Was Dich wirklich mit Deinem Pferd glücklich macht

So einige von Euch werden es mitbekommen haben: Ich habe mit Chamonix den Stall gewechselt. Was heißt Stall, ich bin vom Fünf-Sterne-Domizil auf eine Jungpferdeweide gezogen. Witzig finde ich selbst, wie die neue und die alte Konstellation so wirken, wenn man sie mal notiert :

 

  • Alt: Paddocktrail mit Halle, allerbester Ebbe-Flut-Hallenboden, befestigte Paddockböden, super gepflegt, Solarium, Waschplatz, freie Trainerwahl, Box für Krankheit möglich, Wald 10 Minuten Schrittzeit entfernt. Stundenweise kleine Weide im Sommer, ansonsten ganzjährig 24/7 Heufütterung, gute Qualität. Stallmeisterin vom Fach. Status: Einstaller.
  • Neu: Ganzjahresweide, Weidezelt, Anbindeplatz, einfacher Roundpen mit Naturboden. Wald 15 Minuten Schrittzeit entfernt. Status: Eigener Herr.

 

Na, wo würdest Du einziehen?

 

Mein alter Stall hat sicherlich das Optimum an Features, was man sich so wünschen kann. Ein Sechser im Lotto. Beste Haltungs- und Trainingsbedingungen. Die neue Lösung gefällt mir aber besser! Verrückt, oder? Denn:

 

  • Ich finde es herrlich, mein eigener Herr zu sein.

  • Ich finde es fantastisch, dass ich nur meine eigenen Kompromisse leben muss.

  • Ich gehe da morgens oder abends über die Wiesen und gucke den Pferden zu. Manchmal nur ganz kurz, aber mehrfach am Tag. Ich bin viel mehr in der Herde, in dem Leben, das die Pferde führen, als früher.

  • Ich war in den letzten Jahren nie entspannter beim Pferd als jetzt.

 

Das Ganze hatte übrigens keinerlei finanzielle Komponente bezüglich der Entscheidung. By the way.

 

Ich hatte natürlich auch Bedenken. Vor allem, was reiterlich noch möglich sein wird. Wir haben Sommer, daher ist das natürlich momentan alles noch einfach. Aber selbst für den Sommer hatte ich Bedenken und das Witzige ist, dass sogar Freundinnen von mir gefragt haben: „Aber Dressur kannst Du ja jetzt gar nicht reiten, oder?“ Klar kann ich das! Überall – auf abgemähten Weiden, auf abgefressenen Weiden. Ist ja alles da. Oder einfach im Gelände. Dafür brauche ich nur eins: Willen, Konzentration und Konsequenz, das wirklich zu machen, statt rumzueiern. Oder, wenn ich ganz geraden Boden und Buchstaben an der Bande will: Woanders, wenn ich das Pony einfach auflade. Das geht natürlich nur, weil alleine sein (fürs Pferd) und alleine reiten (für mich) kein Thema sind. Und verladen auch nicht.

 

Dieser Stallwechsel hat mich aber auch zu der Frage geführt, was wir uns wirklich wünschen. So jeder, tief in sich. Und was gesellschaftlich anerkannte Wünsche sind, die man so einfach für sich selbst übernimmt. Für mich habe ich festgestellt: Ich brauche eher Freiheit als Luxus. Ich bin einfach so ein Typ. Auch wenn ein Offenstall mit Solarium fürs Pferd immer noch etwas ist, das ich genial finde (Da sitzt die Wehmut! Oder eher ein kleiner, kleiner Teil davon. Die echte Wehmut hat vier Beine, ist braun und immer noch in unserem alten Zuhause). Mal sehen, ob ich noch so begeistert von meiner Wildnis bin, wenn es kalt und regnerisch wird. Aber eins hat mich das hier auf jeden Fall gelehrt: Genauer nachfühlen, was eigentlich die eigenen Bedürfnisse sind. Und was vielleicht nur Wünsche sind, die man so hat, weil die so jeder gut findet. Kennst Du das? Hattest Du das auch schon mal?

 

Bei wehorse habe ich übrigens eine kleine Sache beschrieben, die auch zu diesem Thema passt, finde ich: Warum ich das Schenkelweichen für die Lektion halte, die mich in der letzten Zeit am meisten weitergebracht hat. Obwohl sie in manchen Kreisen nicht gerade beliebt ist! Lest mal, ist spannend, wer das alles so noch nutzt (Alizée Froment, Claudia Butry, David de Wispelaere, Carl Hester, Sara Oliveira zum Beispiel!). Grundsätzlich erklärt Euch Karolina auf 360 Grad Pferd, wo der Unterschied zwischen Schenkelweichen und Schulterherein liegt und warum Schenkelweichen nicht zu den Seitengängen zählt. Und sie vertritt eine etwas andere Meinung als ich zur Güte dieser Übung. Spannend also, beides zu lesen!

Wer Lust hat, seine Erfahrungen damit aufzuschreiben – sehr sehr gern! Freue mich immer über Feedback in den Kommentaren von Euch.

 

P.S.: Mindestens, mindestens ein fettes Grinsen wird auf Eurem Gesicht zu sehen sein, wenn Ihr bei Pfridolin Pferd nachlest, was der so zum Stallwechsel sagt.

4 Kommentare

  1. Ein schöner Beitrag! Besonders gut kann ich das mit den eigenen Kompromissen verstehen, denn die muss man nun mal immer irgendwo machen.
    Unser Stall ist quasi perfekt und trotzdem gibt es Dinge, die mich nerven. Kann ich aber nicht ändern, weil keine andere Alternative so gut ist wie diese. Und mein Pferd ist sehr zufrieden dort!

    Schenkelweichen nutze ich auch gerade recht oft, es hilft meinem jungen Pferd eben die diagonalen Hilfen zu erklären. Und dann meine Lieblingsabfolge, durch die halbe Bahn wechseln, die letzten Schritte vor der Bande Schenkelweichen und dann daraus am Hufschlag einige wenige Tritte Schulterherein!

  2. danke Christina! Ich glaube was man bevorzugt, also Selbstversorgung oder Einsteller sein, hängt auch immer von Lebensphasen ab. Als ich 15-19 war, hatten wir die Ponys am Haus. Ich war sowas von froh, als ich danach Einsteller war und viel mehr zum Reiten kam als vorher und auch mehr Infrastruktur hatte. Aber gerade ist es eben wieder anders herum! Deine Lieblingsabfolge ist eine schöne Übung. Viele Grüße von Jeannette

  3. Auch ich schließe mich der Vorrednerin an: ein wunderbarer Beitrag! Ich fühle ganz ähnlich, kann aber vieles nicht in so schöne Worte kleiden wie du Jeannette.
    Zu meiner Situation. Ich habe 40 Jahre Pferdeerfahrung auf dem Buckel. Die meiste Zeit davon in Eigenregie und manchmal mehr Pferde/Ponys als vernünftig ist. Das ist ein großer Nachteil der Selbstversorger!
    Mir würde es vermutlich sehr schwer fallen, mich noch so netten Stallbesitzern unterzuordnen.
    Das Feeling, diese Zufriedenheit, wenn ich mal so eben über die Wiese schlendere und ich beim Ausreißen von Unkraut mich dabei ertappe, dass ich ein Liedchen pfeife.
    Ich kenne meine Pferde in- und auswendig und beim Beobachten ihrer Gewohnheiten lerne ich noch immer dazu.
    Meine Pferde werden auf diese Art und Weise entsetzlich alt. Der TA sieht uns äußerst selten. Toi, toi, toi. Ich hatte nie eine Kolik, außer bei meinem krebskranken Pferd, aber das sind widrige Umstände.
    Ich arbeite immer freitags (ich brauche da WE, um meine Gräten wieder zu richten) an meinem freien Tag, um die eigene Wiese zum Paddock Trail mit Wald und Wasserfurt umzugestalten. Weil es keine jungen, dynamischen Menschen in meiner direkter Umgebung gibt, arbeite ich zusammen mit einem 71jährigen körperlich absolut fitten Mann, der mir die Bäume fällt und mit dem ich zusammen 200 Eichenzaunpfähle von Hand eingesetzt habe, weil nichts anderes ging. Minibagger und ähnliches hat kapituliert.
    In dieser Wiese verewige ich ganz viel meiner gesammelten Erfahrung. Das erfüllt mich mit Stolz und vielleicht übernimmt eines Tages einer meiner 3 Töchter das und führt dieses Erbe fort, denn Kleinpferdeherde draußen ist ökologischer als ein Großbetrieb.

  4. Liebe Jeannette, ich würde wahrscheinlich lieber auf deine Wiese ziehen. Obwohl der Reitstall schon verlockend klingt. Aber ich bin nach vielen ImmerWiederWechseln (das Unschönste: In der Grosstadt wohnen,aber die Pferde ausserhalb in Selbstversorgung…) endlich Ponies-Hinterm-Haus-Besitzerin,und was da fehlt, das arbeiten wir seit Jahren Stück für Stück nach. Allerdings wird nie ein Solarium dabeisein. Aber immerhin ist so etwas wie eine Sandauslauferweiterung in der Größe eines kleinen Reitplatzes dabei– ein grosser Traum von mir! Nein, ich würde nicht tauschen. Hätte ich einen Weg irgendwohin zu meinem Pony, dann wäre das Pony nicht hier, und ich könnte, wenn ich mich sinnlos fühle, nicht eben mal in den Offenstall huschen und auf der Krippe herumsitzen. Oder am Zaun stehen. Oder zwischendurch absammeln. Fehlen würden auch die kurzen Reiteinheiten, wenn ich zu mehr keine Lust oder Zeit habe. Ich würde doch nicht in den Stall fahren, um dann 20 Minuten eine Schrittrunde durch den Wald zu reiten! Aber gerade diese können wunderschön sein!Und dann bin ich so jemand, der auch gerne mal alleine ist. Und still. Und alleine mit den Pferden. In Reitställen sind viele Frauen, und viele Frauen reden furchtbar gern, und dazu bin ich vielleicht gerade gar nicht in Laune. Nein, ich bin kein Grumpy, im Gegenteil, aber gerade nette Menschen werden gern ganz hübsch zugeplaudert… Und dann, ich weiss nicht, wer weiss, was ich meine….ich liebe die Verschränkung zwischen meinem Leben als Pferdehalterin und die als Familienmensch. Der Hefeteig für die Zimtschnecken, der gerade so lange zum Gehen braucht, wie ich, um das Pony ordentlich zu longieren. Der Sattel, der nach dem Fetten im überheizten Wohnzimmer vor sich hintrocknet. Gummistiefel und Holzclogs am Eingang, um immerimmer schnell mal rauszukommen. Diese Verschränkung kann natürlich auch ein Nachteil sein– als meine Kinder kleiner waren, wäre ich sicher lieber in den Reitstall gefahren, um wirklich „raus“ zu sein und nach Luft zu schnappen.