Ein Plädoyer für den Mut

So viel Liebe, Kraft & Miteinander liegen in diesem Bild. Das geben uns die Pferde. Foto: Klara Freitag

Warum wir es immer wieder wagen sollten, unser Herz zu öffnen. Egal, was da für eine Katastrophe zuvor da war. Egal ob Pferd krank, Fohlen tot, größte Enttäuschung überhaupt.

 

Ich habe in letzter Zeit viel über mein WFFS-Fohlen geredet. Das gestorben ist, wegen dieser Genkrankheit. Auf Facebook, auf Instagram. Ich möchte dazu noch was sagen, was gar nichts mit der Krankheit an sich zu tun hat. Sondern damit, was man mit so schrecklichen Erlebnissen im Leben tut. Schrecklich war es, das Fohlen hatte Hautrisse aus dem Nichts, es wurden immer mehr, es hat geschrien, als wir es einschläfern mussten. Das war furchtbar (mehr dazu hier. Aktuelles zum Thema WFFS immer hier auf meiner facebookseite, gerade hat zum Beispiel das Gestüt Blue Hors seine Hengste testen lassen).

Wir riskieren das Leben, immer wieder.
Und das ist gut so.

Doch: Ich würde jederzeit wieder ein Fohlen ziehen. Nur weil etwas Schlimmes passieren kann, verbiete ich mir diesen Wunsch nicht. Das ist mir wichtig zu sagen, weil viele Reaktionen vor allem darauf abzielten, zu sagen, wie traurig das Erlebnis doch sei. Ja, das war es. Aber das ist egal, nachher! Ich kann nur leben und spüren und genau das machen im Leben, was ich machen möchte, wenn ich keine Angst habe. WFFS wird mir natürlich nicht mehr passieren – ich werde immer testen lassen in Zukunft. Aber es gibt natürlich noch hunderttausend andere Möglichkeiten, was bei einer Pferdegeburt schief gehen kann. Jede Geburt gefährdet das Leben von Stute und Fohlen, von Mutter und Kind. So ist das eben. Neues Leben und Tod sind nah beieinander, immer.

 

Verletzlich sein zählt

Bewusst geworden ist mir noch mal, wie sehr ich dieses Verletzlich-Sein immer wieder wählen möchte, als ich mich mit jemandem vor ein paar Tagen über menschliche Beziehungen unterhielt. Es ging um zwei Freunde, die nicht so richtig wissen, ob sie noch welche sind, aktuell. Ich nenn’ sie mal Person Eins und Person Zwei. Beide sprechen aktuell nicht miteinander und es ist jammerschade, denn sie sind beide großartig und waren ein hervorragendes Team.

Es ist bei den Menschen wie bei den Pferden

Person Eins sagt: „Ich bekomme es emotional nicht auf die Kette, mit Person Zwei weiter befreundet zu sein.“ Deshalb wählt Person Eins den Weg von Distanz und Abstand. Es wäre zu viel Enttäuschung da. Person Zwei sagt: „Warum meldet Person Eins sich nicht? Ruft nicht zurück? Versteh‘ ich überhaupt nicht, was das soll.“ Typischer Fall von falsch gelaufener Kommunikation.

Und von: Ich lauf’ weg, wenn es zu sehr an meine Gefühle geht. Was die beiden da machen, kann ich nicht beeinflussen. Aber eine Lehre für mich selbst daraus ziehen: Ich möchte mich nicht verstecken oder den Umgang mit jemandem, der mir eigentlich wichtig ist, vermeiden, weil es weh tut. Immer wenn etwas Wertvolles entsteht, werden wir verletzlich. Nähe macht verletzlich. Ertrage ich das nicht mehr, verpasse ich ganz schön viel im Leben.

 

Ich möchte JA schreien

Das gilt für menschliches Miteinander genau so wie für die Tiere. Ich möchte ganz laut JA sagen zu: Wieder ein Hund, wieder ein Pferd, wieder ein Pony, wieder irgendwann ein Fohlen (das jetzt in meinem Fall, denn all diese habe ich in der letzten Zeit gehen lassen, wissen ja die meisten von Euch).

Das, was mich berührt im Leben,

ist es wert, durch Scheiße zu waten.

Ok, sagen wir: Ab und zu. Denn ab und zu braucht man auch Zeit zu genesen. Aber es kommt wieder anders, besser, schöner, gut!; und das lohnt sich dann so sehr.

Das Ding mit Wunsch und Realität

Bedeutet nicht, dass ich das immer großartig selbst hinbekommen würde. Im Gegenteil, ich habe auch verkorkste Ecken in meinem Leben und es ist oft echt anstrengend, da durch zu gehen, ob in menschlichen Beziehungen oder bei den Tieren. Aber wenn es mir wichtig ist, wenn es mir nah ist, dann haue ich nicht ab. Das nicht.

Denn ich möchte nicht mit angezogener Handbremse

durch das Leben laufen.
Nicht bei Menschen, nicht bei den Pferden.

Warum machen wir das alles denn sonst hier auf dieser Erde? Heart wide open! Alles andere lohnt sich nicht. (#heartwideopen ist übrigens der Hashtag dafür. Für immer wieder neu da sein für das, was das Leben erst lebenswert macht.)

Was denkt Ihr darüber? Kennt Ihr solche Phasen (natürlich, wer nicht!). Aber wie geht Ihr damit um? Kennt Ihr das in Bezug auf die Pferde, auf Rückschritte und Fortschritte? Eine Krise muss ja nicht direkt durch etwas Lebensbedrohliches entstehen. Ich fände es schön, dazu von Euch zu lesen.

 

5 Kommentare

  1. Liebe Jeannette,
    ein so schöner Artikel, so richtig, so wichtig und mit so viel Herz.
    Ich weiß genau wovon du sprichst, aber ich habe es auch in den letzten Jahren lernen müssen.
    Zum Glück habe ich auch immer wieder diese Entscheidung getroffen, in meinem Fall vorallem dafür, meinen Beruf weiter mit Herz und Leidenschaft auszuüben (egal von wem man enttäuscht wurde).
    Jessica von Bredow-Werndl sagte mal in einem persönlichen Gespräch zu mir: „Dina, das was wir machen, machen wir mit Leidenschaft. Da steckt das Wort Leid mit drin, das gehört einfach dazu.“
    Ihre Worte haben mir viel gegeben und sie hat so Recht. Seitdem fällt es mir viel leichter wieder aufzustehen und mit Leidenschaft weiter zu machen.
    Fühl dich gedrückt!
    Dina

  2. Hallo Jeannette, ich nenne mich mal Person 1.
    Ja was soll man sagen, es ist immer die Frage wie Verletzt ist der Andere warum er nicht mehr mit der anderen Person spricht. Wenn das Vertrauen weg ist dann bringt auch erstmal keine Freundschaft mehr was. Es muss immer die Möglichkeit geben sich auf Augenhöhe begegnen zu können.
    Es muss immer ein geben und nehmen sein. Ich habe früher immer mehr vertrauen zu Tieren gehabt sie sind echt. Machen dir nichts vor und sind immer ehrlich. Mittlerweile geht es auch sehr gut mit Menschen aber einen Menschen kann man nicht zwingen ehrlich zu sein. Deswegen bin ich gerne stiller Beobachter und entscheide mich dann wen ich mag und wen nicht. Wobei ich nicht ablehnend werde was wichtig ist.
    Ps: deiner Stute geht es gut

  3. Hallo Person 1 und Person 2 – man braucht eben auch Zeit zum Regenerieren, alles andere wären ja Superkräfte (wäre auch schön, wenn man die hätte, und manchmal sind sie ja auch da, einfach so!). Und es geht eben auch nicht immer mit derselben Person oder demselben Tier oder so weiter. Aber das sich immer wieder einlassen, das glaube ich schenkt uns eben auch die wunderschönen Seiten des Lebens. Fühl‘ Dich gedrückt! Jeannette

  4. Hallo Dina, das ist ein sehr tolles Zitat. Das stimmt absolut, mit dem Leid. Aber es macht – mir zumindest – auch nur so Freude, beruflich wie privat, eben immer alles mit Hingabe und viel Einsatz zu tun, denn nur so ist es ja auch intensiv. Habe mich über Deine Worte gefreut! Jeannette

  5. Liebe Jeannette,
    wenns mal schlecht läuft, versuche ich mich immer zu fragen, „Wofür ist das gut? Was kann ich daraus lernen? Was kann ich ändern, damit es wieder besser wird?“. Außerdem nehme ich aus den schlechten Phasen mit, dass ich bewusst merke, wenns grad gut läuft und dass dann eben auch bewusst zu genießen und voll auszuschöpfen. Im Pferdebereich klappt das schon sehr gut, in anderen Lebensbereichen hab ich noch Übungsbedarf 😉