Ursula Bruns – ein Nachruf

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Autorenbeschreibung von Ursula Bruns auf dem Umschlag ihres Buchs „13 alte Esel“ von 1958.

 

Heute wird Ursula Bruns beerdigt. Die große Pionierin der Freizeitreiterei, der Basis-Ausbildung und diejenige, die die Islandpferde nach Deutschland brachte. Ein Nachruf, ein Verneigen – und eine Kleinigkeit, die noch gerade zu rücken ist.

Mein erstes Exemplar von Ursula Bruns Buch „Heißgeliebte Islandpferde“ bekam ich von Nachbarn, dessen Ponys ich als Grundschulkind nachmittags striegelte. Ich habe es dieser Tage, als ich hörte, dass Ursula Bruns gestorben ist, wieder heraus gekramt und darin gelesen. Jeden Abend ein paar Kapitel.

Hach. Wie sie von Héla erzählt: Ursula Bruns wollte ein ruhiges Pferd zu ihrem sensiblen Sóti kaufen, und ein isländischer Freund schickte ihr die Stute Héla. Sie entpuppfte sich als spezieller Fall, so dass UB beschloss, dass sie ‚mit Selbstmordabsichten auch Sóti besteigen konnte’ und deshalb die Stute ‚lieber zu Fuß studierte’. Was natürlich nicht nur dabei blieb. Sie erzählt von emsigen Reitkindern, ihren Weiden im Frühling, Fotosessions und von der Robustpferdehaltung, die als Eigenversorger damals bloß ‚70 Pfennige pro Pferd und Tag’ kosten würde, man dann allerdings kaum mehr zum Reiten selbst käme. Sie schreibt über die isländische Landschaft, beschreibt Geröllfelder und ‚ständig ihr Bett wechselnde Gletscherflüsse.“

 

Was für ein persönlicher, nicht glatt gebügelter Schreibstil! Wie viel Pferdewissen, das heute wieder neu entdeckt und neu verkauft wird, ist dort, in den Beschreibungen ihrer eigenen Pferde, schon enthalten. Wie wunderbar!

 

Linda Tellington-Jones über ihre Weggefährtin
Die großartige Ursula Bruns hat so viel für die Pferde in Deutschland getan. Wie würde unsere Leidenschaft heute ohne sie wohl aussehen? Keine Offenställe, keine Islandpferde (die brachte sie nämlich nach Deutschland), keine Basis-Schulungen für Späteinsteiger, kein Reken-Reitzentrum, keine Linda Tellington-Jones hierzulande bekannt? Nicht auszudenken! Ihre Weggefährtin Linda Tellington-Jones schreibt:

 

„Wir haben eine Vordenkerin und Legende vergangenen Freitag verloren. Aber UB wird in all den Herzen derjenigen weiterleben, dessen Leben sie berührt hat mit ihrer Leidenschaft, das Leben der Pferde zu verbessern.“ 

 

Sie schrieb diese Worte in einer E-Mail an mich vor ein paar Tagen war das. Das Team von pferdia tv und dem Verlag Kosmos plant nämlich momentan Dreharbeiten mit Linda Tellington-Jones, deshalb mailten wir ein wenig hin und her. Ich fragte LTJ, ob ich diese schönen Worte aufschreiben darf, und sie sagte zu. Und sie erzählte weiter, dass es vor vielen Jahren Ursula Bruns gewesen sei, die sie vor die Schreibmaschine gesetzt hätte in Reken, jeden Tag, fünf Wochen lang, und Linda Tellington-Jones bestärkte, ihre Methode zu veröffentlichen. Nur durch UBs Zuspruch war es möglich geworden, dass Linda Tellington-Jones ihr erstes Buch in Deutschland veröffentlichte.

 

Linda Tellington-Jones Buch war etwas ganz anderes, als alles, was der Markt damals kannte. Genau dieses Buch landete in meinem Buchregal, da war ich vielleicht zehn, zwölf Jahre alt, und da war etwas darin, dass sagte: „Es geht auch so!“ Ich sehnte mich nach diesem Umgang mit dem Pferd, und ich bin mir sicher, das ging vielen damals eben so. Im heimischen Reitstall sah ich Zuckerbrot und Peitsche, Herumgebrülle ebenso. Daheim schlug ich diese Bücher auf  – welch ein Kontrast! Die beiden, UB und LTJ, lösten einen Ruck aus, der bis heute nachwirkt. Paddockboxen an jedem zweiten Stall, Wettbewerbe, wie ‚Unser Stall soll schöner werden’, sogar Bodenschulentrainings der FN – wer hätte das gedacht, vor Jahrzehnten, dass es so etwas einmal unter dieser Flagge geben wird.

Wie UB ein Feld amerikanischer Profi-Reiter hinter sich ließ
Linda Tellington-Jones schwärmte in ihrer Mail über UB auch von den großartigen Qualitäten von Ursula Bruns als Reiterin. „Als sie 1970 die USA besuchte, fragte sie mich, ob es realistisch sei, untrainiert den berühmten 100-miles-in-one-day Tevis Cup Ritt zu absolvieren. Ich riet ihr, teilzunehmen, den Ritt zu genießen und einfach zu schauen, wie weit sie wohl käme. Sie wurde Vierte! Das gab’s noch nie!“

 

Eine UB konnte wohl einen Stiefel reiten. In „Heißgeliebte Islandpferde“ beschreibt sie, wie sie ein Pferd korrigierte, dass ihr als unrittig und durchgehend gebracht wurde. Fálki beschreibt sie als sensibel, fein und hochgradig aufmerksam, ‚die Augen stets in Bewegung, den Weg vorauf, die Wegränder entlang knackt da ein Zweig? Raschelt es im Laub? Klingelt unversehens eine Fahrradglocke auf dem Pfad?’ Das Pferd sei unberechenbar, sagten ihr die Vorbesitzer, es ginge durch. Ursula Bruns Kapitel über Fálki ist beeindruckend: sie analysiert sein Durchgehen als Instinktverhalten, beschreibt die Verhaltensweisen von wilden Pferden bzw. den Vorfahren von Fálki und attestiert dem Wallach starke Urpferde-Instinkte. Die ihn in den Fluchtmodus wechseln lassen, sobald der Reiter unsicher wird:

 

 „Fálkis ganze Welt war aus den Fugen geraten – und keiner der klugen Experten begriff es“, schreibt sie über seine Vorbesitzer.  „Er wich ihnen auf der Weide in weitem Bogen aus, weil sie die Angst mitbrachten wie einen bösen Geruch. Anfangs klopften und streichelten sie ihn nach dem Einfangen, doch eigentlich nur, um sich selbst zu beruhigen. Da ihre Angst vor ihm dabei nicht nachließ, spürte er nur dies und konnte in seinem Pferdehirn nichts andres annehmen, als dass Grund zur Angst bestand. Und er reagierte mit Steigen, Zurückweichen, Augenverdrehen.“

 

Sie spricht nicht von Fehleinschätzungen von irgendwelchen Pferdeprofis im Jahr 2016 – sie analysiert hier in den 50er Jahren! Wo kaum verhaltensbiologische Forschungen vorlagen, wo Horsemanship als Marke noch nicht erfunden war. Schließlich erklärt sie, wie sie das Vertrauen wieder herstellte und Fálki das beste Reitpferd einer talentierten Jugendlichen wurde.

 

Ursula Bruns erwärmt auch heute noch mit ihren Erzählungen mein Herz. Neben all den Fakten, die sie für die Pferde schuf.

Das Ende der freizeit im sattel
Es gibt aber auch etwas, von dem ich mir wünschen würde, es wäre anders gelaufen. Besser.

Ich habe zwei der letzten Jahre der freizeit im sattel zu verantworten. Das Magazin, dass UB gegründet hat als ‚Pony Post’, und das zu schlichtweg DEM Magazin für Freizeitreiter heranwuchs. Ich habe damals als Chefredakteurin von Pegasus mit Inbrunst, Arbeit und Liebe fürs Blatt versucht, die freitzeit im sattel in die Pegasus zu integrieren und es auf neue Art und Weise weiterleben zu lassen.

Sollen wir kaufen? fragte mein Verlagschef.

Ich sagte: Die beiden Magazine passen zusammen.

Ja.

Viele der langjährigen Leser fanden das furchtbar. Überhaupt unsagbar unverschämt, diese heilige freizeit im sattel in ein anderes Blatt integrieren zu wollen. Und dann auch noch in einem anderen Stil.

Ich habe mehrere kniehohe Stapel uralter Exemplare der freizeit im sattel daheim. Ich war das Kind, das beim benachbarten Islandpferdezüchter stets die gelesenen fs-Hefte abholte und nach Hause schleppte. Mein erstes Pferd stand im Offenstall, weil ich in der freizeit im sattel lernte, wie das geht, Haltung in Eigenregie.

Ich konnte diesen Herzschmerz der Stammleser verstehen.

Aber ich wusste auch: So, wie sie zu dieser Zeit existierte, war die freizeit im sattel aus der Zeit gefallen. Ohne diesen Verkauf und ohne die Neuerungen hätte die fs die paar Jahre gar mehr nicht mehr gehabt. Deshalb fand ich es damals gut, dass der Verlag, der Pegasus besaß, die fs erwarb.

 

Heute denke ich: Vielleicht wäre ein schnelles Aus sogar besser gewesen, als dieses Sterben auf Raten.

 

Beide Magazine wurden gemeinsam jünger, bunter, aufmerksamer. Dann bekam ich ein Kind und kündigte. Aus Gründen. Ein Nachfolger kam. Schließlich ging die Pegasus – freizeit im sattel in einem anderen Magazin auf. Das nennt man so, aber letztlich war das: Ein Verkauf von Abonnenten. Von den ursprünglichen Blättern ist nichts mehr zu spüren. Es ist mir und auch meinem Nachfolger nicht geglückt, dieses schriftliche Erbe hinüber zu retten in eine neue Zeitschriftenlandschaft.

 

Das ist eine Schande, liebe Frau Bruns. Es tut mir leid.

 

Höhepunkte der Zeitschrift zu meiner Zeit waren sicherlich die langen Interviewstrecken mit Ursula Bruns höchstpersönlich. Damals bat ich die Autorin Monika Krämer für Pegasus-freizeit im sattel (so hieß das Blatt zu der Zeit) nach Spanien zu reisen, wo UB viel Zeit verbrachte. Wir druckten mehrfach seitenlange Interviews. Was bin ich froh, dass es diese Zeitzeugnisse gibt!

 

Etwas richtig gemacht.

 

Entzückend wie Dick und Dalli
Nach UBs Tod telefonierte ich mit Monika Krämer. Wir sprachen über all dies, und waren uns einig, dass Ursula Bruns neben all der Verdienste für die Pferde auch eine herausragende Autorin war. Wir sprachen von „Heißgeliebte Islandpferde“, und dann fragte Monika Krämer, ob ich auch UBs Buch „13 alte Esel“ kennen würde?

So entzückend wie Dick und Dalli sei das.

Bisher nicht.

 

Ein paar Minuten später habe ich es mir antiquarisch im Internet bestellt. Ich hab es mir selbst geschenkt, bin sehr gespannt darauf.

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Ich werde jede Zeile genießen und abends mit einem Glas spanischen Weins auf Ursula Bruns, diese großartige Frau der Pferdeszene Deutschlands, anstoßen.

Und im Kleinen versuchen, das zu tun, was sie im Großen lebte. Eine gute Autorin in dieser Pferdewelt und Pferdemenschenwelt zu sein. Die Guten fördern. Die richtige Kritik üben. Dem Pferd einen Dienst erweisen, diesem wunderbaren.

 

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1 Kommentar

  1. Sehr schön geschrieben, Danke.
    Die „Freizeit im Sattel“ hat mir auch einst viel bedeutet. Soviel, dass ich die alten Jahrgänge jetzt wieder suche. Nicht nur als „die Zeitschrift die zeigt, wie man’s macht“ und „Pferdeliebe mit Sachverstand“… ich fand den Untertitel der 1970er Jahre viel besser: „Europas größte Zeitschrift zur Haltung und zum Reiten von Robustpferden“ (heute weiß man dass ja nahezu alle Pferde robust gehalten werden können). Die FS war aber noch mehr, sie war auch ein Kampfblatt zur Interessenvertretung der Geländereiter, das wird jetzt oft vergessen.

    Das „Ende“ der FS, ja es war etwas unwürdig… der Zusammenschluss mit Pegasus war an sich nicht verkehrt, er kam nur gut 10 Jahre zu spät! So konnte die Verjüngungskur nicht gelingen… ich kann mich erinnern, die Pegasus (als Gründerin Brenda Zuckschwerdt noch Chefredakteurin war) in den späten 1990’ern oft mit Gewinn gelesen zu haben, als die (noch bis zum bitteren Ende 2008 abonnierte) FS begann immer langweiliger zu werden. Ja, so hat UB es wohl nicht geschafft, eine Nachfolgerin aufzubauen, die wirklich in ihre Fußstapfen treten konnte…