Die eigenen Partys sind die kurzweiligsten.
Ein Rausch, ein Lächeln, einmal ringsum schauen und Hallo sagen. Und zack, schon vorbei.
Mit eigenen Reitkursen ist es genauso.
Weiß ich seit dem vergangenen Wochenende.
Gemeinsam mit Philippa (die so was schon oft gemacht hat), habe ich zum ersten Mal einen Kurs selbst geschmissen. Anlage gepachtet, Plakate aufgehängt, hunderte Mails geschrieben, Stübchen geputzt, Boxen geschmückt. Als wir das gemeinsame Projekt starteten, da wollten wir alles so machen, wie wir uns das immer als Kursteilnehmer woanders ersehnt hatten. Wir hatten viele Wünsche, der erste war: David de Wispelaere noch mal nach hier zu holen. Er lebte bis vor einem Jahr hier um die Ecke, nun ist er wieder in die USA gegangen, in seine alte Heimat. Außer David standen auf unserer Liste:
- Der perfekte Hallenboden.
- Paddocks für die Kurspferde.
- Blumen überall.
- Torte.
- Mit Profi-Fotograf.
Haben wir alles hinbekommen. Außerdem hatten wir unglaubliches Glück mit den Menschen, die zu uns gekommen sind, das passte nämlich, und mit dem Wetter. Schönster Sonnenschein am ersten Novembertag.
Wer ist David de Wispelaere?
Dass es für den ersten Kurs David sein sollte, das liegt daran, dass Philippa und ich ihn hier in der Region vermissen. Ich mag an ihm seine unaufgeregte Art, sein genaues Auge, und dass er alle Reiter mental so herunterholt. Er hat noch bei Reiner Klimke und Gabriela Grillo (die als junge Frau mit Klimke und Boldt im Team Olympisches Gold holte) gelernt. Der Amerikaner mit flämischem Nachnamen vertritt eine im besten Sinne klassisch-konservative Reitweise und hat sich hierzulande mit seinen Büchern einen Namen gemacht. David betont unentwegt das faire Reiten UND bildet auch tatsächlich so aus. Zudem ist er jemand, der sich traut, von eigenen Fehlern zu sprechen. In einem seiner Bücher beschreibt er, wie er in jungen Jahren sein Dressurpferd falsch gemanagt hat und das bitter bereute. Das ist groß. Andere kehren so etwas unter den Teppich. Er spricht es aus und zeigt gleichzeitig: so nie wieder.
Seine Philosophie kommt leise daher, und nur wer sich darauf einlässt, kann entdecken, was da hintersteckt. Er möchte, dass der Reiter dem Pferd alles fein bereitet, abwartend und einladend ist, damit Pferd sich von seiner besten Seite zeigen kann (und diesen Moment muss der Reiter dann auch registrieren und reagieren!). Es geht viel ums Nachfühlen, ums Bemerken und weich Reagieren, seine Lehrmethode ist eher schwer in Fakten zu vermitteln. Er ist fantastisch gut darin, auf den Punkt das Thema eines Reiter-Pferdpaares zu sehen und darin, ein Gefühl zu vermitteln. Vor alledem steht unumstößlich, die faire Einstellung zum Pferd hin einzufordern. Meint zum Beispiel: Null Toleranz für zu starke Handeinwirkung.
David ist jemand, der die schönen Seiten des Lebens schätzt, bestens gepflegte Sättel, edle Schuhe, adrettes Äußeres. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Er ist nämlich verdammt uneitel im Unterricht, und schenkt der Ponyreiterin genauso viel Beachtung wie der S-Dressurreiterin. Bei uns kam eine ganz gemischte Gruppe zusammen, nämlich:
Rachel mit dem schönsten Pferd des Kurses, Sophie.
Claudia mit dem gewitztesten Pony des Wochenendes, Iggy.
Sabine mit der überaus lernbegierigen Lotta.
Saskia mit I can fly, der sich so in meine Fee verliebte, dass er sie nicht mehr verlassen wollte.
Kim mit Nalin, deren Geist zwischen Diva und Puschelpony pendelt.
Philippa mit dem imposanten roten Dyri und Blakkur, der so viel zu bieten hat, das aber nur an die Menschen verrät, die sich trauen, genauer hinzusehen.
Und natürlich ich mit meiner Fee, sowieso der klügsten, besten Stute überhaupt.
Ein paar special guests bei den Zuschauern hatten wir auch noch: Alicia aus Kanada, die ein Reitlabel in den Niederlanden gegründet hat, und die vom Global Dressage Forum aus zu uns kam. Sie hat auf ihrem Blog auch über den Kurs bei uns geschrieben, siehe hier. Davids Schülerin Angelika kam auch als Zuschauerin, und berichtet auf ihrem Blog besonders über zwei der Reiter-Pferd-Paare von unserem Kurs. Hier geht es zu ihr. Reitsportfotograf Thomas Rubel hat professionelle Fotos von den Reitern gemacht, weil wir finden, dass doch jeder eigentlich zu wenige schöne Fotos von sich und Pferd hat.
Bei jedem Kursreiter ging es in der ersten Einheit eigentlich nur darum, selbst ins Spüren zu kommen und nicht ins wilde Agieren (Zuschauer! Trainer! Was bieten!) zu verfallen. Bei mir selbst war es ein holpriger Einstieg: Bis zuletzt habe ich gebangt, ob das wirklich eine gute Idee ist, jetzt schon einen Kurs mitzureiten.
Meine Fee hatte ein halbes Jahr komplett Pause, ich habe sie dann gewichtsfrei wieder antrainiert und so ungefähr zehn Mal draufgesessen vor dem Reitkurs. Urghhs! Ging aber. Wir haben viel im Schritt gearbeitet, ein bisschen locker im Trab und Galopp geschaut was möglich ist, und ich konnte noch mal zurück an die Basics: korrekte Biegung, einladende Zügelführung, Sitz korrigiert. Ich fühl‘ mich eingerostet. Pferd hingegen hat außer der Kondition und den dazugehörigen Muskeln wenig vergessen. Ein Teil der Liste der Dinge, die ich so tun sollte:
Bitte nacheinander: 10-Meter-Volte, 8-Meter-Volte, Zirkel****tatsächlich korrekte Biegung und Stellung**** ganze Bahn, auf der rechten Hand etwas traversartig, auf der linken Hand nicht ganz so viel Stellung****Anhalten, Moment, die Anlehnung geht verloren, Schenkel, Ja, sie soll den Schenkel auch beim Halt als nicht vorwärtstreibend begreifen***biete mit Deiner äußeren Hand den Kontakt an, sie soll zum schwebenden Kontakt finden (das meinte, meine Hand soll konstant, ruhig und einladend sein, so dass sie schön herantreten kann)****deutlicher um den inneren Schenkel biegen **** nicht so viel agieren mit dem Schenkel, mehr aus dem Sitz heraus arbeiten****Nach der Volte Schenkelweichen zur Bande hin****im Anschluss wieder eine Volte****
Ja, und außerdem immer schön tief Atmen und locker in Nacken und Schultern bleiben! Liest sich doch recht lang, diese Liste, fühlte sich auch so an. Bei mir geht dann schnell so eine fiese Gedankenspirale los: „Mist, der Weg ist doch so weit!“ Ich ärgere mich, dass es noch nicht so klappt wie ich das will und dann denke ich : „Nee, nicht ärgern, weil Ärgern ist eine Emotion die mir hier echt gar nicht hilft, weiß ich doch!“ Und dann, genau in so einem Moment, sagt David so etwas wie zum Beispiel beim Galoppieren „und jetzt genießen!“, und schwupps muss ich grinsen. Genau richtig platziert.
Grinsen statt ärgern und akzeptieren, auf welcher Stufe man da gerade steht. Ist doch egal, Hauptsache lernen und fair sein und weitermachen. Das Grinsen hilft dabei, in einer guten Stimmung zu bleiben, damit das Reiten und Lernen leicht von der Hand geht, und damit die Stimmung zum Pferd hin und positiv bleibt.
Mein Schreibblock und mein Laptop, die ansonsten auf Kursen ständig auf meinem Schoß liegen und mit denen ich zu jedem Reiter Notizen mache, habe ich diesmal im Auto gelassen. Denn zwischen selbst Reiten und Sachen wie: „Ist die Suppe warm?“, „Oh, da ist ein Schanier kaputt gegangen, was machen wir da?“, „Kann ich meine Uhrzeit mit jemandem tauschen?“, „Gibt’s irgendwo noch Milch für den Kaffee?“, „Der Akku ist leer“, „Komisch, da sind jetzt doch Pferde auf dem Paddock“ war ich einfach sehr zufrieden, mal kurz in der Sonne zu sitzen, mit Blick in die Reithalle, und hinter mir den Bachlauf plätschern zu hören. Im Idealfall noch mit einem (noch warmen) Kaffee in der Hand. Und Torte im Mund (die war zu schnell weg, die konnte ich nicht mehr fotografieren).
Loved it.
Das machen wir nochmal. Ganz bald.