast seufzend, sagte: „Ein eigenes Fohlen, das ist das Allerschönste!“ Dazu muss man wissen: Sie ist keine Träumerin. Für ihr Fohlen hat sie sich eine sehr gute Leihstute ausgesucht. Sie ist jemand, der die Szene kennt, der Pferde beurteilen kann, der Zahlen kennt. Überwiegend also ziemlich rational. Und gerade deshalb fand ich das schön: Weil sooo viel Sehnsucht in diesem Satz lag.
Fragt sich: wie machen das eigentlich die Profis? Sich ihre Youngsters aussuchen? Ich freu mich immer wie Bolle, wenn ich solche Sachen dank meines Jobs Leute fragen kann, die wirklich Ahnung haben. Also: Hier sind sie, die Antworten darauf von Profis aus den Disziplinen Dressur, Springen, Vielseitigkeit und des Islandpferdesports.
Wie man ein gutes Pferd erkennt
Na so kann’s gehen: Die Islandpferdetrainerin Rosl Rößner sollte für einen Züchter dessen Jungpferdeherde preislich einschätzen. Drei Tage lang machte sie Bodenarbeit mit den jungen Pferden. Sie verguckte sich dabei selbst in eins, das einen besonders starken Charakter und eine tolle Präsenz hatte. „Dummerweise habe ich dem Züchter einen recht hohen Preis für das Pferd genannt, er selbst hatte die junge Stute günstiger eingeschätzt“, sagt sie und muss heute noch darüber lachen. Doch da war es schon geschehen um sie, sie kaufte die Zweijährige selbst. Den Kauf hat sie nie bereut: „Das war kein einfaches, aber ein imponierendes Pferd. Die Stute ist Deutsche Meisterin geworden und ist ein klasse Sportpferd“, sagt die Ausbilderin. Die Gangveranlagung will sie auch bei den jungen Pferden im Freilauf sehen, „wenigstens ein paar Tritte Tölt in den Übergängen“. Vor allem für den Freizeitreiter sei das wichtig: „So ist der auf der sicheren Seite und die Ausbildung dauert nicht ewig, bis das Pferd eingetöltet ist!“
Der britische Dressurstar Carl Hester achtet vor allem auf ein gutes Hinterbein:
„Wer ein Dressurpferd kauft, der sucht sich vor allem ein gutes Paar Hinterbeine aus“
sagte der Profi dem britischen Magazin Horse&Rider. Viel weniger sollte man auf den Trab achten, der doch immer so im Blickfeld steht: „Man kann sich Schritt und Galopp als Grundveranlagung kaufen. Den Trab allein kann man durch das Training entwickeln.“ Der Brite, der die beiden Spitzenpferde Valegro und Uthopia zu dem machte, was sie sind, kauft gern zweieinhalbjährige Pferde. Zu dem Zeitpunkt sei gute Qualität noch wirklich erschwinglich, und eine Sicherheit, dass die Pferde mal Grand Prix gehen, die hätte man auch nicht wenn man vierjährig kauft.
Toni Hassmann achtet auch bei seinen Springpferden auf „drei gute Grundgangarten, das ist schon mal die halbe Miete, dass die auch gut springen können!“ Es ist ihm wichtig, im Sattel zu fühlen, wie sich das Pferd springt: „Man fühlt das Vermögen oft besser im Sattel, als das man es von unten sehen kann.“
Der Klick beim zweiten Blick
Manchmal brauchen auch Profis eine zweite Chance, um das wahre Potential zu sehen. Toni Hassmanns Cotopaxi ist das Pferd in seinem Stall, dem er die größte Karriere prophezeit. Doch als er ihn zum ersten Mal ritt, als eines von drei Verkaufspferden, da wählte er ihn nicht aus, sondern kaufte ein anderes Pferd. Die spätere Käuferin von Cotopaxi stellte ihn dann zu Toni Hassmann. Doch was in Cotopaxi drin steckt, das merkte der erst auf dem ersten Turnier: „Er fühlte sich dort an, als ob er einen Schalter umgelegt habe. Viel pfiffiger und ganz anders vom Springablauf her!“
Die Erfahrung, dass sich ein Pferd auf dem Turnier ganz anders präsentiert als zuhause, kennt auch der Bundestrainer der Junioren und Jungen Reiter im Springen, Lars Meyer zu Bexten: „Bei den wirklich ganz guten Pferden merkt man, dass die noch mal zehn, zwanzig Prozent mehr geben auf dem Turnier.“ Oft zeige sich tatsächliches Talent im Alter von acht, neun Jahren, wenn die Pferde an Drei-Sterne-Prüfungen herangeführt würden und sich die tatsächliche Einstellung des Pferdes zeigen würde. Das sieht Vielseitigkeitsreiter Andreas Ostholt ähnlich: „Ob ein Pferd das Allerletzte kann und will, bemerkt man dann doch immer erst, wenn es dort angekommen ist.“
Lars Meyer zu Bexten kauft gern Pferde, die schon gut vier Jahre alt sind. „Früher habe ich ganz junge Pferde nur nach Freispring-Leistung gekauft, das mache ich nicht mehr“, sagt er. „Da kauft man dann ein stückweit Hoffnung mit.“ Mindestens ein paar kleine Sprünge sollten unter dem Reiter zu sehen sein. Denn leider lehrt die Erfahrung, dass gutes Freispringen keine Garantie für gutes Springen unter dem Reiter ist. Auf Rittigkeit legt er wert – denn wenn die Qualität doch nicht für ganz oben reicht, soll der Nachwuchs wenigstens ein gutes Reitpferd im Amateurbereich werden.
Ein Beispiel dafür, dass es richtig sein kann, an ein Pferd zu glauben erzählt Andreas Ostholt: „Lady Lemon FRH war mein erstes Erfolgspferd: Sie sollte damals als Sportuntauglich zurück zum Züchter. Ich habe sie diverse Male unter verschiedenen Reitern gesehen. Aalig, wackelig, aber Sie hatte was. Sie hat mich einfach angezogen. Nicht wirklich zu beschreiben, es war einfach so ein Gefühl. Sie hat einfach Alles für mich gegeben und wir sind miteinander gewachsen.“
Ein voller Tank
Wichtiger als bei anderen Sportpferden ist beim Vielseitigkeitspferd der gute Schuss an Vollblut im Papier. Und diesen Einschlag will Vielseitigkeitsprofi Andreas Ostholt im Papier sehen, aber auch schon in der Optik: „Am liebsten ist mir beidseitiger Bluteinschlag, ideal finde ich 50 Prozent. Typ ist wichtig für den Amateur und Jugendbereich. Im Seniorenbereich zählt dann beides. Die Pferde können noch so blütig aussehen, doch wenn im Papier der tatsächliche Spritzer Blut fehlt, ist dann nach zehn oder elf Minuten ist doch auf einmal, trotz intensivem Training, der Tank leer.“ Ansonsten achtet er noch auf ein klares Auge und die Bereitschaft zur Arbeit:
„Schwierig finde ich nicht schlimm, und ich nehme auch gern eine Stute. Ein Pferd mit Köpfchen an Deiner Seite, die geht mit Dir durch’s Feuer.“
Selbstverständlich sind natürlich noch korrekte Beinstellung, Bewegung und Sprungvermögen. Den Mut, unerlässlich für ein Vielseitigkeitspferd, testet er beim Ausprobieren durch genaues Beobachten, wenn das Pferd neue Situationen kennen lernt, zum Beispiel im fremden Gelände, beim Freilaufenlassen oder bei unbekannten Sprüngen.
Und der Charakter?
Alle Profis betonen, wie wichtig ihnen die richtige Einstellung des jungen Pferdes ist. Carl Hester sagte dem britischen Magazin Horse&Rider, dass er vor allem nach der richtigen Mischung des Temperaments Ausschau hält: „Ich will einen Schuss Blut, ein bisschen Wachheit und Eifer, ohne dass sie verrückt sind.“
Islandpferde brauchen Hals!
Islandpferdetrainerin Rosl Rößner empfiehlt, bei dem Kauf von jungen Islandpferden auf drei Punkte besonders Wert zu legen: eine gute Halsoberlinie, viel natürlichen Tölt und darauf, dass das Pferd im Freilauf nicht zum Kreuzgalopp neigt. „Die gute Halsoberlinie sichert mir schon ein gutes Stück, dass das Pferd später eher nicht dazu neigt, den Unterhals zu nutzen und den Rücken wegzudrücken“, sagt die Ausbilderin. „Im Freilauf sollte das Pferd möglichst wenig Kreuzgalopp zeigen, denn das ist bei Gangpferden oft ein Zeichen dafür, dass man Probleme im Trab bekommt, weil die Koordination von Vor- und Hinterhand unstimmig ist.“
Golf statt Ferrari
Noch eine Warnung vom Vielseitigkeitsprofi: Amateure und jüngere Reiter brauchen einfache und verlässliche Pferde, „Doch viel zu oft wird nach dem drei-Sterne Pferd gesucht, welches aber erst mal nur L gehen soll“, sagt Andreas Ostholt. „ Drei-Sterne-Pferde wollen meist viel mehr vom Reiter gefordert werden, als es diesen Reitern möglich ist! Daher erst mal im gut ausgestatteten, einfach zu bedienenden Golf fahren und dann auf ein anderes Modell umsteigen. Wenn ich nur 120 fahren kann und will, sollte ich mir keinen Ferrari kaufen, auch wenn ich es mir leisten kann…“
Der Text zu den Einkaufs-Tipps der Profis erschien 2013 als Titelstory erstmals in Der Pferdemarkt. Mein absolutes Lieblingszitat, und das wird jeder mit einem Grinsen quittieren, der meine Dame kennt, ist natürlich das über die schwierigen Stuten mit Köpfchen von Andreas Ostholt.