Wann darf schlechtes Reiten ein Thema sein

Schönes Reiten, unschönes Reiten, zu eng, oder was? Um es ganz deutlich zu sagen: Dies ist ein Symbolbild – geschickt gemacht, die Bäume spenden hier perfekte Anonymität. Foto: Klara Freitag

 

Glaubt es, oder nicht: Diesen Text habe ich vor drei Monaten geschrieben, aber erst mal nur auf der pferdiathek veröffentlicht, weil ich die facebook-Diskussion um ein zu eng gerittenes Pferd auf meiner Blogseite nicht zusätzlich anheizen wollte. Und jetzt kann ich kaum selbst glauben, wie aktuell er plötzlich wieder ist. Denn gerade, nach dem Quarks & Co Beitrag zum Abreiteplatz in Aachen, nach meinem viral gegangenen Kommentar dazu und zu einem unsäglichen PETA-Artikel, nach der Stellungnahme vieler, kursieren so viele Meinungen und Stimmungsmache auf den Reiterseiten herum, Wahnsinn. (Wer das auf Facebook verpasst hat, bitte HIER schauen)
Wie schrieb Annette, in einem Kommentar auf meiner Blog-Facebookseite?  Facebook sei, sobald es um kontroverse Themen ginge, „ein Sammelort für selbsternannte Reiter-, Pferde- und Tierschutzpolizei.“ Genau darum geht’s hier auch.

 

Vor wenigen Tagen ist auf meiner facebook-Seite etwas passiert, das mich nochmal sehr zum Nachdenken gebracht hat. Ich habe das Video eines Hengstes gepostet, der mir persönlich sehr gut gefällt. Ein Pferd, das einfach aussah, als ob es viel Freude machen würde, den zu reiten. Locker, sich anbietend, mit einer durchschwingenden Aktivität durch den Körper. Die Kommentare dazu gingen kaum in die Richtung, wie gut man das Pferd findet. Es ging sofort um die Reitweise. Der Hengst war hinter der Senkrechten.

 

Habe ich auch gesehen. Nur war es mir in dem Moment nicht wichtig.

 

Geht das? Darf man das? So etwas mal nicht zum Thema machen?

Wohlbemerkt: Keine Rollkur oder so etwas. Kein unfaires Reiten. Sondern schlicht: Deutlich hinter der Senkrechten.

 

Ich finde ja.

Viele andere fanden das nicht.

 

Die Nasenlinie ist nicht alles

Meine Gründe für mein Schweigen: Keiner kennt die Umstände, warum dieses Pferd in der Situation wie geht. Und: Es gibt weitaus mehr Kriterien, als nur die Nasenlinie. (Dazu fällt mir ein Gespräch ein: Dressurausbilder Jan Nivelle hat mir als erstes mal gesagt, dass er es furchtbar fände, dass viele Menschen eben nur noch auf Kopf und Halshaltung gucken. Ohne das Gesamtbild zu sehen, ohne nach Rücken, Elastizität und einem funktionalem Hinterbein zu schauen. Ein so wichtiger Gedanke, den man inzwischen Gott sei Dank häufiger hört!)

Details oder das Gesamtbild: Ob man etwas herauspickt, oder das große Ganze einzuordnen weiss, ist ein riesengroßer Unterschied. Foto: Klara Freitag

 

Wenn man das so sagt oder aufschreibt, wie ich gerade, kann ich mir die Gegenargumente schon gut vorstellen: Der reinen Lehre wegen darauf hinweisen, immer wieder, sobald es auftritt! Und der Blickschulung wegen so etwas stets kommentieren – damit die Menschen nicht auf die Idee kommen, das wäre der Normalzustand.

 

„Welt, ich weiß was!“

Natürlich haben diese Argumente ihre Berechtigung. Es ist wichtig, zu wissen, wie es aussehen sollte. Und welche Nachteile ein Abweichen von diesem Ziel oder der Idealvorstellung hat. Doch wie sich später herausstellte, saß auf diesem Pferd eine Privatperson. Kein Profi. Jemand wie Du und ich, der eben stolz auf seinem Pferd zeigte, wie brav und elastisch das junge Pferd schon seine ersten Runden drehte.

 

Mir gefällt es einfach nicht, sofort zu schreien: „Ich weiß was! Das Pferd geht zu eng, schrecklich, furchtbar!“ Ohne dazu zu sagen: „Oh wie elastisch, oh wie schön schwingt der!“ Oder ähnliches. Denn wenn ich in der Reiterwelt permanent mit dem Finger auf jeden Fehler zeige, bringe ich so viel Negatives hinein.

 

Keine Gnade für Profis

Es gibt Ausnahmen für mich. Ich berichte vorwiegend über die ganz großen Prüfungen, also Europameisterschaften oder Weltreiterspiele, oder die Olympischen Spiele, also dann, wenn dieser Sport auch für Nichtreiter interessant wird. Da bin ich streng, denn: Das sind unsere Aushängeschilder. Die der gesamten Reiterei. Ich schone niemanden, und das nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil ich davon überzeugt bin, dass das meine Aufgabe ist als Journalistin. Hinzusehen, und so neutral wie es einem menschlichen Wesen möglich ist, von dem Guten und dem Schlechten zu erzählen. Fair. Dennoch ist es mir klar, dass diese Reiter auch Menschen sind, und es zu Kränkungen kommen kann. Doch das darf in diesem Kontext keine Rolle spielen, vorausgesetzt, ich habe fair gearbeitet. Das ist so ähnlich, wie bei den Promis in anderen Bereichen: Der Preis für Öffentlichkeit ist, dass man sich dem Urteil von außen stellt.

 

VON TÜDDLERN UND EXTREMSPORTLERN

Und auch jenseits von social media finde ich Toleranz wichtig. Auch wenn es mir natürlich um die Pferde geht und deren Wohlbefinden. Ich mag aber auch so manche Menschen gern. Ich habe Freunde und Bekannte, die anders reiten als ich und auch deutlich anderes anstreben.

 

Beschissen Bemuskelt

Ich kenne und schätze Menschen, die ihr Pferd kaum reiten und nur tüddeln. Deren Pferde beschissen bemuskelt sind. Ich kenne und schätze Menschen, die einer Schleife nach der anderen nachjagen. Deren Pferde für mich nicht reel ausgebildet sind. Ich kenne und schätze Menschen, die ihr Leben nach dem Turniersport ausrichten. Was mir ein viel zu hoher Preis wäre.

Was sie eint, ist eine gute Intention. Der Wille, für ihre Pferde das Beste zu wollen. Ein Gefühl. So verschieden sie sind, und egal, ob ich das, was da gemacht wird, gut heiße oder nicht: Sie alle haben eine wahre Beziehung zu ihren Pferden. Und damit meine ich keine Lippenbekenntnisse á la ‚He is a happy athlete’. Ihre Zuneigung ist echt. Dieses Gefühl, das zählt.

Ohne diese Grundqualität würde es mir schwer fallen, mit ihnen befreundet zu sein. Wahrscheinlich ginge das gar nicht.

Ich glaube, dass die Pferde das genauso sehen. Sie spüren das und nehmen dafür viel in Kauf. Es sind so unsagbar verzeihende Tiere, wenn die Intention stimmt.

Demut kommt vor dem Urteil

Außerdem haben mich die Jahre im Reitsport, als Journalistin und als Reiterin, ziemlich demütig gemacht. Ich versuche, sehr spät zu urteilen. Ich weiß um meine eigenen Baustellen, um meine eigenen Unzulänglichkeiten. Wie gerne würde ich in meinem Privatleben eine bessere Reiterin sein! Und wie oft muss man hinschauen, um tatsächlich zu verstehen, welcher Ausbildungsphilosophie jemand folgt. Damit meine ich nicht das simple Einordnen in Schubladen (Akademisch / Klassisch Deutsch / Französisch-portugiesisch zum Beispiel). Es geht mir um das viel Diffizilere.

Aber auch schon bei den unterschiedlichen Methodiken hilft manchmal ein bisschen mehr Demut und Respekt für das Tun der anderen. Kann ich auch nicht immer. Ein Beispiel dafür habe ich hier aufgeschrieben, da ging es um die Akademische Reitweise. Ein anderes Beispiel, wieder Jan Nivelle: Mit ihm habe ich auch über die Schöneichsche Schiefentherapie gesprochen. Auch die wusste er einzuordnen. Eine Longiermethodik, die die Schiefe des Pferdes auf recht ungewöhnliche Art und Weise korrigiert. Das ist nämlich auch etwas, wo viele Reiter schreiend weglaufen oder direkt sektenähnliche Anhänger werden. Beides ist Blödsinn.

Dieses Offen bleiben und nicht nur einmal hingucken, Kopf schütteln, etwas abfälliges sagen, und weiterziehen, das ist mir immens wichtig.

Das trifft eben auch auf das Video mit dem Hengst zu. Was weiß man schon über diese beiden in dem Video? Wie der Hengst heißt und wo er steht. Mehr nicht.

 

Unabdingbar: Augenschule

Ein komplett anderes Thema sind unsere Sehgewohnheiten. Hier herrscht wirklich Aufklärungsbedarf: Was ist korrekt und was nicht? Zu oft wird beispielsweise über einen falschen Knick hinweggesehen, ob auf Prospekten, in hohen Prüfungen durch die Richter oder auf Bildmaterial in einschlägigen Magazinen. Hier ist die Lücke und der Fehler. Da muss sich etwas tun, in Richtung Augenschule.

 

Vielleicht denken so einige: Aber genau deshalb schreibe ich doch, wenn ein Pferd hinter der Senkrechten geht, um das zu ändern! Das kann eine Position sein. Nur denkt doch mal darüber nach, wie es dem Reiter, dem ich jetzt einfach mal unterstelle, dass er seinem Pferd Gutes möchte, geht, wenn da ärgerliche Smileys und Worte wie „Schrecklich!“ gepostet werden. „Schönes Pferd, würde mir wünschen er wäre im Genick offener“, hört sich schon ganz anders an, oder?

 

Es versuchen, besser zu machen

Die Reiter, die ziemlich weit oben mitmischen und die wirklich schön reiten, haben häufig eine Richtlinie für sich selbst: Nicht die Kollegen kritisieren, sondern einfach für sich selbst was anderes zeigen. Das mag zu einem großen Teil auch einfach Selbstschutz in einem Haifischbecken sein. Aber es trägt auch dazu bei, dass die positive Energie bei einem selbst bleibt, und nicht von Negativem überlagert wird. Das tut nämlich langfristig niemandem gut. Dann ist es eben nur gut gemeint, aber nicht gut.

 

Widerliches Gutmenschentum?

Ich finde diese Maxime auch für Otto Normalreiter passend. Ich versuche, mich danach zu richten. So gut wie möglich selbst etwas tun, an mir zu arbeiten. Nur etwas ungefragt zu sagen, wenn es für mich in Richtung tierschutzrechtlich relevant geht (und dann aber laut und deutlich). Und zwar egal, ob das auf einer Sozialen Plattform oder im echten Leben passiert. Das mag jetzt sehr nach Gutmensch klingen. Natürlich schaffe ich das nicht immer. Aber ich bin mir dessen wenigstens bewusst und versuche, es so zu handhaben.

 

P.S.: Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Dieser Text hier dient nicht als Rechtfertigung für schlechtes Reiten, in welcher Facette sie auch daher kommen mag. Ich möchte hier niemanden in Schutz nehmen, der beschissen reitet. Selbst an sich arbeiten, fleißig sein, den Pferden zuliebe, sich bilden und ausbilden lassen: Das finde ich wichtig. Und zugleich gnädig sein – sich selbst und anderen gegenüber. Vielleicht ist das die Essenz des Ganzen.

 

 

Freiheitsdressur: Kerstin Brein & ihre Ponies

Diese Freiheitsdressur mag ich besonders gern: Kerstin Breins Welshponies sind einfach entzückend. Als ich sie auf dem Vorbereitungsplatz in Aachen entdeckte, wie sie da fünf Ponies longierte, zwischen Kutschen, Iberischen Dressurpferden und jede Menge Gewusel,  war die Begeisterung groß.

 

Bei der Show vom CHIO Aachen, Pferd und Sinfonie, stellte sie ihre Ponies vor. Und natürlich habe ich schnell die Gelegenheit genutzt, sie zu interviewen. Diesmal als Video, das  findet Ihr HIER auf der facebook-Seite zum Blog. Damit ihr eine Idee habt, warum ich sie mir gern anschaue mit den Ponies, hat  Klara Freitag wunderbare Fotos gemacht. Wer hier öfters mitliest, weiß, dass ich ein Ponyliebhaber bin. Wie kann man sowas nur nicht unendlich hübsch finden?  Wie lebendig gewordene Schleich-Ponys.

Gefragt habe ich sie im Interview:

  • Wie beginnt man am besten mit dem eigenen Pferd, wenn man in Richtung Freiheitsdressur arbeiten möchte?
  • Welche Philosophie verfolgt sie, bzw. was ist Druck für sie?
  • Kommt es vor allem aufs Timing an?
  • Braucht es als Mensch vor allem Talent? Oder ist das erlernbar?
  • Sie gibt Kurse, welches Level haben die Leute, die da hinkommen?
  • Wer hat sie beeinflußt?

Als ich das Telefon zum Filmen schon aus hatte, fragte ich sie noch, was sie macht, wenn etwas schief geht. „Vor allem: Lächeln!“ sagte sie. Je mehr schief geht, je mehr muss man lachen. In Aachen war zum Beispiel die Musik 40 Sekunden kürzer als gedacht. Da hätte sie eben einfach früher aufhören müssen und sich schon vor Ende ihres Programms verbeugen müssen.

Ihre Website ist übrigens diese hier: www.kerstin-brein.com, auch auf youtube sind ein paar Videos ihrer Arbeit zu sehen, guckt mal HIER!

Eine Rasselbande, so wirkten die Ponies. Mal eben kurz den Nachbarn zwicken, und dann wieder konzentriert beim Menschen sein, wenn es drauf ankommt. Ponys eben!

Sehr herzlich und direkt: Das gefällt mir an Kerstin Brein. Im Interview hat sie erklärt, dass das Gefühl, dass der Mensch dem Pferd gegenüber vermittelt, die Intention sehr wichtig sei. Mehr noch als Talent und Timing. Und was das Wort ‚Druck‘, das ja nicht nur positiv besetzt ist, alles bedeuten kann.

Von links nach rechts die Ponybande: Rappe Xenos, Falbstute Fiona, Rappe Chico und Schimmel Querido. Auf diesem Bild fehlt noch Apfelschimmel Bentley, wer genau hinsieht, entdeckt seinen Kopf zwischen Xenos und Fiona.

Witzig sind übrigens die Stallnamen der Ponys: Bentley wird einfach nur „Das Auto“ genannt, Chico „Der Dicke“ und Fiona „Die Stute“. Aufgeschrieben wirkt das jetzt vielleicht harsch, benutzt hat Kerstin Brein die Namen aber herzlich, direkt, schnörkellos und sehr sympathisch!

Das ist schon nicht ganz ohne, sich auf einem Abreiteplatz mit etlichen anderen vorzubereiten, wenn man Minuten später eine Freiheitsdressur zeigen soll. Aufwärmen ging nur per Führstrick, dann ging’s frei rein ins Stadion.

Alkohol im Sattel

Ein Geburtstagsfest, Wein und der Ritt danach: Alkohol im Sattel heißt das Experiment. Das mir zeigte, wie man sich als ziemlich talentfreier Reitschüler fühlen muss. Danach war auch eine dicke Entschuldigung beim Pferd fällig, so viel sei schon verraten.

Letztens war ich auf einem Geburtstag eingeladen. Der ganze Tag vorher hatte irgendwie den Wurm drin, und ich schaffte es nicht, mir Zeit für die Pferde herauszuschlagen. Das machte mich schlecht gelaunt. Ich hasse das, generell. Also suchte ich nach einem Kompromiss.

 

Alternative A: Erst noch zum Pferd, dann zum Geburtstag. Das hätte bedeutet, dass ich ziemlich stinkend zum Geburtstag gekommen wäre. Also entschied ich mich für Alternative B: Zuerst zum Geburtstag zu gehen, mir Wechselsachen einzupacken und früher von dort wieder weg zu fahren. Schließlich mag ich es, abends zu reiten, im Sommer besonders.

 

Nun denn – der Geburtstag war sehr schön, im Garten, zwischen Blumen saßen wir. Ich trank ein Glas Weißweinschorle zum Essen. Dazu muss ich sagen, dass ich kaum etwas vertrage, weil ich so selten etwas Alkoholisches trinke. Ein Glas Wein wäre definitiv schon zu viel gewesen, daher eben die Schorle. Nach zwei Stunden ging ich und machte mich auf zum Pferd. Das steht um die Ecke, vom Geburstagskind aus gesehen. Ich fuhr dahin, im Auto, darf man ja, mit einem Glas Schorle intus. Ich merkte das auch nicht, ja auch nicht verwunderlich bei 0,1 Liter Wein.

 

Das grandiose Gefühl, wenn alles klappt

Als ich dann auf dem Pferd saß, freute ich mich schon wahnsinnig, weil die Stute letztes Mal einfach so gut war. Sie macht inzwischen so toll mit, möchte alles recht machen und es gibt immer wieder ein paar Momente, die sich ganz wunderbar anfühlen. In der Trainingseinheit zuvor hatte sie zum Beispiel super toll Tempiunterschiede im Trab hingelegt. Es fühlte sich großartig an, wenn sie zurückkam und dann wieder wenn sie auf ein kleines bisschen Schenkel und Gewichtshilfe die Tritte verlängerte. Ich habe sie gelobt, und ihr erzählt, was für ein großartiges Pferd sie sei. Danach erschien sie mir zwei Zentimeter größer, vor Stolz.

 

Das war die vorherige Einheit.

Diesmal war es anders.

 

Das Gefühl versoffen

Ich trabte an. Irgendwie war das so schnell, fand ich. Zack-zack ging das Leichttraben, schneller als sonst, ich musste mich anstrengen, mitzukommen. Seltsam, eilte die Stute so? Ich ritt ein paar Übergänge und fand die sehr unharmonisch. Ich merkte auch dabei, das alles um mich schneller war als ich. Ich war zu langsam mit der Hand, gab zu spät nach. Mist, dachte ich noch, der Wein, also reiß’ Dich mal zusammen, schön konzentrieren jetzt! Doch wenn ich runter schaute, an der Schulter des Pferdes vorbei zum Boden, hatte ich das Gefühl, ich krieg’ nix anderes mehr mit. Nur diese Bodenwellen sah ich noch, die Übersicht fehlte. Wenn ich am Spiegel vorbei ritt, fand ich, dass ich drauf saß, aber nicht drin. Ich merkte: Ich bin heute echt schlecht. Das mit dem Wein war wirklich keine gute Idee.

 

Noch ein, zwei Übergänge, dann hörst Du einfach auf, das bringt nichts, sagte ich mir. Aber auch das war einfach nur Mist. Es gelang kein einziger guter Übergang, und schuld war nicht das Pferd. Ich sprang irgendwann einfach ab.

 

Und wer jetzt glaubt: „Ja, ja, Jeannette, ein Glas Weinschorle, das kann ja gar nicht sein, wahrscheinlich waren es fünf!“, der liegt falsch. Es war eins, und dennoch fühlte ich mich auf dem Pferd wie amputiert.

 

Auf einmal vollkommen talentfrei

Die Weißweinschorle hatte mein Gespür inhaliert. Es war schlichtweg futsch. So muss es sich anfühlen, wenn man komplett talentfrei ist und ohne Gefühl fürs Pferd auf die Welt gekommen ist, dachte ich mir hinterher.

 

Eins ist seit gestern klar: Für mich gilt die Null Promille Grenze auf dem Pferd.

 

Bei der Stute entschuldigte ich mich.

 

Am Tag danach versuche ich, mich wieder zum Freund meines Pferdes zu machen. Es sieht so als, als ob sie mir diese Eskapade verziehen hätte. Gutes, gutes Pferd!

Von Ponys, großen Hengsten und Laufenten

Bin zurück aus der Schreib-Einsamkeit. Erste Station: Pferd & Sinfonie, eine Show die zum CHIO Aachen gehört.

 

Alle Fotos: Klara Freitag

Über die Show Pferd & Sinfonie, über das Hengstbuch, an dem ich mitgeschrieben habe und über die unglaublich süßen Laufenten, die bei der Show mitmachten.


Hallo, bin wieder unter den Lebenden!

Es tut mir leid, Ihr habt ewig auf mich warten müssen. Hatte einfach zu viel auf dem Zettel: Neben dem ganz normalen Wahnsinn (pferdiathek-Magazin und Aufträge für andere Magazine wie Feine Hilfen, Reiter Revue, Equitrends- beim letzteren ist mir aufgefallen, dass ich zu so 2/3 die gesamte aktuelle Ausgabe getextet habe, krass!) kam noch das Hengstbuch dazu. Das ist ein Klassiker, der alle zwei Jahre neu aufgelegt wird. „Ausgewählte Hengste Deutschlands“ heißt er. Der größte Teil ist ein Lexika aktueller Hengste, muss man sich so ähnlich vorstellen wie ein Quartett-Spiel – Kördaten, Leistungsdaten, Zuchtleistung wie erbrachte Staatsprämienstuten oder gekörte Söhne. Dazu eine Abstammungstafel und ein Text über jeden Kandidaten. Außerdem gibt’s einen redaktionellen Teil, in dem ich diesmal über Donnerhall, die genialen Ausbilder Rehbein und den Grönwohldhof, wo diese Persönlichkeiten zuhause waren, geschrieben habe. Das ging natürlich nur, weil ich mit etlichen Zeitzeugen gesprochen habe.

Der Gelegenheitszüchter und sein Weltstar
Grandiose Fotos, zum Teil in Schwarz-Weiß, von Jacques Toffi konnten wir dazu im Buch abdrucken. Ist richtig schön geworden, finde ich. Dann habe ich noch über Dimaggio geschrieben, einen Hengst, den ich sehr mag und der von seiner Relevanz her durchaus die Berechtigung hat, portraitiert zu werden. Witziges Detail: Er wurde von einem Reiter, der alle Jubeljahre mal ein Warmblutfohlen hat, gezüchtet. Ein Volltreffer, denn Dimaggio war schon vor seiner Wertschätzung als Zuchthengst Weltmeister der Jungen Dressurpferde. Heute hat sich sein Züchter auf Mini-Shettys spezialisiert und züchtet die ebenso sehr erfolgreich. Dimaggio ist inzwischen verstorben, aber er ist immer noch ganz aktuell in den Abstimmungen zu finden (zuletzt gewann ein Sohn in Hagen das Qualifikationsturnier zum Louisdor-Preis, noch vor Ingrid Klimke und Geraldine). Das Buch gibt’s in 2-3 Wochen zu kaufen.

Mehr als 550 Seiten Korrektur zu lesen – das war der letzte Tag vom Marathon für „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2018/2019“. Erscheint Ende Juli!

 

Laufenten-Fan ab  heute!
Auf jeden Fall war das eine krasse Zeit, diese zwei, drei Monate ohne ein arbeitsfreies Wochenende. Jetzt ist das Buch in Druck, und ich habe endlich wieder viel Zeit im Stall verbringen können und war gestern mal aus: auf dem CHIO Aachen,  um mir Pferd und Sinfonie anzusehen. Das ist eine Pferdeshow, die von einem Liveorchester begleitet wird. Spannend, denn: Die haben da oft ein Händchen für gute Showacts, die noch nicht überall zu sehen waren. Das kann ich diesmal leider nur von einer Nummer behaupten, die zuckersüß, humorvoll und überraschend auf einmal war: Eine Gruppe von Laufenten wurde von Bordercollies übers Viereck geleitet, sie bildeten Formationen und spazierten über kleine Brücken.

Zwei Reiterinnen leiteten die Hunde an, mit so einer Enten-Pfeife, die seltsame Quietschgeräusche macht. Einen Pausenclown hatten sie auch dabei, einen Retriever, der sich gemütlich in einen Sessel drückte und sich Kissen herbeiholte, während seinen Border-Kollegen der Eifer nur so aus den Augen stach. Woher das Wörtchen „wieselflink“ kommt, war mir schlagartig bewusst, als ich die Hunde da sah, dicht an den Sand gedrückt, der Oberkörper erscheint daher ganz länglich, und sich schlängelnd nach vorn bewegend. Die sehen eben aus wie ein Wiesel, wenn sie arbeiten.

 

Kerstin Brein: Eine meiner liebsten Freiheits-Dressuren
Eine andere Nummer fand ich auch toll, die habe ich aber schon ein paar Mal gesehen: Kerstin Brein und ihre Welshponies. Sie zeigt eine Freiheitsdressur mit diesen Ponies, die ausschauen, als wären Schleich-Tiere lebendig geworden: einfach zum Niederknien. Mit Kerstin haben wir noch ein Video-Interview aufgenommen, das zeige ich Euch demnächst auf Facebook (Denn: Ich hab‘ ja jetzt wieder mehr Zeit, juchu!).

Bisschen abgespeckt war die Besetzung ansonsten, aber vergangenes Jahr hatten sie auch so richtig zugelangt, mit Alizée Froment, Ingrid Klimke, der schwedischen Sulky-Quadrille und Asagao xx mit seiner Superman- Springnummer war das schon richtig fett (HIER habe ich damals darüber geschrieben).

Schenkelgänger oder LDR-Quadrille?
Viele Iberer waren zu sehen, viele Kutschen, und man konnte gut lernen, wie ein astreiner Schenkelgänger aussieht: Die zwei Tennessee Walking Horses tun dem klassisch geprägten Auge echt weh. Wir haben schon gemunkelt, ob man die vielleicht eingeladen hat, damit sich bloß die Woche über niemand über das Partnerland Niederlande aufregt? Ich hatte ja schon auf eine LDR-Quadrille gehofft, aber die gab’s nicht (Ironiemodus aus).

Stattdessen stellte Isabell Werth Sorento vor, der ziemlich was zu gucken hatte im Viereck – Hilfe, eine Tribüne! Hilfe, Wechsel soll ich springen! Gute Übung für ihn, so ein Flutlichtabend, wahrscheinlich. Sehr süß, wie Isabell Werths kleiner Sohn ihr zuwinkte von der Tribüne, er hat wirklich mitgefiebert.

Mit Klara bei Pferd und Sinfonie

 

Als wir dann auf dem Heimweg waren, Klara und ich, sagte Klara: „Ich bin ja nicht so der absolute Turnierfan, aber die Atmosphäre hier, die ist so schön, ich bin so gern  hier!“ Und das stimmt. Auch, dass dieser Abend von Pferd & Sinfonie immer so richtig in die Nacht hineinreicht, bis 23 Uhr fast, ist toll.

Zum Schluss hatten die Reiter Fackeln in der Hand (zu Fuß, bei der Ehrenrunde am Ende), und man sieht zuvor über die Tribüne hinweg, wie die Sonne untergeht. Genial finde ich jedes Mal die Glaswand auf der Pressetribüne – Du siehst geradeaus das Programm, und wenn Du links durch die Scheibe guckst, siehst Du den Abreiteplatz.

Und wenn da etwas besonders spannend ist, flitzt Du einfach schnell runter. So wie wir das diesmal gemacht haben, als wir Kerstin Brein mit ihren Ponys entdeckten.

Freut Euch auf das Video morgen, sie hat tolle Trainingstipps gegeben und man spürt sehr gut die Einstellung dieser Pferdefrau!

Vom Loslassen können

 

Mit Ailena, der großen Warmblüterin, die ich immer mal wieder reite, und Chamonix, unserem Pony, auf dem Trail. Die beiden schauen nach den Nachbarkühen.

 

Tina vom Blog auf Procavallo hat HIER aufgeschrieben, dass sie am allerbesten selbst nach den Pferden schauen kann. Niemand versorgt die Pferde besser als sie, deshalb muss sie immer raus – auch, wenn sich die Arbeit häuft, und der Mann anbietet, die Pferde für sie zu versorgen.

Das brachte mich zum Nachdenken.

Ich habe ziemlich unterschiedliche Phasen in meinem Leben diesbezüglich durch. Sogar so viele, dass es für eine Kategorisierung reicht. Hier also ein kleines Lexika der Versorgungtypen – ich bin gespannt, wer sich wiederfindet.

 

a) Der Kontroletti

Dieser Typ muss alles selbst checken. Als Teenager ließ ich niemanden, und zwar wirklich niemanden, mein Pony reiten. Das hatte ich alleine mit meiner damaligen Reitlehrerin angeritten, und niemand anders als ich durfte in den Sattel. Nichts war gut genug. Ich konnte übrigens auch am besten kehren oder rechen. Eine Familienanekdote ist immer noch jene, in der ich meinem Bruder den Heuwender aus der Hand reiße, weil er das wohl meiner Meinung nach nicht ordentlich genug gemacht habe. Wahnsinnig sympathisch, nicht wahr? Der Stall war am Haus, ich und meine Eltern betreuten die Ponys täglich. Heiligabend genauso wie im Sommer. Wir machten Heu und stampften durch nasse Wiesen. Das war eine sehr nahe Zeit mit den Ponys.

 bDie Durchorganisierte mit einem Team um sich herum

Als Studentin mit zeitweise drei Pferden, die alle von mir betreut wurden, kam ich absolut an meine Belastungsgrenze. Ich habe immer im Studium gearbeitet, ich hatte diese Pferde, und obwohl sie in Vollpension standen war es, na sagen wir mal, anspruchsvoll. Ich erinnere mich wie heute an ein Gespräch mit meiner damaligen Reitbeteiligung, die sagte, nichts entspanne sie so sehr vom Studienstress wie das Reiten. Das kam mir damals total abstrus vor. In dieser Zeit hatte ich viel Hilfe, wie sollte es auch anders gehen. Jedes Pferd wurde noch von anderen Menschen geritten, und dennoch war es viel Verantwortung, Zeit und Arbeit: 20 Kilometer Radfahren zum Stall täglich, Hund, Pferde, studieren, abends am Wochenende kellnern und in den Semesterferien Praktika machen. Für mich waren die Pferde in dieser Zeit nicht entspannend. Sie waren meine tierische Familie und meine Verpflichtung – aber sehr selten eine Auszeit.

 

Chamonix daheim. Auch wenn’s hier nicht so aussieht: Sie wohnt in der Gruppe auf einem kleinen, feinen Trail. Foto: Klara Freitag

 

c) Die Abwesende

In meinen ersten Jobs in verschiedenen Städten lernte ich sehr schnell, dass Nähe nicht das wichtigste Kriterium ist. Wer zwölf Stunden am Tag arbeitet, der braucht vor allem verlässliche Leute im Stall. Ich optimierte es immer mehr, wo die Pferde untergebracht waren, damals waren es nur noch zwei, und sah sie dafür weniger. War scheiße, war notwendig. Übrigens war das meine erste Zeit in einem Aktivstall. Den hatte ich zu dieser Zeit auch wirklich nötig!

d) Die mit dem sorgsamen Umfeld

Die Ära, in denen meine Pferde nah und super versorgt stehen, begann mit der Geburt meiner Tochter und dem letzten Umzug. Sie wurden von Freunden versorgt, oder eben heute nur das Pony, und ich könnte es nicht besser machen. Ich bin ersetzbar – jederzeit. Und genieße das sehr, zum Pony zu kommen, und mich einfach nur um die Extras zu kümmern. Beziehung zum Pferd, Reiten, Ausbildung, all das.

e) Die Selbermacherin

Dennoch hat etwas gefehlt, und das gibt es jetzt wieder durch die Jungpferde in meinem Leben: Viel selbstmachen und mehrfach am Tag nach dem Rechten sehen. Seit diesem Frühjahr gibt es nämlich eine Sommerweide für Jungpferde bei mir. Wenn ich mal weg bin, übernehmen wieder Menschen meines Vertrauens. Tatsächlich genieße ich auch das sehr – vor allem abends, wenn meine letzte Runde vor dem Schlafengehen über die Wiese führt.

Nach Tinas Text dachte ich: mhhh, bin ich jetzt nachlässig, weil ich kein Kontroletti mehr bin? Was sagt mein Stresslevel, was sagt Tinas Stresslevel? Sind wir einfach unterschiedlich? Sie ist ein Tausendsassa, der immer wieder die tollsten Sachen ausgräbt, die es im Pferdeumfeld gibt. Einen Mann, der das absolute Gebiss-Know-How hat, zum Beispiel. Eine Firma, die Grassamenmischungen anbietet, die exakt auf die natürliche Flora der Region angepasst sind, zum Beispiel. Ich glaube, ich bin auch schon ein ziemlicher Freak mit dem Herausfinden von Pferdesachen, aber Tina ist da noch mal eine Spur krasser, was ich super finde (ihr findet sie HIER). Dieses hungrig nach Wissen und guten Lösungen sein hat aber auch die Kehrseite, hohe Ansprüche an sich und andere zu stellen. Vielleicht ist das die andere Seite davon? Schnüffelnase geht nicht ohne Kontroletti sein?

Wir brauchen uns nicht – aber wir sind gern zusammen. Foto: Klara Freitag

 

Ich weiß nicht, ob ich einfach andere Pferdemenschen in meinem Umfeld habe, oder ob meine Umzieh-Karriere mich etwas Demut gelehrt hat. Was allerdings stimmt: Ich weiß, worauf ich mich nicht mehr einlasse. Von Reitbeteiligung bis Stall sind alle sorgsam ausgesucht, und ich fange keine Halbheiten mehr an. Bei denen, die um mich rum sind, liegt es mir echt fern, zu denken, dass nur ich das am besten könnte. Obwohl ich mir hunderttausend Gedanken um das richtige Futter mache, Heu kritisch prüfe, überlege, wie was idealer gemacht werden könnte.

Fern von Supereasy

Was allerdings sein könnte: Dass meine Leutchen mich da vielleicht nicht so entspannt wahrnehmen, wie ich das gerade kommuniziere. Ich denk da an so manche Gespräche über Wurmkuren, Futter und Hufe. Vielleicht bin ich kein Kontroletti mehr, aber doch noch ein Diskutierer und Hundert-Mal-Überleger. Klingt anstrengend – danke also an all die Menschen, die das in Kauf nehmen, in meinem Umfeld. Ist jetzt nämlich nicht gerade viel besser, vermute ich!