Ruhige Hände bekommen – ein Beispielfall

Wir wollen sie alle: feine, ruhige Hände. Warum manche Anweisungen im Unterricht zu eben dieser nicht führen und was stattdessen hilft, erklärt Ausbilderin Claudia Butry.

 

Ich behaupte: Ganz oben auf der reiterlichen Wunschliste aller Reiter steht „eine feine Hand bekommen.“ Und mindestens die Hälfte der Leute mit diesem Wunsch werden verrückt über die Aufforderung: „Hände ruhiger!“

 

Wir hatten gerade am vergangenen Wochenende ein Reitseminar zu diesem Thema. Wo sich Reiterfehler zeigen, wo die Ursache liegt und wie man das im Sattel löst. Referentin war Claudia Butry, Trainerin A FN, Bewegungslehrerin nach Eckart Meyners und Osteo-Concept Coach. Sie kommt übrigens noch zwei Mal in diesem Jahr zu uns, wann, steht auf der Kursseite des Blogs, HIER.

 

Eine unserer Kursteilnehmerinnen kam genau mit diesem Hände-Thema zu uns. Sie sagte: „Ich möchte ruhigere Hände bekommen, aber keiner kann mir erklären, wie das gehen soll!“

 

Bälle helfen in ein neues Körpergefühl

„Die Anweisung ‚Hände ruhiger‘ verführt viele Reiter dazu, starr mit der Hand zu werden“, erklärt Claudia Butry. „Reiten ist aber ein dynamischer Prozess, im Idealfall bewegen sich Reiter und Pferd harmonisch zusammen.“ In diesem Fall setzte sie nach einer Analyse an Hüftmobilisierung, Balance und Lockern der Oberschenkel an.

Ihr Weg, die Reiterin in ein anderes Bewegungsmuster zu führen, war folgender: die Reiterin sollte zwei orangefarbene Franklinbälle unter die Oberarmen klemmen. Nach einigen Runden damit kamen diese wieder weg und die Reiterin sollte nachfühlen. Dann, in einer anderen Reiteinheit des Kurses, sollte sie mit zwei türkisfarbenen Krater-Bälle zwischen Oberschenkel und Sattel reiten. Danach kamen sie wieder weg, die Reiterin sollte nachfühlen. Dann kam je ein Ball unter einen Sitzbeinhöcker, Schritt, Trab, Galopp, wieder nachfühlen. Dann beide unter die Sitzbeinhöcker. Dann alle Bälle weg.

 

Die Reiterin johlte, während sie mit den Bällen unterwegs war. Weil es sich so seltsam anfühlte, sie lachte und kicherte. Ihre Hände, die sich zuvor viel bewegten, waren jedoch sofort viel ruhiger.

 

Vier Gründe für unruhige Hände

Eine starre Hüfte kann nämlich eine Ursache für unruhige Hände sein. Eine ruhige Reiterhand ist ja keineswegs starr, sie bewegt sich eben passend mit. Was die Ursache für die Unruhe ist, muss von Fall zu Fall angesehen werden. Das kann der zu starre, verspannte Schultergürtel sein, das kann eine krampfige Daumenhaltung sein oder eben der fehlende Muskeltonus im Rumpf oder auch fehlendes Balancegefühl sein.

 

RUHIGE Hände sind ein Nebeneffekt

Durch die Bälle muss sich der Körper neu ausbalancieren und neu organisieren. Wenn der Körper durch diese neuen Reize neue Bewegungsmuster lernt, kann er diese später auch ohne die Hilfsmittel erreichen. Damit sich so ein neues Muster festigt, ist es sinnvoll, drei Wochen lang täglich den Reiz kurz zu setzen, also zum Beispiel für ein paar Minuten im Sattel die Bälle hinzuzunehmen.

 

Klemmt der Oberschenkel, kann das zu Unruhe in der Hand führen

 

Bei dieser Reiterin war die noch zu unflexible Hüfte ein Grund für die zu unruhige Hand. Eine andere Schraube zur feinen Hand waren die Aduktoren, die Klemmer der Oberschenkel,  zu lösen. „Stell’ Dir mal vor, Du wärst ein Frosch, der auf einem großen Gymnastikball sitzt“ sagte die Ausbilderin. Das Bild hilft, die Knie nach außen zu öffnen, wodurch die Reiterin eine Idee bekommt, wie sie die Oberschenkeladuktoren selbst lösen kann. Das Klemmen verhindert nämlich den Bewegungsfluss nach oben und unten. Und schwupps, floss die Bewegung besser durch den Körper der Reiterin. „Über das Klemmen der Aduktoren der Oberschenkel wird die Hüfte starr, dadurch wurde die Bewegung in die Arme übertragen.“ Das Gleichgewicht war zudem ein wichtiges Thema in diesem Fall, auch Übungen für das Gleichgewicht halfen, die Hand feiner zu machen.

 

 

Das Pferd zeigt sofort: So ist es besser!

Das Pferd reagierte übrigens sofort auf jede dieser Übungen. Es bewegte sich flüssiger, taktreiner und suchte schöner als zuvor die Anlehnung.

 

 

„Es ist bei den Pferden eigentlich schon alles da“, sagte Claudia Butry, „man muss es nur selbst lernen!“ 

 

 

Genau das traf auf diesem Seminarwochenende auf so viele Reiter-Pferd-Paare zu. Sobald ein Sitzproblem ansatzweise behoben war, zeigten sich die Pferde viel beser.

 

So löste Claudia Butry zum Beispiel mit ein paar Turnübungen das ISG-Gelenk einer anderen Reiterin. Sofort sah das Paar ganz anders aus. Dieses Gelenk, auch Kreuz-Darmbein-Gelenk genannt, verbindet die Beckenschaufeln mit dem unteren Teil der Wirbelsäule, dem Kreuzbein. Nach der Übung erschienen die Beine der Reiterin länger, ihr Sitz erschien eingestöpselter, sie saß viel mehr im Pferd als nur darauf.

 

Ganz klarer Fall also: Wer sich um seinen Sitz kümmert, tut etwas für sein Pferd, für jede Lektion und gleichzeitig fühlt sich alles viel besser an und schaut auch noch besser aus. Manche Reitersitz-Themen bleiben aber auch jahrelang. Doch jedes kleine Puzzlesteinchen hilft. Dranbleiben, keine Angst vor Fehlern haben und sich Schritt für Schritt immer mehr verbessern – das verbessert letztlich auch das Pferd an sich.

 

>>> Tipp: Claudia Butrys eigene Homepage heisst www.neuesreiten.de .Übungen mit Franklinbällen gibt es jede Menge in den pferdia-Online-Videos! Auch Eckart Meyners und Anja Beran, die beiden Ausbilder, die Claudia Butry prägen, sind in vielen unserer Filme zu sehen.

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