So züchtet man Goldstücke

Halbblutstute Alizée (The Alchimist xx mal Damon Hill) mit ihrem Stutfohlen von Rock Forever NRW

 

Ich mach’ kein Geheimnis daraus: ich liebe die Pferdezucht. Ich habe zwei Mal ein Fohlen selbst gezogen (was nach den Gesetzen der Szene nicht reicht, um sich Züchter zu nennen), ich könnte stundenlang Abstammungen wälzen (manchmal mündet es in einem Artikel oder einem Teil eines Buchs), ich habe viele Tage meiner Kinder- und Jugendzeit auf einem Ponygestüt verbracht (junge Ponies angeritten, Fohlen das Hufegeben beigebracht, im Stall geschlafen).

Mit einem schicken Reitponyfohlen der Hofbesitzerin.

Mit einem schicken Reitponystutfohlen von Dating AT der Hofbesitzerin Ute Donandt.

 

In meinem Leben soll es mal meine eigene Zucht geben. Gut vorbereitet, gut ausgesucht. Klein und fein. Nicht schon morgen. Ich weiß, das ist dennoch verrückt, wo doch überall etablierte Züchter reduzieren. Macht nichts. Verrückt kann ich gut.

Wann immer es geht, besuche ich Züchter. Ich will etwas aufsaugen davon, was ihre Idee, ihre Philosophie ist, will vom Gucken und Erzählen lernen. Von den alten Hasen. Außerdem finde ich Reiter spannend, die einfach dieses Virus gepackt hat und die sich trotz aller Umstände entscheiden: ich mach’ das jetzt. Ich baue mir eine Zucht auf. Marion Creyaufmüller ist jemand, der schon hunderte Schritte weiter diesen Weg gegangen ist als ich. Sie ist Dressurreiterin und Warmblutzüchterin mit handverlesenen Stuten, zwei davon in Sonderfarbe. Sie züchtet in Süddeutschland, und als ich im Frühjahr zu meiner Pferde-Recherchereise nach München aufbrach, war schnell klar: da müssen wir einen Zwischenstopp machen!

Ein ziemlich nasser Tag im Mai. Wir sind auf dem Ferstlhof angekommen, wir, das sind Fotografin Sabine Grosser und ich. Spezialisiert ist der Hof auf die Pension von Zuchstuten und Aufzuchtpferden. Abfohlboxen mit Paddock gibt es hier, und große Offenställe für die Mutterstuten mit den schon stabileren Fohlen. Soweit das Auge reicht, sind Weiden zu sehen, dabei liegt der Stall nur wenige Minuten vor München.

FERSTL HOF Interview mit Jeannette Aretz

Rosie, Rosée du Matin, unterwegs. Gern sausend!

 

Vollblut bringt die Farbe

Hier stehen die Stuten von Marion Creyaufmüller. Über die eine von ihnen, eine palominofarbene Halbblutstute, bin ich auf sie aufmerksam geworden. Ich entdeckte die Stute irgendwann im Netz und war begeistert. Denn: Farbzucht im Warmblutbereich ist nicht ganz unumstritten, oft wird da Farbe vor Qualität gehandelt und die Abstammungen sind hinten heraus lückenhaft oder von diversen Fremdrassen geprägt. Dies ist hier aber anders. Ihre Palominostute namens Alizée hat die Farbe von ihrem Vater, einem Vollblüter namens The Alchimist xx. Der Mutterstamm ist von Dressurblut geprägt, ihr Pedigree geht weiter mit Damon Hill x Argwohn I. Also: Eindeutig warmbluttypisch gezogen, nur eben in besonderer Farbe.

Wir gehen durch den Offenstall, hinaus zu den Weiden, die Stutenherde ist klitzeklein weit hinten auszumachen. Marion Creyaufmüller zeigt auf die Stuten: Da vorn ist Alizée, daneben ihr Fohlen von Rock Forever, etwas weiter weg steht ihre schwedische Zuchtstute, eine Braunisabelle, auch Buckskin genannt. Weich wie Waldboden fühlt sich der dunkle Moorboden hier unter den Sohlen an. Die Grashalme sind knallgrün, Frühjahrsgras eben, sie streifen ihre Regentropfen an unseren Stiefeln ab.

Rosie ist ein spritziger Naseweis, Fleur eine höfliche Dame

Bei den Pferden angekommen, ist sofort klar, wer hier die Mutigste ist: Alizées Fohlen, genannt Rosie, mit vollem Namen Rosée du Matin, möchte gern von jedem gekrault werden. „Mir gehört die Welt“ sagt ihr Ausdruck, aber nicht frech, sondern gepaart mit ganz viel Charme. Fleur, ein braunes Florencio-Stutfohlen der Schwedin, schaut derweil erst mal aus der Sicherheit neben der Mutterstute zu uns Fremden hin und pirscht sich dann ganz vorsichtig an. Ein höfliches Wesen – und ein Pferd, das im zweiten Augenblick wirkt, wenn sie mit einer beeindruckenden Taktsicherheit über die Weide trabt, und sich ohne irgendein bisschen Balance oder Takt zu verlieren, in die Schleuse zum Offenstall einsortiert. Während meine Hände bei diesem Termin völlig im Fohlenfell versinken, erzählt Marion Creyaufmüller mir, was ihr beim Züchten wichtig ist.

FERSTL HOF Interview mit Jeannette Aretz

>>>Hallo?<<< sagte dieses Fohlen irgendwann, als ich da versonnen stand. Hat mich nur ganz vorsichtig angetippt, nicht gezwickt oder so!

 

FERSTL HOF Interview mit Jeannette Aretz

>>>Ach, Du bist das! Guten Tag!<<< Alle Fotos: Sabine Grosser

 

  1. Regel: An die Amateure denken

„Klar möchte jeder Züchter sein Pferd am liebsten später in der Klasse S oder höher sehen“, sagt Marion Creyaufmüller. „Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich mein Fohlen an einen Amateur im A, L oder M Bereich verkaufe, ist viel höher. Ich möchte nicht an diesen Menschen vorbeizüchten. Meine Pferde sollen eine hohe Qualität haben, aber von Amateuren zu bedienen sein.“ Also: auch mal einen Sprung machen können, ins Gelände gehen, und nicht so elektrisch sein, dass es größte Mühe macht, sie zu bedienen. Sie setzt Hengste ein, die sich im Sport bewährt haben und klar im Kopf sind. Rock Forever und Florenciano zum Beispiel.  Nur ganz selten nimmt sie einen Junghengst, und wenn, dann muss dieser einen überragenden Mutterstamm haben.

FERSTL HOF Interview mit Jeannette Aretz

Fayence Noir mit ihrem Stutfohlen Féline von Fürstenball.

 

  1. Regel: Jenseits der Verkaufsanzeigen suchen

Ihre private Zuchtgeschichte ist der typische Einstieg eines Reiters in das Metier: Ihr Pferd hatte eine Verletzung. Eine gute Stute, sporterfolgreich und ansonsten gesund. Drei Fohlen zog sie aus ihr, dann konnte sie das hervorragende Pferd einer Freundin als weitere Zuchtstute erwerben. „Ich hatte, wie so viele, immer schon den Traum, eines Tages zu züchten“, erklärt sie. Anfangs ergab es sich einfach. Dann entdeckte sie ihre Vorliebe für aufgehellte Farben und suchte gezielt nach einer solchen Stute. „Mein Ziel war es, eine Stute ohne Fremdblut zu finden.“ Das ist nämlich gar nicht so einfach. „Ich hatte die Idee, über das Vollblut die Farbe in die Warmblutzucht zu bekommen.“ In dieser Zeit wurde der Hengst The Alchimist xx als Jungpferd vom Gestüt Falkenhorst erworben, ein Cremello aus den USA. Sie beobachtete dessen Aufzucht aus der Ferne, wartete, bis er leistungsgeprüft war. Der Hengst deckte nur eine handvoll Stuten, bis er an einer Kolik verstarb. Aus seinem ersten und einzigen Jahrgang stöberte sie ein Stutfohlen des Hengstes auf, die Mutter war eine „wirklich ordentliche Stute von Damon Hill“, und es gelang ihr, dieses Fohlen zu erwerben. Alizée.

Idylle auf dem Ferstlhof: Einfarbige Stute aus dem Noris-Stamm, ebenso von Marion Creyaufmüller, mit einem Fohlen von Fürstenball.

Idylle auf dem Ferstlhof: Die einfarbige Stute Fayence Noir von Fürst Rousseau aus dem Noria-Stamm, ebenso im Besitz von Marion Creyaufmüller, mit einem Fohlen von Fürstenball.

 

  1. Regel: Kilometer sind völlig egal

Für dieses Fohlen von The Alchimist xx fuhr sie hunderte Kilometer durch Deutschland. Ein Klacks gegen den nächsten Kauf: Sie durchstöberte das europäische Ausland nach aufgehellten Pferden, und fand in Schweden einen aufgehellten im Grand-Prix-Sport erfolgreichen Hengst. Sie verfolgte dessen Linien weiter, und schälte so heraus, dass es in der schwedischen Warmblutzucht durchaus aufgehellte Pferde ohne Fremdblutanteile gibt. Bis ins 18. Jahrhundert hinein erforschte Marion Creyaufmüller die Abstammungen, um herauszufinden, woher die Aufhellung dieser schwedischen Warmblüter stammt, nämlich entweder durch Trakehner Einflüsse, oder durch Vollbluteinflüsse (beides gilt in der Warmblutzucht als Veredlerblut, und zählt daher nicht als Fremdblut). Bei ihren Recherchen entdeckte sie eine Züchterin, die eine aufgehellte Stute einsetzte, die zuvor bis M-Dressur erfolgreich war. Einer einzigen Tochter gab sie ihre Fellfarbe mit – Riviére d’Or, genannt Rindi, Tochter des Rock-Forever-Sohns Rausing. „Nur wollte die Züchterin gerade dieses Stutfohlen nicht abgeben. Aber nicht etwa wegen der Farbe – die war für sie zufällig so und gar nicht so wichtig. Sie mochte sie sehr, weil sie ihrer Mutter so ähnlich war.“ Die beiden blieben im Kontakt, und als im nächsten Jahr ein weiteres gutes Fohlen der Stute geboren war, durfte Rindi als Jährling die weite Reise von Schweden nach Deutschland antreten. Diese Stute, heute vierjährig, führt nun ihr erstes Fohlen. Anhand des braunen Stutfohlens – das höfliche Fohlen mit der auffälligen Taktsicherheit – und ihrer braunisabellen Spielgefährtin ist im Kleinen gut sichtbar, wie die Regeln der Genetik beim Farbzüchter zuschlagen. Zwei aufgehellte Mutterstuten, angepaart mit zwei nicht aufgehellten Hengsten: die Chancen stehen 50:50, dass das Fohlen die Farbe der Mutter erwirbt. Durch Zufall ist dieser Jahrgang genau so gesplittet.

FERSTL HOF Interview mit Jeannette Aretz

Die Braunisabelle Riviére d’Or mit ihrem Stutfohlen Fleur du Matin von Florenciano.

 

  1. Regel: Das perfekte Umfeld

„Ich hatte immer den Traum von einem eigenen Hof. Realisiert habe ich es nie, und heute bin ich darüber gar nicht so unglücklich“ erzählt die Züchterin. Ihre Stuten sind auf dem Ferstlhof eingestallt. „Das ist ideal, das Gestüt wird von einem auf Pferde spezialisiertem Tierarzt und einer Pferdewirtschaftsmeisterin geleitet, ich kann sicher sein, dass die Pferde bestens betreut sind.“ Nachtwachen und 15 Fußkilometer pro Tag, bloß, um alle Pferde zu versorgen, bleiben der einstallenden Züchterin so erspart. Ute Donandt heißt die Pferdewirtschaftsmeisterin, die den Hof mit ihrem Mann betreibt. Ihr Konzept war es, „einen Ort für die Pferde zu schaffen, nicht für die Menschen, und den Pferden jeden Wunsch von den Augen abzulesen“. So haben die Abfohlboxen Paddocks davor, und zur Stallgasse hin gibt es nicht einfach eine Holzwand, sondern die Gitter reichen bis zum Boden. „Damit die Fohlen von Anfang an da durch schauen können und sich nicht nach oben recken müssen, damit sie etwas sehen können.“ Es gibt Heu rund um die Uhr, alle Boxen sind videoüberwacht, und jedes Pferd kommt täglich heraus, „auch bei Regen und Matschwetter, nur nicht, wenn es mal Glatteis gibt“. Vom Abfohlstall in den ersten Tagen geht es für Mutter und Kind in die Herde auf riesige Flächen. „Wir beobachten die Gruppen ganz genau, und schauen, in welcher Konstellation sie am ruhigsten sind und was sie lieben. Sich den Rücken vom Regen massieren zu lassen, das lieben die meisten Pferde zum Beispiel viel mehr, als hereingeholt zu werden oder eine Decke zu tragen!“

FERSTL HOF Interview mit Jeannette Aretz

Kleines Glück: Fohlen von Duke of Hearts xx beim Kraulen mit der Mutterstute auf dem Ferstlhof.

 

  1. Regel: Den Ritterschlag erkennen

Letztens begutachtete ein wichtiger Würdenträger des Verbandes das Stutfohlen von Alizée. Er kommentierte, sinngemäß: „Ein ganz gelungenes Fohlen, die Optik, der Typ, die Bewegung! Nun gut, die Farbe ist gewöhnungsbedürftig, aber ansonsten ist sie gelungen!“ Ein Ritterschlag – den ein Farbzüchter erst mal als solchen erkennen muss. Dass die Farbe durchweg noch nicht richtig akzeptiert wird, das „wird sich erst ändern, wenn Pferde dieser Farbe im Sport auftauchen und sich bewähren“, sagt die Züchterin. „Ich habe mich über diesen Kommentar gefreut“, sagt Marion Creyaufmüller. „Wichtig ist, dass die Qualität stimmt. Ansonsten finde ich: Was für ihn gewöhnungsbedürftig ist, ist für mich eben das Sahnehäubchen!“

Rosée du Matin von Rock forever NRW, wahrscheinlich das einzige Fohlen dieses Vaters in der Spezialfarbe Braunisabell, auch Buckskin genannt.

 

 Ein P.S. muss unbedingt noch  hinter diesen Artikel! Danke an Sabine Grosser, deren Arbeit ich sehr schätze! Wir haben das erste Mal ohne hunderte Kilometer Distanz miteinander gearbeitet, und das war sooo schön!

Danke an Marion Creyaufmüller & Ute Donandt, dass Sie uns Türen und Tore geöffnet haben und aus einer Internetbekanntschaft ein echtes Treffen unter Pferdeliebhabern werden konnte. Es war wunderbar!

Und noch eins: Die Zuchtseite von Marion Creyaufmüller findet man unter www.horseandart.de. Die Vorstellung von Ute Donandts Ferstlhof findet man unter www.ferstlhof.de. Sabine Grossers Fotografenseite ist unter www.sabinegrosser.de erreichbar. 

3 Kommentare

  1. Klasse Beitrag!
    Gute Pferde, tolle Aufzucht, beste Abstammung in bunten Farben – was will man mehr? Kann ja nicht immer nur Braune geben, das ist langweilig. Und es wäre schade, wenn die Farbvielfalt aussterben würde.

  2. Hi Katharina, ja, das Gesamtpaket ist schon wirklich großartig, oder? Finde ich auch! LG Jeannette

  3. <3 traumhaft, ich liebe Sonderfarben und dann noch mit diesem Körperbau. So ein Pferd wäre mein absoluter Traum 🙂