Das Medikament, das Deinen Reitersitz verbessert

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Immerhin sehen wir motiviert aus, oder? Fee und ich beim Elaine Butler Kurs. Foto: Klara Freitag

 

Ich erzähle Euch gleich von dem Medikament, das langfristig wie kurzfristig wirklich hilft. Lasst mich kurz ausholen. Hat alles miteinander zu tun, versprochen. Also: Vor ungefähr einem Jahr notierte ich mir die folgenden Zeilen.

>>>Ich habe mich der Realität gestellt. 

Und mich nach Ewigkeiten das erste Mal wieder beim Reiten filmen lassen. Wie es mir danach ging? Och. Es erinnerte mich an eine gute Bekannte, die mir auf einem Kurs sagte: „Wenn Du mich filmst, schick mir das nicht. Ich kann mir das nie angucken.“ Sie ist eine engagierte, gute Reiterin. Die sich regelmäßig fortbildet und ganz bestimmt nicht kritikresistent ist. Aber in den Spiegel gucken will sie selbst nicht. Das Feedback überlässt sie komplett ihren Ausbildern. Ich versteh’s vollkommen. Sich selbst beim Reiten zugucken ist schlimmer, als die eigene Stimme auf einem Anrufbeantworter anhören. Es ist die Landung auf dem Boden mit Sand im Mund. Bin ich das, die da so hübsch die Flügel spreizt, meint, die Ellbogen abstreckt? Vor allem gern in Wendungen? Die, die so gern in der Mitte des Körpers wackelt?  

Si. 

Ich hab mir das Video so ungefähr zehn Mal angeguckt. Beim ersten Mal war es am Schlimmsten. Denn das, was ich von oben fühle und das, wie es von unten ausschaut, divergiert. Stellen und Biegen auf der Volte, übertreten lassen – ich dachte von oben: wow, wie wahnsinnig stark das Pferd gebogen ist, also mehr wäre ganz falsch! Vor dem Bildschirm musste ich überlegen: war das jetzt wirklich die Situation, in der ich dachte, das Pferd sei stark gestellt und gebogen? Tatsächlich?

Öhhm… da geht noch was. <<<

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Von zwanzig Reitbildern zwanzig aussortieren? Meine leichteste Aufgabe.

 

Nach einem Jahr gucke ich mir die Screenshots zu diesen Zeilen an. Und es hat sich etwas getan. Zum einen: Ich finde die Bilder gar nicht mehr so schlimm. Geht doch, denke ich. Ganz anders ist das, wenn ich mir aktuelle Bilder ansehe.

Am liebsten würde ich direkt nach einem Fotoshooting alle Reitbilder in die Tonne kloppen.

Die arme Klara, die Fee und mich für den Blog fotografiert, kann ein Lied davon singen. „Nee, das nehmen wir nicht, guck mal hier die Oberlinie“, sag ich ihr dann, und, „nee, das auch nicht, da ist sie eine Idee hinter der Senkrechten“, so geht es weiter, „nein, hier gucke ich nach unten, nein, das auch nicht, schau dir mal an, wo mein Schenkel hingerutscht ist“ und dann schaffe ich es mit Leichtigkeit, von zwanzig Reitbildern zwanzig auszusortieren.

 

Mit zeitlichem Abstand sieht das anders aus. Ich denke dann eher: „Ach guck mal, wie schön locker sie da aussieht, die Fee!“ Und mein eigener Sitz ist dann plötzlich auch nicht mehr DIE Katastrophe schlechthin. Ich sehe zwar, was noch besser sein könnte, aber das ist es dann auch schon.

 

Betrachte Dein eigenes Reiten so, als ob Du Deine beste Freundin ansiehst.

 

Das riet mir Ausbilderin Elaine Butler, als wir über genau das sprachen. Was für ein goldener Tipp!

 

Elaine Butler Clinic day 1: all about the riders seat. Elaine is great in explaining how to use your body in a proper way while riding. Huge muscle pain now ... need a hot bath and a good sleep #elainebutler #marywanless

Elaine, die den krassesten Oberschenkel-Muskelkater zu verantworten hat, den ich je hatte.

 

Elaine Butler war nämlich letztens für einen Sitzschulungskurs bei uns. Und das beinhaltet auch immer eine Videoanalyse. „Viele schauen ihre eigenen Reitfotos oder Videos an und mäkeln sofort an sich herum“, sagte sie,  „Ungefähr so: ‚oh was habe ich da dicke Oberschenkel! Und dieser Bauch! Und dann sitze ich auch noch wie eine Schildkröte auf dem Pferd!’“, erzählte sie. Stattdessen die Perspektive der besten Freundin einzunehmen, oder sich vorzustellen, man würde die eigene Tochter beurteilen, ist ihr Tipp. Meint:  Bewusst wohlwollend an die eigene Leistung herantreten.

 

Es hilft tatsächlich.

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Blakkur mit Philippa im konzentriert-Modus. Mit Philippa organisiere ich die Kurse. Foto: Klara Freitag

 

Klar war es diesmal wieder hart, sich die aktuellen Filme anzusehen. Aber ich habe auch gesehen: es hat sich in diesem Jahr etwas an meinem Sitz geändert. Das hat ein Medikament bewirkt, das drei weibliche Namen hat. Hannah, Elaine und Mary. Bei mir wirkt diese Kombination so gut wie ein harter Jogginglauf: Anfangs flockig, dann enorm schmerzhaft, und das Gefühl danach ist kaum zu beschreiben.

 

Flockig:

Wir legen los, und die Damen schauen zu und analysieren.

 

Schmerzhaft:

Wir besprechen die Videos. Wir turnen, bis unsere Oberschenkel brennen.

 

Danach:

Wahnsinn, wie viel besser sofort das Pferd geht! Wenn Du weißt, welche Muskeln Du wie anspannen musst oder eben nicht, sitzt Du sofort schöner auf dem Pferd. Weil die Taille zum Beispiel nicht mehr wackelt und sich dadurch das ganze Reiten verändert (durch eine Kettenreaktion hin zu den Gliedmaßen). Und, Zauberei, auch das Pferd sofort anders geht.

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Unser Kursort. Darf ich vorstellen: Ostbelgien – bei Aachen. Hust. Foto: Klara Freitag

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Jedes Gastpferd bekommt bei uns ein Kreideschild mit Blume. Alles in hübsch! Foto: Klara Freitag

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Sweet Lina. Foto: Klara Freitag

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Alles grau, meine Reiterei, Deine Reiterei. Nicht schwarz, nicht weiss, aber oft mit bunten Höhepunkten dazwischen.

 

Alle drei Vornamen gehören zu Ausbilderinnen des Mary-Wanless-Sitzschulungssystem. Elaine Butler ist Engländerin, und bereist ganz Europa, um in diesem System zu unterrichten. Manchmal habe ich den Eindruck, sie hat Ultraschall-Augen, sie sieht einfach jedes klitzekleine Detail. Beispiel: mir war immer klar, dass ich mein Pferd irgendwie im Seitwärts blockiere. Sie geht die Seitengänge und Seitwärtsbewegungen an der Hand wunderbar, im Sattel ist es zäh. Im Schritt und Galopp ist es okay, im Trab am schlechtesten. Ich bin das, wusste ich immer, aber wodurch? Elaines Tipp beim Schenkelweichen durch die Bahn: Drehe den Bauchnabel in die Gegenrichtung zur Pferdebewegung. Ziehe mit dem Oberschenkel, der in Bewegungsrichtung weist, dorthin, wohin Du willst. Per Anfassen meiner Oberschenkel hat sie mir gezeigt, welche Muskeln ich dafür brauche. Und zack, was glaubt Ihr was passiert ist? Sofort wurde das Schenkelweichen flüssiger. Sofort.

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Hinter den Kulissen wird gearbeitet: So sieht es aus im Stall von Corinna (rechts), bei der wir die Kurse veranstalten. Zu ihrem Team gehört Birgit (links) und deren Hunde Suki und Lina (die höhere, großer Lina-Fan: HIER!). Von mir seht ihr den grauen Rücken :o). Foto: Klara Freitag

 

Übrigens sind in der pferdiathek Lehrfilme von ihr zu finden, außerdem war ein Teil vom pferdia-Team auch letztens bei ihr im Kurs, HIER haben wir davon erzählt.

 

Zu Mary und Hannah: Mary Wanless (HIER) hat die Methode begründet. Sie kenne ich nicht persönlich, sondern habe bloß ihre Bücher gelesen. Sie propagiert keinen eigenen Reitstil, ihre Methode funktioniert reitweisenübergreifend. Es ist eine Lehrmethode, die dem Reiter jeden einzelnen Muskel, den er für einen guten Reitersitz braucht, verständlich machen kann. All das, was talentierte Reiter mit ihrem Körper unbewusst tun, wird für Normalos dechiffriert. Hannah Engler hat diese Ausbildung in England frisch absolviert, sie wohnt bei mir um die Ecke, und unterstützt uns vor Ort dabei, dass sich das Gelernte setzt und nicht wieder schwupp die wupp verschwindet. Mary lesen, sich von Elaine auseinandernehmen und wieder  zusammensetzen lassen, sich von Hannah überprüfen lassen und von ihren guten Gedankenbildern zum Reiten profitieren: Diese drei im Paket sind der Knaller. Ich habe selten so starke Unterschiede innerhalb kurzer Zeit in punkto Sitz gesehen.

 

Was das mit guten Reitfotos zu tun hat: Egal ob ihr Euch für diese oder eine andere Sitzschulungsmethode interessiert. Egal, ob ihr Euch Franklinrollen unter die Gliedmaßen legt, ob ihr Sitzlongen nehmt, ob ihr Euch von Eckart Meyners und seinen Lehrern am Boden beweglicher machen lasst: Das schöne Foto ist ein Ergebnis vom schönen Reiten. Und es gibt kein schönes Reiten ohne einen funktionalen Sitz.

 

Das kostet Ausdauer, Schweiß, Frust und dennoch Weitermachen, eben immer wieder neue Anläufe.

 

Lohnt sich dennoch.

 

 

Es gibt nichts Schöneres, als wenn es dann endlich wird. Besser aussieht und sich vor allem auch so anfühlt.

 

(Danke Elaine, Danke Hannah!)

P.S.:  Hier ist Elaines Seite, hier ist Hannahs Seite. Am kommenden Wochenende ist Saskia Gunzer (hier ist ihre Seite) bei uns als Kursleiterin zu Gast. Wer als Zuschauer noch kurzfristig kommen mag, kann das gern tun. Zwei Plätze sind noch da, dann sind wir ausgebucht. Alle Infos auf der Kursseite hier im Blog.

 

Wer Aufmunterung braucht, auch zu dem Thema: Hier bei Pfridolin Pferd geht’s darum, wer schuld ist, wenn man vor Publikum nicht vernünftig reiten kann.

 

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